Zur Inflation gibt es eine gute und schlechte Nachricht. Die gute: Sie dürfte im nächsten Jahr deutlich nachlassen. Wenn die Konjunkturexperten des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) Recht behalten, sinkt sie von aktuell fast acht Prozent auf unter drei Prozent im Durchschnitt des nächsten Jahres. Die schlechte Nachricht: Viele Menschen werden trotzdem sehr genau rechnen müssen, was sie sich noch leisten können.
Bei Benzin, Diesel, Gas und Nahrungsmittel zum Beispiel ist keine Entspannung in Sicht. „Sie bleiben teuer, werden aber nicht noch teurer“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien unserer Redaktion. Es gibt in seiner Rechnung allerdings mehrere unbekannte Faktoren. Dass sich die Inflation tatsächlich abschwächt, ist vor allem an zwei Bedingungen gekoppelt: Russland muss weiter Gas liefern und Corona darf nicht mit derartiger Wucht zurückkommen, dass ganze Wirtschaftszweige heruntergefahren werden müssen.
Käme es zu diesem Doppelschlag, droht die Teuerung nach Einschätzung der Wissenschaftler sogar auf die Marke von zehn Prozent zu klettern. Falls nicht, ist zumindest ein deutliches Nachlassen des Auftriebs in Sicht. „Auch in unseren Prognosen lässt der Preisdruck deutlich nach“, sagt Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des Ifo-Instituts.
Familien mit geringen Einkommen leiden am stärksten unter der Inflation
Die meisten Experten gehen allerdings davon aus, dass die Löhne nicht stark genug anziehen werden, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten vollständig auszugleichen. Kaufkraftlücke lautet der Fachbegriff. Was also tun? „Am sinnvollsten sind wieder staatliche Einmalzuschüsse, wie es sie auch dieses Jahr gibt. Das belastet die Staatskasse nicht dauerhaft wie Steuersenkungen“, sagt Dullien. Er ist auch deshalb gegen Steuersenkungen, weil davon auch Bürgerinnen und Bürger profitieren würden, die es nicht nötig haben.
Dullien hat sich genau angeschaut, wen die Inflation am härtesten trifft. Das Ergebnis: Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell die höchste Belastung, Alleinlebende mit hohem Einkommen die geringste. Der Grund für diese Unwucht ist, dass der Grundbedarf, wie Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel bei Ärmeren viel stärker ins Gewicht fällt als bei Gutverdienern, die ihr Geld auch noch für andere Dinge ausgeben. Deshalb plädiert auch Ifo-Experte Wollmershäuser für weitere Entlastungen: „Wir haben alle Instrumente dafür bereit, wie den Heizkostenzuschuss, einen Hartz-IV-Bonus oder die Energieprämie.“
Finanzminister Lindner kämpft für die Schuldenbremse
Wirtschaftsminister Robert Habeck versprach bereits zusätzliche Unterstützung. Die SPD ist ebenfalls dafür. Finanzminister Christian Lindner (FDP) steht hingegen vor der Schwierigkeit, seinen Wunsch nach Einhaltung der Schuldenbremse und die raue Wirklichkeit miteinander in Einklang zu bringen.
Wenn es schlecht läuft, dann haben Lindner und die anderen Minister aber eine komplett andere Lage. Sie werden dann mit viel Geld gegen eine giftige Mischung aus hoher Inflation und schrumpfender Wirtschaft anregieren müssen. Der langjährige Wirtschaftsweise Volker Wieland sieht alarmierende Anzeichen dafür, dass das passieren könnte. „Die Rezession ist noch nicht da und es ist auch nicht sicher, dass sie kommt. Aber die Risiken haben zugenommen, wir sehen es ja ganz aktuell beim Gas“, sagt Wieland im Gespräch mit unserer Redaktion.