Frau Deitelhoff, am 24. Februar jährt sich der Kriegsbeginn in der Ukraine bereits zum dritten Mal. Es heißt, dass die USA schon bald, vielleicht sogar auf der Sicherheitskonferenz in München, Pläne präsentieren wollen, wie ein Weg zu einem Waffenstillstand aussehen könnte. Was bislang durchgedrungen ist, läuft auf die Formel hinaus: Russland behält die besetzten Gebiete, die Ukraine bekommt westliche Sicherheitsgarantien, die USA erhalten Zugriff auf Seltene Erden. Was ist von einem solchen Szenario zu halten?
NICOLE DEITELHOFF: Alle Pläne, die gerade auf dem Tisch liegen, haben eine große Lücke: Wie will der US-Präsident die russische Seite dazu bewegen, dem zuzustimmen, wo sie doch den Eindruck hat, dass gerade alles, militärisch und politisch, in ihre Richtung läuft? Ich denke, dass man auch in der neuen US-Administration zu erkennen beginnt, dass es ohne Druck auf den Kreml nicht gehen wird. Das Weiße Haus muss seine Drohung, die Ukraine noch sehr viel stärker militärisch zu unterstützen und Russland wirtschaftlich viel härter zu treffen, sehr viel glaubhafter vortragen.
Kann Donald Trump das?
DEITELHOFF: Es gab zumindest Signale, darunter etwa neue Sanktionen gegen die russische Schattenflotte, die tatsächlich Wirkung gezeigt haben. Damit zeigen die USA: So zahnlos, wie ihr vielleicht denkt, sind wir nicht. Und wenn es nötig ist, sind wir sogar bereit, noch viel härter zuzuschlagen. Also, kommt an den Verhandlungstisch. Das heißt aber auch, dass die Verhandlungen Trump etwas kosten werden. Und Kosten mag er so gar nicht.
Wird Russland seine Ziele in der Ukraine erfüllen?
Wie sieht es mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus? Was könnten die US-Pläne für ihn bedeuten?
DEITELHOFF: Das ist die andere große Frage: Wie wird Trump Wolodymyr Selenskyj dazu bewegen können, einen Plan zu akzeptieren, in dem die besetzten Gebiete an Russland fallen? Der ukrainische Präsident wird dem wohl nur zustimmen, wenn es sich um eine temporäre Waffenstillstandsvereinbarung handelt, der Status der Gebiete aber offen bleibt. Ganz sicher wird er nicht akzeptieren, dass Russland einen Besitzanspruch auf diese Regionen bekommt.
Wenn das geschehen würde, hätte Putin zumindest ein Ziel erfüllt.
DEITELHOFF: Genau. Und es wäre ein beängstigendes Zeichen der Amerikaner an die Welt: Das, was ich Russland erlaube, habe ich auch selbst vor – nämlich Grenzen zu verschieben. Der US-Präsident hat seinen Landsleuten angekündigt, dass die USA ihr Territorium während seiner Amtszeit vergrößern werden, und die Wunschliste hat er ja auch bereits präsentiert. Fragt sich, wie er das ohne Zwang schaffen will.

Da verhandelt dann also ein US-Präsident, dem die internationale Ordnung egal ist, mit einem russischen Präsidenten, der seit Jahren demonstriert, was er von Regeln hält.
DEITELHOFF: Vielleicht ist das auf der einen Seite sogar ein Vorteil, denn da treffen zwei Männer aufeinander, die sich verstehen dürften. Beide interessieren sich nicht die Bohne für internationale Regeln und Schranken. Beide haben ihren eigenen Vorteil im Blick und machen sich wenig Illusionen über das Gegenüber. Das schafft zumindest eine Basis, auf der man miteinander in Verhandlungen einsteigen kann. Doch auf der anderen Seite bedeutet das auch, dass beide Seiten bereit sein könnten, zu Einigungen zu gelangen, die die Weltordnung, also jene Regelwerke, die uns wichtig sind, komplett in den Wind schießen. Es besteht die Gefahr, dass Moskau und Washington die Ukraine aufteilen, ohne auf die Bedürfnisse des Landes und auf das Völkerrecht zu achten. Dazu könnte neben einem schmutzigen Land-Deal auch gehören, Wladimir Putin Straffreiheit zuzusichern – den Internationalen Strafgerichtshof mögen ja beide nicht.
