Herr Dürr, Neuwahlen lieber schnell oder eher etwas später?
CHRISTIAN DÜRR: Wir brauchen Stabilität in Deutschland, eine stabile Regierung. Es wäre deshalb gut gewesen, wenn man sich auf das hätte einigen können, was für unser Land jetzt notwendig ist. Als klar war, dass das nicht geht, haben wir dem Bundeskanzler vorgeschlagen, dass die gesamte Regierung zurücktritt, um sehr schnell zu Neuwahlen zu kommen. Das hat der Bundeskanzler bekanntermaßen abgelehnt und deswegen den Bruch bewusst in Kauf genommen.
Kann Ihre Partei so schnell Neuwahlen organisieren?
DÜRR: Zu einem Wahlkampf gehört vor allem, dass man inhaltlich klar positioniert ist. Das sind wir, die FDP ist auf schnelle Neuwahlen eingestellt. Christian Lindner hat sein Konzept für eine Wirtschaftswende vorgestellt. Es geht hier um Millionen von Familien, um Millionen von Jobs und den Wohlstand in unserem Land. Deswegen hätten wir diese Reform gerne in der Koalition umgesetzt. Das hätte eine Kraftanstrengung für alle Koalitionspartner bedeutet. Wir haben klar gesagt, dass wir diese Kraft aufbringen wollen. Aber es war am Ende mit den Partnern nicht möglich.
Nun sagen alle drei Partner, eigentlich habe es Möglichkeiten gegeben, sich zu einigen. Das sagen sowohl Scholz als auch Lindner als auch Habeck. Woran hat es denn am Ende gehakt? Waren das die zwischenmenschlichen Beziehungen, die nicht mehr belastbar waren? Waren es die roten Linien, die jede Partei hat? Woran lag es?
DÜRR: Es war die Tatsache, dass der Bundeskanzler die Fortsetzung der Koalition daran geknüpft hat, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes ausgesetzt wird. Unsere Sorge war, dass das gegen die Verfassung verstößt. Olaf Scholz hat außerdem Reformen vorgeschlagen, die so kleinteilig waren, dass wir sie nicht mittragen konnten, weil sie unsere Wirtschaft nicht vorangebracht hätten. Neue Schulden und keine Reformen – das wäre nicht nur keine Option für die FDP gewesen. Es wäre auch keine Option für Deutschland gewesen.
Die SPD argumentiert, es sei ihr um eine Notfallsituation und einen „Überschreitensbeschluss“ gegangen, den die Schuldenbremse ausdrücklich erlaube.
DÜRR: Man sollte die Dinge ehrlich beim Namen nennen. Auch das sind Schulden. Wir brauchen aber Reformen, damit in Deutschland wieder investiert wird, damit Jobs gesichert werden, damit Wachstum entsteht. Schulden helfen nicht.
Das Geld sollte für die Ukraine verwendet werden. Die steht unter heftigem Beschuss und vor einem harten Winter. Wie können Sie verantworten, da nicht zugestimmt zu haben?
DÜRR: Es ist am Mittwochabend beim Koalitionsausschuss seitens der SPD gesagt worden, dass man zusätzliche neue Schulden in Höhe von über 15 Milliarden Euro machen will. Dabei ging es allerdings lediglich um drei Milliarden für die Ukraine. Die hätten wir im Haushalt darstellen können. Die 12 Milliarden Euro zusätzlich wollte die SPD zum Ausgeben haben. Das hätte unser Land nicht vorangebracht. Übrigens: Was der Ukraine jetzt konkret hilft, insbesondere an der Frontlinie, sind weitreichende Waffensysteme wie der Taurus. Dazu war der Bundeskanzler aber nicht bereit.
Was glauben Sie, wie es mit Christian Lindner weitergeht? Könnte es sein, dass er in den Augen der Bevölkerung vielleicht ein bisschen als verbrannt gilt?
DÜRR: Im Gegenteil. Christian Lindner hat Mut und Zuverlässigkeit bewiesen. Er hat die Forderung des Bundeskanzlers, die Schuldenbremse ultimativ auszusetzen, nicht angenommen. Auch auf die Gefahr hin, dass er danach entlassen wird. Ich denke, die Wählerinnen und Wähler werden das honorieren.
Wie ist es bei Ihrer Partei angekommen, dass der Kanzler öffentlich so hart mit Christian Lindner abgerechnet hat?
DÜRR: Am Ende muss Olaf Scholz seine Worte vor sich selbst rechtfertigen. Es ist absolut legitim, dass Parteien unterschiedliche Auffassungen haben, auch in einer Koalition. Dieses Abdriften ins Persönliche sollte man allerdings nicht machen, weil es die Menschen ratlos zurücklässt. Immerhin war man drei Jahre zusammen in einer Koalition.
