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Interview: SPÖ-Vorsitzender Babler: „Die Menschen sind angefressen“

Interview

SPÖ-Vorsitzender Babler: „Die Menschen sind angefressen“

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    Der Chef der österreichischen Sozialdemokraten Andreas Babler will bei den Wahlen 2024 neuer Kanzler werden.
    Der Chef der österreichischen Sozialdemokraten Andreas Babler will bei den Wahlen 2024 neuer Kanzler werden. Foto: Daniel Zindanci/SPÖ

    Herr Babler, an Ihrer Person gibt es auch in Deutschland Interesse. Liegt das an Olaf Scholz, der viel Kritik für seinen nüchternen Stil einstecken muss? Sehen Sie sich als neuen Typus Sozialdemokrat?

    Andreas Babler: Was uns verbindet, Herrn Scholz und mich, ist, dass wir beide als Bürgermeister in die Bundespolitik eingestiegen sind. Aber der Vergleich ist für mich schwierig. Ich bin in der Opposition in der Rolle, ein Zukunftsprojekt zu starten. Ich kenne ihn persönlich zu wenig, um das zu beurteilen. Ich kann es nur aus österreichischer Sicht beurteilen. Es kommt an, dass wir hier, egal, wo wir hinkommen, Leute mobilisieren, die früher nicht zu Parteiveranstaltungen gekommen sind, die Teil einer Bewegung sein wollen. Und Bewegung hat etwas mit Identifikation zu tun. Auch damit, wie man es sprachlich anlegt, wie man tickt. Das ist es, glaube ich, dass die Leute bei uns motiviert. 

    Sie wurden von der SPD in Deutschland eingeladen. Was fragt man Sie dort?

    Babler: Da geht es um Themen, wie den Kampf gegen den Klimawandel als sozialen Verteilungskampf. Das zusammenzubringen, zu verknüpfen für ein neues Gesellschaftsbild. Um die Prioritätensetzung bei diesem Thema. Das spüre ich in der Diskussion mit den Deutschen. Das ist manchen neu, das klar so zu hören. 

    Sie wollen Ihrer Partei ein neues außenpolitisches Konzept geben. Wie wird sich die SPÖ beim Thema der österreichischen Neutralität positionieren?

    Babler: Es geht uns um die Einbettung von Österreichs Neutralität in eine zukunftsträchtige Kooperation und einer künftigen Strategie der internationalen Mitwirkung. Natürlich vor allem auch um die Frage, wie die US-Wahlen ausgehen, und was das für die europäische Sicherheitsarchitektur bedeutet. Das wird in Österreich so nur von uns diskutiert. Unser Horizont reicht aber weit über Europa hinaus. Wir legen den Fokus auch auf afrikanische Länder: Es geht um die Wirtschaft dort, um Flucht und Migration, aber auch um Sicherheit. Unsere Position zu Nahost ist klar: bedingungslose Solidarität mit Israel und ein klares Bekenntnis zum Selbstverteidigungsrecht. Darüber hinaus geht es uns um eine längerfristige Perspektive. Es geht um die Zwei-Staaten-Lösung, die wir weiterentwickeln wollen und wir wollen eine demokratische Vertretung Israels wie auch Palästinas. Das unterscheidet uns von anderen Parteien in Österreich. Wir wollen, dass unser Land wieder Verantwortung übernimmt. Und so ähnlich ist es auch mit Russland und der Ukraine. Es ist eine Sache, Russlands Aggression zu verurteilen, da sind sich in Österreich mit Ausnahme der FPÖ alle Parteien einig. Aber es geht auch darum, die wirtschaftlichen Beziehungen zu

    Alles redet über die Zukunft der Nato. Wie sehen Sie die Rolle des neutralen Österreichs in Europa?

