In ganz Deutschland häufen sich schlechte Nachrichten am Wohnungsmarkt, wie sie nun auch aus Augsburg kommen. Oberbürgermeisterin Eva Weber musste als Aufsichtsratschefin der städtischen Wohnbaugruppe Augsburg ankündigen, dass in der unter Mietpreisexplosion und knappem bezahlbarem Wohnraum leidenden Großstadt in den kommenden Jahren nicht so viele Sozialwohnungen gebaut werden könnten, wie ursprünglich geplant.
Auch Augsburg bremst bei Neubauprojekten runter
Steigenden Zinsen, höhere Baukosten, Inflation und mögliche Mietausfälle in der Krise zögen auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der kommunalen Wohnungsgesellschaft WBG in Mitleidenschaft. „Die umfangreiche Bautätigkeit der letzten Jahre lässt sich daher nicht mehr in gleichem Maße weiterführen“, kündigte die CSU-Politikerin an. Der Bau von vier geplanten Neubauprojekten werde deshalb „nach hinten verlegt“, kündigte die WBG an.
So wie dem Augsburger Mietwohnungsanbieter geht es unzähligen großen und kleinen kommunalen, genossenschaftlichen und auch privatwirtschaftlichen Wohnungsbaugesellschaften: Fast überall in Deutschland werden Neubauprojekte auf Eis gelegt oder ganz storniert, wie der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, berichtet. „Unsere internen Umfragen lassen darauf schließen, dass etwa 70 Prozent aller geplanten Projekte entweder komplett abgesagt werden oder zumindest für längere Zeit zurückgestellt werden“, sagt Gedaschko. „Es ist ein brutaler Stopp, aber mit Ansage“, betont der Verbandschef, der 3000 Wohnungsbaugenossenschaften, kommunale, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungs- und Immobilienunternehmen vertritt.
„Aktuell wird noch das fertig gebaut, was in der Pipeline ist“, sagt Gedaschko unserer Redaktion. „Und dann wird es immer weniger werden. Es geht einfach nicht mehr.“ Dabei handle es sich um zehntausende Wohnungen. „Wenn sich die Rahmenbedingungen für die soziale Wohnungswirtschaft nicht drastisch verbessern, könnten bis 2024 grob geschätzt schlimmstenfalls rund 60.000 Wohnungen allein von unseren Unternehmen nicht gebaut werden.“
Mit am größten ist die Wohnungsnot in der bayerischen Landeshauptstadt München. Immerhin seien in den kommenden vier Jahren aufgrund der langfristigen Planungen keine der laufenden Projekte gefährdet, sagt Michael Schmitt von der städtischen Wohnungsgesellschaft München GWG. „Die stark gestiegenen Baukosten, der Zinsanstieg sowie die Reduzierung von Fördermitteln der KfW für Neubauten“, so Schmitt „werden allerdings langfristig dazu führen, dass mit demselben Kapitaleinsatz bei Erhalt der sozial verträglichen Mieten deutlich weniger Wohnraum realisiert werden kann.“
Warum gibt es immer weniger Sozialwohnungen?
Langfristig zeichnet sich damit auch in München immer schlechtere Perspektiven für günstigen Wohnraum ab. Die Probleme der kommunalen Wohnungsgesellschaften betreffen nicht nur Familien, die auf der Suche nach günstigem Wohnraum sind. Mit dem starken Rückgang an Sozialwohnungen und günstigen kommunalen Mietwohnungen fällt auch ein wichtiger preisdämpfender Effekt für alle anderen am Wohnungsmarkt weg. Seit den neunziger Jahren stiegen die Mieten in Deutschland um knapp 50 Prozent. In der gleichen Zeit sank die Zahl der Sozialwohnungen von vier Millionen allein in Westen auf etwas über eine Million in der gesamten Bundesrepublik. Die Tendenz zeigt weiter nach unten. Während im Jahr 1987 auf 100 Mietwohnungen 25 Sozialwohnungen kamen, sind es heute gerade noch fünf, wie die Gewerkschaft IG Bau vorrechnet.