Europäer werden gebraucht in der Ukraine
Hat Europa überhaupt eine Möglichkeit, auf den Prozess einzuwirken, oder stehen wir nur als Beobachter an der Seitenlinie?
DEITELHOFF: Die Europäer müssen sogar in eine Waffenruhe eingebunden werden, denn die kann schließlich nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern sie muss abgesichert werden. Das heißt, es müsste eine internationale Friedenstruppe in die Ukraine entsandt werden. Dass die nicht von den Amerikanern gestellt würde, haben sie bereits sehr deutlich gemacht. Trump erwartet, dass Europa die Regie übernimmt – die EU wird also gebraucht und das ist ein Pfund, mit dem sie wuchern kann. Allerdings heißt das auch, dass die Europäer in der Lage und willens sein müssen, sich zu engagieren. Frankreich hat bereits klargemacht, dass es bereit ist, sich der Verantwortung zu stellen und Soldaten zu schicken. Der deutsche Kanzler hingegen äußert sich eher zurückhaltend. Die Europäer sind also zum aktuellen Zeitpunkt nicht einmal in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen. Das sollten sie sehr schnell ändern.
In der deutschen Gesellschaft gibt es die Hoffnung, dass Deutschland sich finanziell und politisch aus der Ukraine heraushalten könnte, sobald es einen Waffenstillstand gibt. Ist das demnach ein Irrglaube?
DEITELHOFF: Die Probleme der Ukraine werden uns noch für sehr lange Zeit begleiten und sie werden viel Geld kosten. Eine Friedenstruppe will bezahlt werden, sie braucht Ausrüstung. Und auch die Ukraine muss wieder aufgebaut werden, das wird Jahrzehnte dauern. Im Osten und Süden sind die Landstriche extrem zerstört. Die Ukraine ist eines der am schlimmsten verminten Länder der Welt. Zugleich ist eine stabile, demokratische Ukraine in unserem ureigenen Sicherheitsinteresse, denn an der Grenze wartet ein Russland, das kein Interesse daran hat, dass es der Ukraine oder Europa gut geht.
Über all dem dürfte zudem die Frage stehen, was mit den besetzten Gebieten geschieht. Werden die Kämpfe deshalb nach einem Waffenstillstand wieder beginnen?
DEITELHOFF: Eine Waffenstillstandsvereinbarung ist immer nur ein erster Schritt aus dem Krieg heraus. Es muss gelingen, einen Prozess in Gang zu setzen, der in einen nachhaltigen Frieden führen kann. Das heißt dann auch, dass eine Einigung über die Zukunft der von Russland besetzten Territorien gefunden werden muss. In der Vergangenheit waren Volksabstimmungen das Mittel der Wahl. Doch gerade mit Russland haben wir die Erfahrung gemacht, dass es solche Plebiszite gern manipuliert – und das nicht zu knapp. Ich erinnere nur an die berühmten „grünen Männchen“ auf der Krim oder die „Abstimmungen“ in den besetzten Regionen. Das heißt, dass wir über andere Verfahren nachdenken müssen.
Wie könnten die aussehen?
DEITELHOFF: Es könnte eine internationale Schiedskommission eingerichtet werden, die nach einem bestimmten Zeitraum, in der die Territorien einer Übergangsverwaltung unterstellt waren, eine rechtliche Prüfung vornimmt und entscheidet. Aber schon dieser Plan würde darauf basieren, dass erstens beide Parteien sich auf die Besetzung einer Schiedskommission einigen könnten. Nicht sehr wahrscheinlich. Sollte es also doch zu Volksabstimmungen kommen, dann muss sichergestellt werden, dass zweitens in den fraglichen Gebieten zumindest eine internationale Verwaltung zustande kommt. Denn sollte dort Russland die Verwaltung innehaben, macht es weiter, womit es längst begonnen hat: mit der Gleichschaltung der Bevölkerung durch Propaganda und Ausschaltung allen politischen Widerstands. Dann braucht es keine Abstimmung mehr.
