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Interview: "Es war ein Fehler, die Olympischen Spiele an Peking zu vergeben"

Interview

"Es war ein Fehler, die Olympischen Spiele an Peking zu vergeben"

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    Am Donnerstag werden die Olympischen Winterspiele in Peking eröffnet. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Renata Alt (FDP), hält die Spiele in einer Diktatur für hoch problematisch.
    Am Donnerstag werden die Olympischen Winterspiele in Peking eröffnet. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Renata Alt (FDP), hält die Spiele in einer Diktatur für hoch problematisch. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Frau Alt, freuen Sie sich auf die Olympischen Winterspiele in Peking, die am Freitag mit der Eröffnungsfeier beginnen?

    Renata Alt: Ich sehe diese Olympischen Spiele mit sehr gemischten Gefühlen. Auf einer Seite weiß ich, dass es für die Sportler etwas ganz Besonderes ist. Ich hatte an der Uni eine gute Freundin, die Leistungssportlerin war. Ich weiß, für die Sportler ist es das Schönste, was sie in ihrer Karriere erleben. Aber der Überwachungsstaat in China, die politischen Verhältnisse insgesamt machen mich sehr nachdenklich. Und im Nachhinein muss ich ehrlich sagen: Es war ein Fehler, die Olympische Spiele seitens des Internationalen Olympischen Komitees an Peking zu vergeben.

    Die FDP-Abgeordnete Renata Alt aus Baden-Württemberg kritisiert die Überwachung von Sportlern und Journalisten durch das kommunistische Regime.
    Die FDP-Abgeordnete Renata Alt aus Baden-Württemberg kritisiert die Überwachung von Sportlern und Journalisten durch das kommunistische Regime. Foto: privat

    Die Spiele in China sind nicht die ersten, die in einer Diktatur ausgetragen werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) vergab sie an Nazi-Deutschland und an die Sowjetunion. Was läuft da falsch im

    Alt: Bei der Vergabe an Peking hat der kommerzielle Aspekt eine unglaublich große Rolle gespielt. Wintersport soll in China ein Massengeschäft werden mit Millionen von neuen Konsumenten. Ich wundere mich darüber, wenn die Befürworter und Anhänger Chinas jetzt sagen, 'na ja, aber jetzt lassen wir die Politik beiseite'. Das ist eine naive Vorstellung des Westens, dass diese Diktaturen die Spiele nicht für die eigene

    An der Spitze des IOC steht der Deutsche Thomas Bach. Haben Sie als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages mit ihm darüber sprechen können, warum er Olympia in China gutheißt? Bach ist in China hoch angesehen, er wurde von Staatschef Xi Jinping empfangen.

    Alt: Nein, ich hatte noch keine Gelegenheit dazu. Es mag sein, dass er China früher anders gesehen hat und an die Sommerspiele von 2008 in Peking denkt. Aber China hat sich seitdem in eine ganz andere Richtung entwickelt. Von Öffnung keine Spur mehr. Alleine die lückenlose Überwachung der Sportler und der Journalisten zeigt, mit welchem Regime wir es zu tun haben. Auch die Journalisten werden massiv in ihrer Arbeit behindert.

    Ist Ihnen Herr Bach deutlich zu leise, was das betrifft? Er vermeidet jedes klare Wort.

    Alt: Ich konnte jedenfalls in den letzten sechs Monaten keine Kritik an der Situation in China wahrnehmen. Es wäre jetzt aber sehr wichtig, dass das IOC seinen Verpflichtungen nachgeht. Es müsste sich zumindest für die Rechte und die Freiheit der Sportler einsetzen. Die sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten, müssen Apps auf ihren Handys installieren, die der Überwachung dienen. China will jede Kritik unterdrücken. Wir haben kürzlich im Ausschuss für Menschenrechte eine Erklärung zur Lage in China verabschiedet und auf der Homepage des Bundestages veröffentlicht. Natürlich hat es keine 24 Stunden gedauert, bis die chinesischen Botschaft ein Protestschreiben geschickt hat.

    Kann man von den deutschen Olympioniken verlangen, dass sie die Verhältnisse offen kritisieren? Erwarten Sie von ihnen klare Bekenntnisse zu Demokratie und Menschenrechten?

    Alt: Vor Ort werden die Sportler überhaupt keine Möglichkeit dazu haben. Das lässt das politische System nicht zu. Wir werden sicher erst mehr erfahren können, wenn sie wieder zu Hause sind. Sie sind so abgeschottet und überwacht und das schüchtert ein. Ich kann mich in die Situation gut hineinversetzen. Wenn ich daran denke, wie es mir vor 1989 in der damaligen Tschechoslowakei gegangen ist, dann weiß ich, dass ich einfach Angst hatte und keine Probleme bekommen wollte.

    Weil Sie ihre eigenen Erfahrungen ansprechen – wie wichtig ist es für die Chinesen, dass sie spüren, dass es den Menschen in anderen Ländern nicht egal ist, was die KP dort macht?

    Alt: Das ist unglaublich wichtig. Ich kann mich gut an die Jahre vor der Revolution 89 erinnern. Wir haben uns unglaublich gefreut, als wir über das Radio mitbekommen haben, dass im Westen über die Lage bei uns berichtet wird, dass die Leute dort Bescheid wussten. Das war ein Hoffnungsschimmer für uns.

    Wie steht es um Bundeskanzler Scholz? Fliegt er nicht nach Peking, könnten das die Chinesen als Affront werten und das Wirtschaften für die deutschen Unternehmen im Reich der Mitte schwieriger machen. Fliegt er hin, adelt er der das KP-Regime. Die gesamte US-Regierung bleibt den Wettkämpfen fern, genauso wie die japanische oder dänische. Was sollte er tun?

    Alt: Ich hätte mir gewünscht, dass es zu einem offiziellen diplomatischen Boykott seitens der Bundesregierung kommt. Das ist nicht passiert, aber ich weiß, dass niemand aus der

    Zur Person: Renata Alt, 56, stammt aus der Slowakei, nahm 2000 die deutsche Staatsbürgerschaft an und lebt in Nürtingen bei Stuttgart. Die studierte Chemieingenieurin sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag.

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