    Babler: Wir haben die Chance, politisch und diplomatisch zu verhandeln. Das haben andere Staaten, die in einem Militärbündnis sind, nicht. Wir haben uns mit anderen Parteien auf einen Milliardenplan für Investitionen in Verteidigung geeinigt. „Sky Shield“ ist eine lange Diskussion, die wir mit großer Sorgfalt führen. Hier warten wir noch immer auf die versprochenen Gutachten. Ist das mit der Neutralität vereinbar? Prinzipiell steht die Sozialdemokratie auch für militärische Beschaffung. Ich war selbst Berufssoldat und habe erlebt, wie wenig das Bundesheer einsatzbereit ist. 

    SPD-Kanzler Scholz sagte jüngst, man müsse „endlich in großem Stil abschieben“. Sie nehmen das Wort illegale Migration nicht in den Mund. Warum?

    Babler: Wir haben eine klare Positionierung dazu: Bei uns geht es nicht um „Festungen“ oder um Stacheldrähte. Wenn jemand einen anerkannten Fluchtgrund hat, dann ist Schutz zu gewähren. Es geht auch nicht um die Frage, auf welcher Seite der Grenze ein Asylzentrum steht – es geht um die Frage, wer bekommt

    Sie wurden aus der eigenen Partei aufgefordert, etwas weiter in die Mitte zu rücken, wenn Sie die FPÖ in der Regierung verhindern wollen. Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte zur ÖVP?

    Babler: Die „Österreich-Plan“ Rede von ÖVP-Kanzler Nehammer war vor allem eines: ein Signal in Richtung FPÖ. Das wurde nicht nur beim Migrationsthema deutlich, und auch in Kulturkampfdebatten, die hier hochgefahren werden – Stichwort Gendern. Unsere Arme sind ausgestreckt für alle, die einen demokratischen Grundkonsens außerhalb von Kulturkampf und Ausländerfeindlichkeit pflegen. Es gibt noch christlich-soziale Kräfte in der ÖVP, aber das liegt an denen, sich durchzusetzen. Aber es gibt Anknüpfungspunkte: Viele Konservative haben Interesse daran, dass Asylwerber arbeiten dürfen. Viele Wirtschaftstreibende setzen sich für Geflüchtete ein. Es gibt auch Leute, die keineswegs mit der FPÖ koalieren wollen. 

    Sie fordern Vermögenssteuern. Wäre das eine Koalitionsbedingung?

    Babler: Österreich gehört zu den Ländern mit den niedrigsten Steuern auf Vermögen und den höchsten auf Arbeit. Das sagt die OECD, nicht ich. Es geht darum, die Grundbedingung von 98 Prozent der Bevölkerung zu verbessern. Die zwei Prozent der Reichsten müssen einen kleinen Beitrag leisten. Denn betrachten wir es einmal von der anderen Seite: Wie schlimm wäre die Gegenposition, zu sagen, nein, wir wollen, dass diese Ungerechtigkeit bleibt? 

    Wenn Sie nach Deutschland sehen: Welche Lehren ziehen Sie aus der Ampel? Ist eine Dreierkoalition für Sie noch gangbar?

    Babler: Vielleicht ist es noch nicht ganz durchgedrungen. Wir sind der einzige Garant dafür, dass es keine Koalition mit der FPÖ geben wird, und zwar in ihrer Gesamtheit. Und darüber hinaus werde ich mich zurückhalten. Die Menschen sind angefressen, dass man schon jetzt laut über Koalitionsvarianten nachdenkt. Sie haben keine Lust, dass Politiker sich ein halbes Jahr vor der Wahl ausmachen, wer in welchem Kabinett sitzt und welche Jobs bekommt. Ich bin dafür angetreten, dass die Leute wissen, was sie bekommen, wenn sie SPÖ wählen. Ich will der Partei ein klares Profil geben. Und dann gilt es, zu verhandeln, mit wem wir unser sozialdemokratisches Programm am besten umsetzen können. Wir werden die FPÖ mit aller Kraft verhindern, und dann reden wir.

    Zur Person Andreas Babler ist Bürgermeister der 17.000-Einwohner-Gemeinde Traiskirchen bei Wien. Der 51-jährige Parteilinke setzte sich im Juni nach einem Machtkampf als SPÖ-Vorsitzender durch. In Umfragen liegt die SPÖ auf Platz zwei hinter der FPÖ.

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