Mit Unterstützung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Bundesregierung einen Anlauf zum Anwerben von Fachkräften aus Vietnam unternommen. Zum Auftakt von Steinmeiers Staatsbesuch in dem südostasiatischen Land unterzeichneten die Arbeitsminister beider Staaten eine entsprechende Vereinbarung. "Wir in Deutschland haben großen Bedarf an Facharbeitskräften. Und wir freuen uns, dass Vietnam zu dieser Kooperation mit Deutschland bereit ist", sagte Steinmeier nach einem Gespräch mit Staatspräsident Vo Van Thuong am Dienstag in der Hauptstadt Hanoi.
"Ich glaube, das ist der Beginn einer wirklich fruchtbaren Zusammenarbeit", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Es gehe darum, "bürokratische Hürden zu beseitigen und auch dafür zu sorgen, dass die Menschen, die zu uns nach Deutschland kommen, fair behandelt werden". Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei der rechtliche Rahmen bereits geschaffen. "Jetzt geht's um die Praxis." Dazu solle in Vietnam auch gezielter über die Rechtslage und die Möglichkeiten in Deutschland informiert werden.
Steinmeier war am Vormittag in Hanoi eingetroffen. Er wird von seiner Frau Elke Büdenbender begleitet. Auch eine Wirtschaftsdelegation kam mit nach Asien.
Ein Land mit 98 Millionen Einwohnern
Vietnam ist flächenmäßig fast so groß wie Deutschland, zählt mit gut 98 Millionen Einwohnern aber 15 Millionen mehr Menschen. Das Land ist einer der letzten kommunistischen Staaten weltweit, hat sich aber schon vor langer Zeit wirtschaftlich geöffnet. In der Hauptstadt Hanoi gibt es zahlreiche Läden mit renommierten Luxusmarken. Laut Statistischem Bundesamt lebten 2022 rund 207.000 Menschen mit einem vietnamesischen Migrationshintergrund in Deutschland.
Steinmeier machte das deutsche Interesse an mehr wirtschaftlicher Zusammenarbeit deutlich. Das bilaterale Handelsvolumen liege derzeit bei rund 18 Milliarden Euro. Für Vietnam sei Deutschland der wichtigste Handelspartner in Europa und der viertwichtigste Investor. "Das schöpft bei weitem nicht das Potenzial in den wirtschaftlichen Beziehungen unserer beiden Staaten aus." Thuong bat Steinmeier um Unterstützung für die Ratifizierung des Investitionsschutzabkommens zwischen seinem Land und der EU durch den Bundestag.
Es ist bereits die fünfte Reise nach Asien, die der Bundespräsident seit dem Beginn des Ukraine-Krieges vor fast genau zwei Jahren unternimmt. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine positioniert sich Deutschland politisch und wirtschaftlich neu. Auch die Beziehungen zu China mitsamt ihren wirtschaftlichen Abhängigkeiten werden heute viel kritischer als noch vor wenigen Jahren bewertet. Mehr Distanz zu China und mehr Kooperation mit dessen Nachbarn - also etwa Vietnam - könnte die Kurzformel lauten.
Deutschland und Vietnam sind seit 2011 in einer "strategischen Partnerschaft" miteinander verbunden, die allerdings etwas eingeschlafen war. Im November 2022 war Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Hanoi, um sie wiederzubeleben. Dasselbe Ziel verfolgt Steinmeier.
Kein ganz einfacher Partner
Allerdings ist Vietnam für Deutschland kein ganz einfacher Partner. Das Land ist ein Einparteiensystem. Die Kommunistische Partei beansprucht die Führung von Staat und Gesellschaft für sich. Andere Parteien sind nicht zugelassen. Menschenrechtsorganisationen sehen die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Das Recht auf Vereinigungsfreiheit werde untergraben, es komme zu willkürlichen Verhaftungen sowie zu Folter und Misshandlung von Inhaftierten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" ist Vietnam auf Platz 178 von 180 gelistet.
Steinmeier und Heil informierten sich zum Beginn ihres Besuches am Goethe-Institut über die Sprachausbildung junger Vietnamesinnen und Vietnamesen, die bereits eine Fachausbildung absolviert haben und bald nach Deutschland kommen wollen. So wie der 23-jährige Metalltechniker Nhut Khanh, der bereits einen Arbeitsvertrag bei einem deutschen Unternehmen hat. "Ich freue mich sehr auf Deutschland", sagte er den Gästen. "Wir freuen uns wirklich sehr, dass Sie sich für unser Land entschieden haben", erwiderte Heil.
(Von Ulrich Steinkohl, dpa)