Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Interview: DRK-Chefin kritisiert Bundeshaushalt als "Schlag ins Gesicht"

Interview

DRK-Chefin kritisiert Bundeshaushalt als "Schlag ins Gesicht"

    • |
    Gerda Hasselfeldt ist die Präsidentin des Roten Kreuzes. Sie ruft die Abgeordneten des Bundestages auf, die vorgesehenen Streichungen abzuwenden.
    Gerda Hasselfeldt ist die Präsidentin des Roten Kreuzes. Sie ruft die Abgeordneten des Bundestages auf, die vorgesehenen Streichungen abzuwenden. Foto: Henning Schacht

    Frau Hasselfeldt, in dieser Woche diskutiert der Bundestag in mehreren Sitzungen über den Haushalt. Wie fällt Ihre Bewertung des Entwurfs der Ampelkoalition aus?

    Gerda Hasselfeldt: Für das Deutsche Rote Kreuz ist es ein sehr schwieriger Haushalt. Es sind tiefgreifende Kürzungen für unsere Arbeit vorgesehen, und das in einer Zeit, in der viele Menschen auf unsere Hilfe angewiesen sind. Das betrifft beispielsweise die Menschen, die als Zuwanderer eine Migrationsberatung brauchen. Es betrifft Menschen, die von Extremwetterereignissen betroffen sind. Und es betrifft die Menschen, die im Alter oder wegen einer Krankheit Pflege brauchen. Diese Kürzungen treffen nicht nur das Rote Kreuz, sondern alle Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände. Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in Not sind und die sich in unserer Gesellschaft für Menschen in Not engagieren.

    Sie sprechen von Kürzungen im Bereich der Migrationshilfe. Was würde dies konkret bedeuten? 

    Hasselfeldt: Die Folgen wären dramatisch. Es geht um drei Bereiche – die Migrationsberatung, die Asylverfahrensberatung und die psychosozialen Zentren. In Letzteren wird Menschen geholfen, die zum Beispiel durch ihre Flucht traumatisiert sind. Dort sollen 60 Prozent der bisherigen Mittel wegfallen. Bei der Asylverfahrensberatung sollen die Gelder um beinahe die Hälfte reduziert werden und bei der Migrationsberatung sind es fast 30 Prozent. Das ist ein Kahlschlag und stellt unsere Arbeit in diesem Bereich infrage. Angesichts von so vielen Migranten, die nach Deutschland kommen, ist das völlig unverständlich. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Geld.

    Meterhoch türmen sich im Sommer 2021 Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über der Ahr in Altenahr. Deutschland habe die Lektion aus der Naturkatastrophe nicht gelernt, sagt Gerda Hasselfeldt.
    Meterhoch türmen sich im Sommer 2021 Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über der Ahr in Altenahr. Deutschland habe die Lektion aus der Naturkatastrophe nicht gelernt, sagt Gerda Hasselfeldt. Foto: Boris Roessler/dpa

    Sieht es in der Katastrophenhilfe ähnlich aus?

    Hasselfeldt: Leider ja. Und dabei sind die Folgen der Flut im und um das Ahrtal noch nicht einmal beseitigt. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, aus dieser Katastrophe zu lernen. An zehn Standorten in Deutschland soll in großen Lagern Material für diese Notfälle vorgehalten werden – sogenannte mobile Betreuungsmodule. Dazu zählen zum Beispiel wetterfeste Zelte, mobile Arztpraxen, geländegängige Fahrzeuge und so weiter. Mit dem Bestand aus einem Modul können 5000 Menschen betreut werden. Der Bund hatte zugesagt, diese Krisenvorsorge zu treffen. Das war Konsens. Doch von den zehn Modulen ist momentan nur eines vollständig finanziert, das wir als Rotes Kreuz betreiben. Ein Modul kostet rund 30 Millionen Euro. Im Haushaltsentwurf 2024 sind aber lediglich neun Millionen dafür vorgesehen. 

    Die Lehren aus der Überflutung des Ahrtals verblassen also?

    Hasselfeldt: Ich befürchte das. Für den Bevölkerungsschutz ist Prävention und proaktives Handeln notwendig und nicht abwartendes Reagieren nach dem Motto, es wird schon nichts passieren. Und wenn was passiert, dann werden wir das schon irgendwie hinkriegen. Die Flut, mit Schwerpunkten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, hat das Gegenteil gezeigt. Das ist eigentlich nicht zu verantworten. Es ist auch für die Ehrenamtlichen bei uns, in den Feuerwehren, beim THW und anderen Hilfsorganisationen extrem frustrierend.

    Gespart werden soll auch bei den freiwilligen sozialen Diensten ... 

    Hasselfeldt: Ja, und zwar um 25 Prozent. Wir diskutieren breit das Für und Wider eines Pflichtdienstes und streichen beim Freiwilligendienst. Das passt überhaupt nicht in die aktuelle Situation. Wichtiger wäre, dass wir wenigstens die bestehenden

    Haben Sie mit Bundesfinanzminister Christian Lindner und Innenministerin Nancy Faeser über die Folgen der Kürzungen gesprochen?

    Hasselfeldt: Wir sind in all diesen Fragen, und zwar alle Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände, in ständigen Gesprächen mit den Abgeordneten und auch mit der Regierung. Diese Gespräche laufen seit Monaten intensiv. Das Verständnis für unser Anliegen ist vorhanden, aber es wird dann immer gesagt, wir müssen halt den Rotstift ansetzen. Wir rufen die Abgeordneten auf, bei den Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen die Kürzungen im Budget abzuwenden. 

    Wie groß ist Ihre Hoffnung, hier und da noch etwas Kleines herausholen zu können?

    Hasselfeldt: Wir brauchen nicht nur kleine Verbesserungen, sondern hohe Summen. Die Not ist wirklich groß und der Bedarf steigt. In diesen Bereichen zu kürzen ist leichtsinnig und nicht verantwortbar. 

    Zur Person: Gerda Hasselfeldt ist seit Ende 2017 Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes. Davor hatte die Niederbayerin in der Politik Karriere gemacht. Die heute 73-Jährige war Bau- und Gesundheitsministerin, Vizepräsidentin des Bundestages und Landesgruppenchefin der CSU. Ihr jüngerer Bruder Alois Rainer ist ebenfalls in die

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden