Rassismus und aufgeheizte öffentliche Debatten über Migration behindern aus Sicht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), das Ankommen von Zugewanderten in Deutschland und die Gewinnung ausländischer Arbeitskräfte. Einen Tag nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad über Rückführungen nach Syrien zu diskutieren, sei «absolut unangebracht», sagte die Staatsministerin bei der Vorstellung eines Integrationsberichts, den das Kabinett beschlossen hat. «Das schmerzt sehr viele syrische Mitbürger.» Dem Bericht zufolge berichtet jeder fünfte Eingewanderte und jeder Vierte unter ihren Nachkommen über persönliche Rassismuserfahrungen.
Die Co-Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, kritisiert: «Statt einer Willkommenskultur, die wir angesichts des Fachkräftemangels unbedingt bräuchten, wird hier das Gegenteil etabliert.» In Deutschland herrsche «eine Art Antiwillkommenskultur, mit der wir uns komplett aus dem Spiel nehmen im Wettbewerb um Fachkräfte aus aller Welt».
In Deutschland leben laut Alabali-Radovan 222.610 erwerbstätige Syrer. Hinzu kommen den Angaben zufolge rund 65.000 syrische Minijobber. Viele Syrerinnen und Syrer arbeiteten in systemrelevanten Berufen, unter ihnen 5.000 Mediziner. Die Integrationsbeauftragte räumt ein: «Wir haben noch eine Herausforderung bei der Integration in den Arbeitsmarkt bei Frauen, das gilt auch für Frauen aus Syrien.» Ein Grund dafür seien Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung. Auch gebe es nicht genügend Integrationskurse mit Kinderbetreuung. Von beiden Problemen seien auch Ukrainerinnen stark betroffen - «und da müssen wir ran».
Mehr Menschen mit nicht dauerhafter Aufenthaltserlaubnis
Die Zahl der Menschen mit befristeten Aufenthaltstiteln hat im Jahr 2023 einen Rekordwert erreicht. Waren es Mitte 2016 noch rund zwei Millionen Ausländer, die sich mit einer zeitlich begrenzten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhielten, so galt dies im vergangenen Jahr laut einem aktuellen Lagebericht der Integrationsbeauftragten für vier Millionen Menschen. Der starke Anstieg hat auch mit dem Zuzug von Flüchtlingen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu tun.
Etwas mehr als die Hälfte der Menschen mit befristen Aufenthaltstiteln (55 Prozent) hatten diese im vergangenen Jahr dem Integrationsbericht zufolge aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, 23,9 Prozent aus familiären Gründen. Etwa jeder Zehnte (10,4 Prozent) verfügte über einen befristeten Aufenthaltstitel zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Aufgrund einer Ausbildung wurde ein solcher Aufenthaltstitel in 6,3 Prozent der Fälle gewährt.
Einbürgerungen auf Rekordniveau
Eine unbefristete Erlaubnis zum Aufenthalt in Deutschland besaßen demnach im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Menschen. Die Zahl der Menschen, die durch Einbürgerung Deutsche wurden, war 2023 mit rund 194.000 Einbürgerungen so hoch wie noch nie.
Dass dieser Trend in diesem Jahr noch zugenommen hat, liegt daran, dass viele Syrer und andere Ausländer, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen waren, inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen. Ein weiterer Faktor ist das seit Juni geltende neue Staatsangehörigkeitsgesetz. Es sieht verkürzte Wartezeiten vor und erlaubt grundsätzlich die Mehrstaatigkeit.
Weniger Geduldete
Die Zahl der Geduldeten sank von 2022 auf 2023 von rund 248.000 auf etwa 194.000. Seit dem 31. Dezember 2022 gibt es das sogenannte Chancenaufenthaltsrecht. Es betrifft Menschen, die sich zum Stichtag 31. Oktober 2022 mindestens fünf Jahre geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten haben. Sie können gemeinsam mit ihren Angehörigen für 18 Monate eine Art Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten.
Geduldete sind Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können - etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben oder krank sind. Die Duldung ist immer befristet.
Die Integration gelinge inzwischen in allen Lebensbereichen besser, sagte Alabali-Radovan. Viele Strukturen, Institutionen und Behörden seien aber noch nicht «auf die vielfältige Gesellschaft» ausgerichtet, vor allem im Bildungsbereich. Hier «stecken wir noch fest im letzten Jahrhundert».
Noch vor der für den 23. Februar erwarteten Neuwahl soll laut Alabali-Radovan eine Diversitätsstrategie im Kabinett beschlossen werden. Diese solle zu einer Erhöhung des Anteils von Beschäftigten mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst - insbesondere in den Bundesministerien - beitragen. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Eingewanderten im öffentlichen Dienst bei 11,7 Prozent.
Erstellt wurde der Integrationsbericht mit dem Titel «Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft» vom Deutschen Zentrum für Integration und Migrationsforschung.
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