Offenbar ist ein Bestandteil eines möglichen Friedensplanes auch eine zügige Neuwahl in der Ukraine. Das klingt harmlos, sorgt aber angesichts der mutmaßlichen massiven Wahleinmischung Russlands, von der auch Sie gerade sprachen, für große Sorge in Kiew. Wie schätzen Sie das ein?
DEITELHOFF: Es gibt in der Ukraine das Bedürfnis nach einer Wahl, es gibt viele Menschen, die sich nicht gehört fühlen. Aber mitten im Krieg Wahlen abzuhalten, ist sowohl logistisch als auch politisch schwierig. Im konkreten Fall würde es Russland die Gelegenheit geben, die gegenwärtige Regierung in Kiew durch orchestrierte Desinformation zu unterminieren. Darauf sollten sich die USA nicht einlassen. Aus meiner Sicht ist die Reihenfolge klar: Erst braucht die Ukraine eine stabile Waffenstillstandsvereinbarung, dann kann man Wahlen einleiten. Und die Wahl selbst könnte man schließlich verbinden mit einer Abstimmung über den Friedensprozess zwischen den beiden Parteien.
Hat die Ukraine überhaupt eine Wahl, ob sie einem möglicherweise zwischen Moskau und Washington ausgehandelten Deal am Ende zustimmt? Ohne US-Unterstützung sieht es düster aus.
DEITELHOFF: Natürlich sagt Präsident Selenskyj, dass er sich Verhandlungen gut vorstellen kann. Aber tatsächlich ist er angewiesen darauf, dass ihn die USA unterstützen. Was er von Europa zu erwarten hat, hat er in den vergangenen Monaten recht gut erkannt – da ist nicht mehr viel Luft nach oben. Eher überhaupt keine mehr. Was wir erleben, sieht teilweise fast nach geordnetem Rückzug aus. Deshalb ist Selenskyjs Bereitschaft zu verhandeln sicher nicht so freiwillig, wie sie erscheint. Gleichzeitig ist er pragmatisch und in der Lage, seine Ziele anzupassen. Der Vorschlag etwa, dass die Ukraine Seltene Erden und Metalle an die USA exportieren könnte, stammt von ihm. Das zeigt auch, dass die Regierung in Kiew weiß, mit wem sie es zu tun hat, nämlich mit jemandem, der nur seinen eigenen Vorteil im Blick hat.
Welche Folgen hat die Debatte über einen Waffenstillstand für die Front? Müssen wir uns auf blutigere Kämpfe einstellen, weil jede Seite versuchen muss, so viel Gebiet wie möglich für sich zu sichern?
DEITELHOFF: In dieser Phase sind wir längst. Beide Seiten versuchen, die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Russland bringt alles in den Osten rein, in der Hoffnung, dass die ukrainische Front zusammenbricht. Und tatsächlich macht die russische Armee auch Fortschritte, aber die sind so klein, dass sich die Ukraine nur minimal rückwärts bewegt. Gleichwohl ist die Zerstörung, die Russland anrichtet, massiv – sie wird vielleicht höchstens noch übertroffen von den Bildern, die wir aus Gaza sehen.
Zur Person
Nicole Deitelhoff ist Professorin für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und eine der bekanntesten Friedensforscherinnen in Deutschland. Sie leitet seit 2016 das Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF).
Die Einlassungen von Frau Deitelhoff stellen die Meinung der europ. Elite zum Umgang mit Krisen dar, aber sind weit entfernt von der Realität insb. im Donbass und auf der Krim nach Stand des derzeitigen Frontverlaufs. Es ist völlig unrealistisch, dass sich im Donbass eine neutrale Zone nach westl Vorstellungen realisiert werden kann. Der Donbass und die Krim ist für die UA auf Dauer verloren. Damit muss sich Kiew abfinden. Und ob der UA Präsident freiwillig zu Verhandlungen nach US Vorstellungen zustimmt, ist nur von sekundärer Bedeutung. Derweil die USA schon Mal Massnahmen ergreifen, die investierten Mittel zurück zu holen.
Blöd nur, dass das was Trump von der Ukraine will in den Gebieten liegt die von Putin schon besetzt wurden.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden