Der Ruf nach einem Marshallplan zum Wiederaufbau der Ukraine wird immer lauter, am Dienstag gibt es dazu eine große Konferenz in Berlin. Der Krieg tobt leider noch – ist es nicht viel zu früh, jetzt schon vom Wiederaufbau zu reden?
Thomas Silberhorn: Russland hat in den letzten zwei Wochen etwa 40 Prozent der Energieinfrastruktur in der Ukraine zerstört. Putins Ziel ist offenbar, die Ukraine unbewohnbar zu machen und die Bevölkerung in die Flucht zu treiben. Er will damit auch die Folgen dieses Krieges nach Deutschland und Westeuropa tragen. Insofern müssen wir sehr klar sehen: Wir sind von diesem Krieg betroffen. Putin zielt darauf, unsere Wirtschaft zu belasten und unsere Gesellschaft zu spalten, um die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Deswegen ist es richtig und notwendig, dass wir jetzt ein Signal senden, damit das Überleben in der Ukraine gesichert werden kann.
Die finanziellen Belastungen in der EU unter anderem durch die Energiekrise sind sehr groß. Kann Europa das überhaupt gerade stemmen?
Silberhorn: Der Wiederaufbau der Ukraine ist ganz sicherlich eine Generationenaufgabe. Niemand weiß das besser als wir. Wir haben heute noch ein Sondervermögen des Marshallplans von 1947, das fast eine Milliarde Euro umfasst und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau verwaltet wird. Insofern wissen wir, dass der Wiederaufbau eines ganzen Landes jahrzehntelange Anstrengungen erfordert. Dazu braucht die Ukraine die Unterstützung Deutschlands und Westeuropas.
Die Ukraine hatte vor dem Einmarsch der Russen mit Korruption zu kämpfen. Wie lässt sich sicherstellen, dass das Geld in die richtigen Kanäle fließt?
Silberhorn: Es gibt natürlich auch eine ukrainische Verantwortung für den Wiederaufbau der eigenen Wirtschaft. Mit unseren Hilfen dürfen wir nicht die Schattenwirtschaft der Oligarchen füttern. Diese Menschen sind reich geworden, weil sie sich ehemalige Staatsunternehmen förmlich unter den Nagel gerissen und sich schamlos bereichert haben. Diese von Korruption durchzogene Wirtschaftsordnung muss marktwirtschaftlich und rechtsstaatlich ausgerichtet werden.
Ist es naiv, im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau auch den Blick auf Russland zu richten?
Silberhorn: Nein, ist es nicht, sondern absolut notwendig. Russland ist kein verlässlicher Partner, aber natürlich verantwortlich für die Schäden, die in der Ukraine entstehen. Insofern muss vorrangig Schadenersatz von Moskau eingefordert werden. Zu diesem Zweck müssen wir in der EU einen Mechanismus finden, wie russisches Vermögen, das bei uns liegt, beschlagnahmt werden kann.
Wie blicken Sie in diesem Zusammenhang auf die USA? Teile der Republikaner stellen die militärische Unterstützung für die Ukraine in Frage.
Silberhorn: Die USA leisten dem Wahlkampf zu den Midterm Elections zuordnen. Was daraus dann Politik wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Aber wir müssen schon auch realisieren, dass sich in der amerikanischen Gesellschaft zunehmend die Überzeugung breitmacht, dass die Europäer für ihre eigene Sicherheit selbst mehr tun müssen.
als alle EU-Staaten zusammen. Die kritischen Äußerungen, die im Moment zu vernehmen sind, würde ich eherSie sind durch Ihre Arbeit als Verteidigungsstaatssekretär geschult in der militärischen Analyse. Wie blicken Sie gerade auf den Krieg in der Ukraine?
Silberhorn: Der Krieg wird umso schneller beendet werden können, je besser wir die Ukraine militärisch unterstützen. Deswegen darf diese Wiederaufbaukonferenz kein diplomatisches Ausweichmanöver sein. Es bleibt unabdingbar, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu unterstützen. Und je schneller es der Ukraine gelingt, Russland aus dem eigenen Land hinauszudrängen, desto weniger wird zerstört und desto weniger muss wieder aufgebaut werden.
Zur Person: Thomas Silberhorn wurde in Kemmern (Landkreis Bamberg) geboren, gehört der CSU an und ist seit 20 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages. In der letzten Legislaturperiode arbeitete der gelernte Jurist und Rechtsanwalt als parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Silberhorn ist Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für transatlantische Beziehungen. Er ist Jahrgang 1968, verheiratet, und Vater von zwei Söhnen.