Sie haben drei Jahre lang hart gearbeitet und jetzt ist plötzlich Schluss. Zumindest vorläufig. Wie geht es Ihnen persönlich damit?
DÜRR: Der Tatendrang ist weiterhin da. Gleichzeitig hätte ich gerne das, was an Reformpolitik notwendig ist, in einer Koalition umgesetzt. Dieser Punkt ist aber auch das Beruhigende an der gesamten Entwicklung. Für die Richtungsentscheidungen, die wir als FDP treffen wollten, hatten die Koalitionspartner insgesamt nicht die Kraft. Jetzt kann diese Richtungsentscheidung von den Menschen in Deutschland getroffen werden, und zwar bei der kommenden Bundestagswahl.
Herr Scholz will noch einige Dinge durch den Bundestag bringen. Haben Sie schon eine Vorstellung, wo Sie vielleicht noch mal mit Grün und Rot stimmen könnten?
DÜRR: Überall da, wo wir Gutes fürs Land und für die Menschen bewirken können, sind wir gesprächsbereit und wollen handeln. Unsere Leitlinie war immer schon, dass wir nicht gegen etwas arbeiten, sondern uns für Projekte einsetzen. Darüber wird man jetzt reden müssen. Dafür muss der Kanzler so schnell wie möglich die Vertrauensfrage stellen.
Nächste Woche beginnt das Bundesverfassungsgericht mit den Verhandlungen über eine Klage von sechs FDP-Abgeordneten gegen den Solidarbeitrag. Was sind Ihre Erwartungen?
DÜRR: Die Haltung der Freien Demokraten zum Soli ist klar. Diese Abgabe ist mittlerweile eine reine Wirtschaftssteuer geworden. Sie belastet direkt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, aber auch die Kapitalgesellschaften. Wenn man die Wirtschaft in Schwung bringen will, dann hätte man hier die direkte Möglichkeit, mit einer Abschaffung einerseits Unternehmen zu entlasten, für wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen, und andererseits sicher zu sein, dass das Steuersystem in Deutschland verfassungskonform ist. Es ist kein Geheimnis, dass SPD und Grüne das in der Vergangenheit nicht wollten. Jetzt wird man schauen, wer schneller ist: Die Politik oder das Bundesverfassungsgericht.
Zur Person: Christian Dürr wuchs im niedersächsischen Ganderkesee auf. Nach dem Abitur absolvierte er seinen Zivildienst und studierte danach Wirtschaftswissenschaften. Der Diplom-Ökonom ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter und seit 2021 Fraktionschef. Dürr ist verheiratet 2012 und Vater von zwei Kindern.
Die AZ schon wieder als Pressestelle der FDP. Wird Ihnen das nicht langsam selbst peinlich?
Die Aktion "Rettet die FDP" läuft auf vollen Touren. Deutschland braucht eine schwarz-gelbe Koalition. :)))
Für mich persönlich wäre nach der BTW in Frühjahr eine Koaltion aus CD/CSU, SPD und ggfs. FDP tausend Mal lieber als eine erneute Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung, die sich dann wieder in Verbindung mit ihrer Klientel lautstark in der Vordergrund spielt.
Also wenn man sich die letzten Jahre anschaut hat sich die künftig wahrscheinlich nicht mehr im BT vertretene FDP permanent in den Vordergrund gestellt: Gesetzen denen sie zugestimmt hat zur Disposition gestellt, notwendige Investitionen verschleppt und verhindert, hier und da mal noch der Industrie mit absurden Vorschlägen ein Bein gestellt.
Wenn sich jemand permanent in den Vordergrund gedrängt hat, dann ist es die FDP sprich Lindner. Ich hoffe sehr, dass diese Partei, die nun drei Jahre lang permanent auf der Bremse stand, außer wenn es um ihre Klientel ging, in der nächsten Legislatur nur Randnotizist. Die Grünen haben die Notwendigkeiten dieser Zeit sehr genau erkannt und warnen schon lange vor dem, was nun bereits spürbar wird. Dass es teilweise unbequem ist, sich auf den Klimawandel einzustellen, wird nicht davor bewahren, Schaden zu erleiden. Wer glaubt, dass der sich in den Vordergrund drängt, der erkannt hat, was wichtig wäre, der ist auf dem Holzweg und merkt es halt ein wenig später oder zu spät. Dass sich die FDP nun produziert wie das Eichhörnchen vor dem Winter – in der AZ hat sie leider ein williges Sprachrohr gefunden. Der einzige, dem ich großen Respekt zolle, ist Habeck. Er bleibt auch jetzt sachlich, obwohl er wirklich Grund hätte nachzutreten, schon allein wegen der permanenten Unflätigkeiten Söders.
