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Inflationsprämie: Steuer-Gewerkschaft und Linke warnen vor Missbrauch bei 3000-Euro-Prämie

Inflationsprämie

Steuer-Gewerkschaft und Linke warnen vor Missbrauch bei 3000-Euro-Prämie

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    Bis Ende 2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis zu 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie steuerfrei auszahlen.
    Bis Ende 2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis zu 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie steuerfrei auszahlen. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Seit Donnerstag kann die sogenannte "Inflationsausgleichsprämie" ausbezahlt werden: Arbeitgeber können ihren Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung gegen die Preisexplosion bei Energie- und Lebenshaltungskosten überweisen. Doch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft und die Linke warnen vor einem Steuerschlupfloch und hohen Einahmeausfällen bei der Prämie.

    „Wer bei unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt ist, kann von jedem Arbeitgeber die volle 3000-Euro-Prämie abgabenfrei erhalten, dies lädt zum Missbrauch durch Pro-forma-Dienstverhältnisse ein“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Florian Köbler, unserer Redaktion. „Das ist eine eklatante Gesetzeslücke“, betonte Köbler. „Das wäre das erste Steuerschlupfloch, das wir kennen, das nicht ausgenutzt würde.“

    Steuergewerkschaft spricht von Cum-Ex-Skandal im Kleinen

    Der Experte erwartet durch die seit Donnerstag auszahlbare Prämie beträchtliche Einnahmeausfälle für den Staat und die Sozialversicherungen. „Immerhin geht der Staat von Steuermindereinahmen in Milliardenhöhe aus“, sagte Köbler. „Es besteht die Gefahr, dass die Inflationsausgleichsprämie zum Cum-Ex im Kleinen werden könnte“, fügte er hinzu.

    Auch die stellvertretende Linke-Fraktionschefin Susanne Ferschl warnte vor Betrug und kritisierte die Ausgestaltung der Prämie. „Ist eine Maßnahme mit heißer Nadel gestrickt, ist sie missbrauchsanfällig“, sagte Ferschl unserer Redaktion. „Investiert man als Gesetzgeber nicht in Kontrollen, ist es eine indirekte Einladung zum Betrug“, warnte sie. Dies habe man schon in zahllosen Fällen bei der Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns gesehen.

    Linken-Expertin Susanne Ferschl kritisiert Inflationsprämie als Fehlkonstruktion

    Ferschl kritisierte die Inflationsprämie als Fehlkonstruktion. „Aus aktuellen Tarifverhandlungen wissen wir, dass Arbeitgeber die Einmalzahlungen als Vorwand nutzen, um sich vor monatlichen Lohnerhöhungen zu drücken“, sagte die Linken-Arbeitspolitik-Expertin. „Beschäftigte aber brauchen keine einmaligen Notgroschen, sondern höhere Löhne, um die dauerhaft gestiegenen Lebenshaltungskosten kompensieren zu können.“ Zudem ist die Zahlung freiwillig. „So ist zu befürchten, dass vor allem die Beschäftigten in den systemrelevanten Bereichen wieder leer ausgehen“, warnte Ferschl. „Für höhere Löhne braucht es keine runden Tische im Kanzleramt oder Applaus, sondern Tarifverträge.“

    Inflationsprämie: Gesetzeslücke lädt zum Tricksen ein

    Steuer-Gewerkschaftschef Köbler kritisierte, dass die Prämie sowohl zu fragwürdigen Konstruktionen zur Steuergestaltung als auch zum Betrug einlade. „Unsere Sorge ist, dass diese Gesetzeslücke Kriminelle zur Geldwäsche durch Scheinarbeitsverhältnisse anlockt“, warnte der Finanzverwaltungsexperte. Zudem erwartet er rechtlich umstrittene Konstruktionen, mit denen Firmen versuchen könnten, ihre Steuer- und Abgabenlast zu drücken. „Im Prinzip könnte zum Beispiel eine Firma aus zwölf Mitarbeitern zwölf Gesellschaften gründen und jeder den anderen pro forma anstellen und eine abgabenfreie Prämie brutto für netto auszahlen“, sagte Köbler.

    „In der Praxis sind sehr viele Firmen in Untergesellschaften organisiert, zum Beispiel indem jede einzelne Filiale rechtlich als eigenes Unternehmen zählt“, berichtet der Experte. „Durch die Gesetzlücke besteht die Gefahr, dass jede Untergesellschaft ein und dergleichen Person eine abgabenfreie Prämie auszahlen könnte.“ Dies könnte schnell Nachahmer finden. „Wir haben dies im großen Maßstab beim Cum-Ex-Skandal gesehen: Erst geht es um einen Einzelfall, dann wird ein Steuergestaltungsmodell daraus“, warnte der Steuerexperte.

    Gehen die meisten Beschäftigten bei der Inflationsprämie leer aus?

    „Unter dem Strich sehen wir die Gefahr, dass die 3000-Euro-Prämie auf der einen Seite zum Missbrauch einlädt und auf der anderen Seite viele Menschen, für die das Instrument gedacht war, das Geld gar nicht erhalten, weil es der Arbeitgeber sich entweder in der Krise nicht leisten kann oder weil immer mehr Jobs aus der Tarifbindung herausgefallen sind“, sagte der Gewerkschaftschef der Finanzverwaltungsbeschäftigten.

    Köbler forderte eine Präzisierung im Steuergesetz gegen Missbrauchsgefahr: „Die Lösung wäre ganz einfach, die 3000 Euro Maximalhöhe an den Beschäftigten zu binden“, sagte er. „Dann wäre eine mehrfache Auszahlung illegal und es entsteht kein legales Steuerschlupfloch. Dies könnte man einfach im Jahressteuergesetz im Herbst regeln.“

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