Die Kommunen blicken mit großer Sorge auf diese Entwicklung: "Die steigenden Baukosten führen derzeit dazu, dass zahlreiche Neubauprojekte im frei finanzierten sowie im geförderten Wohnungsbau auf Eis gelegt beziehungsweise nicht neu begonnen werden“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg unserer Redaktion. „Dies führt gerade in Ballungszentren zu einer weiteren Wohnraumverknappung und damit verbunden partiell auch zu einem Anstieg von Mieten“, warnt er.
„Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums bleibt eine zentrale politische Herausforderung“ , sagt Landsberg. „Es gibt in Deutschland insbesondere zu wenige preisgebundene Wohnungen“, betont er. „Während es im Jahr 2002 noch rund 2,6 Millionen Sozialwohnungen gab, hat sich ihre Zahl bis zum Jahr 2021 auf nur noch rund 1,09 Millionen verringert. Jährlich fallen etwa 60.000 weitere Wohnungen aus der sozialen Bindung.“
Städte und Gemeinden fordern kostengünstigere Baustandards
Deshalb wäre eigentlich ein deutlicher Ausbau an bezahlbaren Wohnungen dringend notwendig, betont Landsberg. „Da die aktuellen Preissteigerungen nicht kurzfristig verändert werden können, kommt es umso mehr darauf an, dass die beeinflussbaren Faktoren beim Thema Wohnungsbau zügig angepasst werden“, fordert der Vertreter der Städte und Gemeinden. „Bund und Länder sind aufgefordert, die baulichen Standards im Sinne von notwendigen Mindeststandards kritisch zu überprüfen.“ Landsberg fordert insbesondere einheitliche und realistische Baustandards.
So solle künftig eine unabhängige Stelle die Folgekosten neuer Baunormen abschätzen und das serielle Bauen gefördert werden. „So sollten einmal erteilte Typengenehmigungen grundsätzlich bundesweit gelten, sofern keine zwingenden landesrechtlichen Aspekte dagegen stehen“, fordert Landsberg. Zudem brauche es ein weiter geschärftes, kommunales Vorkaufsrecht. „Auch die weitere Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Baurecht sowie die Wiedereinführung einer Sonder-Abschreibung im Bereich des Mietwohnungsneubaus können wichtige Impulse setzen, um die Bautätigkeit in schwierigen Zeiten wieder anzukurbeln.“
Macht strenge Klimaschutzauflagen neue Mietwohnungen unbezahlbar?
Der Präsident des Wohnungswirtschaft-Verbands, Gedaschko, mahnt zudem, dass die Bundesregierung die energetischen Standards immer weiter verschärfe und Bauen noch teurer mache. „Wir stehen hinter den Klimaschutzzielen. Aber Klimaschutz muss sinnvoll umgesetzt werden und am Ende auch für unsere Mieter bezahlbar sein.“ Während die Regierung die Ansprüche immer weiter hochschraube, fahre sie zugleich die Förderung runter, kritisiert er. Am Ende gebe es auch hier weniger Neubau- und Sanierungsprojekte: „Einfach weil es viel zu teuer wird und am Ende von unseren Mietern nicht mehr bezahlt werden könnte“, sagt der GdW–Chef.
Vor all dem sei das Ziel der Koalition, dass in Deutschland künftig jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen, Makulatur, kritisiert Gedaschko. „Mit der bisherigen Fördersumme von gerade einmal einer Milliarde Euro im Jahr für ganz Deutschland kann dieses Neubauziel nicht ansatzweise erreicht werden“, betont er. „Das ist noch nicht einmal eine Beruhigungspille.“ Nötig sei mindestens die fünffache Summe für die Neubauförderung bezahlbaren Wohnens, sagt Gedaschko. „Marktmieten von künftig 16 bis 18 Euro netto kalt pro Quadratmeter sind für die breite Mittelschicht schlicht unbezahlbar.“