Ich schließe mich voll und ganz der Frau Maria Reichenauer an. Auch ich finde Popolismus hilft beim Klimawandel nicht weiter und wer immer in der Regierung Oppositionspartei war Herr Dürr, finde ich das war die FDP unter Finanzminister Linder und ich hoffe er wird es nicht noch mal!! Wollen wir wirklich das uns der Klimawandel auf die Füße fällt??? Siehe Spanien, Österreich, Italien und Deutschland bekam es auch schon zu spüren und wir sind noch Glimpflich davon gekommen, fragt sich in der tat wie lange noch. Vorkehrungen treffen, längst überfällig!!!!
Karl Brenner Schöner Kommentar - schließe mich an. Herr Habeck hat meines Erachtens etwas, was Herren wie Lindner, Dobrinth oder Söder fehlt - Anstand.
Frau Reichenauer, Ihren Ausführungen stimme ich vollständig zu. Sehr guter Kommentar.
Die Grünen sind die einzige Partei, bei der man den ehrlichen Eindruck hat, dass es ihnen ein Anliegen ist, die Welt zu retten und ihre eigenen Belange dafür hinten anstellen. Das mag man für ideologisch halten und wenn es den eigenen Bedürfnissen widerspricht verdammen, das ändert aber nichts an den Notwendigkeiten unserer Zeiten. Und ja, Annalena Baerbock und Robert Habeck haben das, was man in unserer Gesellschaft zunehmend weniger antrifft: Anstand!
Das nennen Sie Anstand. Frau Barbock mit ihrem geschönten Lebenslauf; normalerweise scheidet man als Bewerber sofort aus, wenn man sich um ein Amt beim Staat bewirbt, wenn festgestellt, dass Teile der Bewerbung offensichtlich nicht der Wahrheit entsprechen. Im Übrigen gilt laut Verfassung, dass Minister dem Wohl des Landes verpflichtet sind und nicht irgendwelchen übergeordneten "Idealen" oder gar die Interessen anderer Länder Vorrang haben als vor denen des eigenen Landes (Beispiele: Ukraine oder Hilfsgelder für ominöse Auslandsprojekte in Südamerika oder Fernost).
Ihrem Kommentar finde ich Gut Frau Maja Steiner und ich denke auch so wie Sie.
Karl Brenner Herr Hoeflein, ich finde es gut, wie Herr Faßnacht aufzeigt, dass "ominöse Auslandsprojekte" durchaus dem "eigenen Land" "dienen" können. Dasselbe gilt für den Kampf gegen die Erderwärmung. Die Sicherung unseres Wohlstandes hängt eben nicht nur vom Betriebsergebnis unserer Autokonzerne ab, sondern auch davon, ob das eintritt, was die Wissenschaft vorhersagt - massive Kosten weltweit aufgrund von Naturkatastrophen und den Verlust von Lebensräumen, was im übrigen auch beschleunigt Wanderungsbewegungen und weitere kriegerische Konflikte auslösen kann. Wenn eine deutsche Regierung, bestehend aus welchen Parteien auch immer, dem eigenen Land "den Vorrang" geben will, muss sie ihren wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten und nicht die dumpfe Parole eines Trumpschen "Germany first" rufen.
>> (Beispiele: Ukraine oder Hilfsgelder für ominöse Auslandsprojekte in Südamerika oder Fernost). << Von welchen ominösen Auslandsprojekten in Südamerika oder Fernost schreiben Sie?
Die 'ominösen Auslandsprojekte' (Grüne Kühlschränke in Kolumbien! ÖPNV in Lateinamerika! Fahrradwege in Peru!) sind jedoch alle nicht von den Grünen bewilligt worden - sondern bereits 2021 von der CSU, genauer: Entwicklungminister Gerd Müller. Die Ampel hat das dann weitergeführt - und das ist auch gut so denn: Die Summen die genannt wurden (von der AFD und Hubsi Aiwanger, der Gottgestalt der FW) sind weitab jeder Realität, ein Großteil des Geldes sind Kredite und Deutschland profitiert als Exportland indirekt und deutsche Firmen auch ganz direkt von den Projekten. So gelang z. B. Siemens durch ein Entwicklungshilfeprojekt der Markteinstieg in Peru, nun sind sie und andere deutsche Firmen am Ausbau der U-Bahnlinien beteilig (Umfang: mehrere Milliarden €). PS: Baerbocks Lebenslauf war nicht "geschöhnt", er wurde nur nach ihrer Kanzlerkanidatur präzisiert :d.h. aus "Mitgliedschaften" wurde "Beiräte, (Förder-)Mitgliedschaften, regelmäßige Unterstützung" und es fehlte(!) ein Abschluss
Danke für die Klärungen Herr Faßnacht, leider werden solche schlichten Behauptungen, trotz mehrfacher Widerlegungen immer wieder aufgestellt. Blöd nur, dass es immer noch viele gibt die es ungeprüft glauben.
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