Die Grippewelle nimmt Fahrt auf. Das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht in seinem aktuellen Wochenbericht von einer hohen Zahl an Influenza-Erkrankungen. Allein in der ersten Januarwoche wurden dem Institut mehr als 5800 Fälle gemeldet. Ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur Vorwoche mit knapp über 4300 Fällen. Besonders betroffen seien Kinder im Schulalter und junge Erwachsene. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat deshalb nun eine Grippeimpfung für alle Kinder empfohlen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät bisher nur Kindern mit Risikofaktoren dazu.
"Ich denke schon, dass man in diesem Jahr Kinder – und natürlich auch Erwachsene – großzügig impfen sollte. Der individuelle und gesellschaftliche Nutzen ist vermutlich in dieser Saison höher als in vorherigen Jahren", sagt Prof. Dr. Folke Brinkmann, Expertin auf dem Gebiet der Pädiatrische Pneumologie und Mitglied des RKI-Expertenbeirats für pandemische Atemwegsinfektionen. Wie auch bei anderen Erregern hätten die Kontaktbeschränkungen während der Coronapandemie auch zu einer geringeren Immunität gegen Influenzaviren bei den Kindern geführt. "Das könnte die beobachteten höheren Infektionszahlen erklären."
Die Zahl der Corona-Erkrankungen geht aktuell zurück
Zuletzt sorgten vor allem viele Covid-19-Erkrankungen, RS-Viren sowie ungewöhnlich viele Rhinovirus-Infektionen – normale Erkältungen – für volle Wartezimmer. Die Zahl der Corona-Erkrankungen ist immer noch auf einem hohen Niveau, geht aber zurück. Die Grippewelle indes hat erst begonnen und könnte im Februar ihren Höhepunkt erreichen. Für die Einschätzung der Schwere einer neuen Grippewelle hierzulande dienen die Infektionszahlen auf der Südhalbkugel. In Australien gab es im Sommer 2023 mit 288.770 laborbestätigten Infektionen enorm viele Fälle. Das lässt Expertinnen und Expertinnen befürchten, dass auch die Grippewelle in Deutschland stark ausfallen könnte.
Die andauernde Krankheitswelle hat massive volkswirtschaftliche Auswirkungen, die größtenteils durch den Ausfall von Arbeitskräften entstehen. Michael Stolpe vom Kiel Institut für Weltwirtschaft hat ein Szenario erstellt, dem zufolge der deutschen Volkswirtschaft allein durch den krankheitsbedingten Arbeitsausfall ein "Verlust in der Bruttowertschöpfung von circa 32 bis 36 Milliarden Euro" entstehen könnte. "Sollte diese Prognose so eintreffen, wäre der prozentuale Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung Deutschlands, der in der Saison 2023/24 durch Atemwegserkrankungen einschließlich der Grippe verloren geht, um mehr als die Hälfte höher als in der letzten schweren Grippesaison vor der Coronapandemie, 2017/18", erklärt Stolpe. Die Prognose fußt auf der Annahme, dass in der Gesamtsaison bis April insgesamt mehr als 510.000 Fälle von Atemwegserkrankungen zu befürchten seien. Stolpe räumt aber ein, dass Stärke und Dauer von Krankheitswellen generell schwer vorhersehbar seien.
Grippe-Impfquote in Deutschland sehr niedrig
Die Grippe grassiert derzeit auch in anderen Ländern. In Spanien wurde wegen der hohen Zahl an Influenzafällen – aber auch wegen noch immer vielen Coronainfektionen – in allen Gesundheitseinrichtungen wieder eine Maskenpflicht eingeführt. Die Grippe-Impfquote in Spanien ist vergleichsweise hoch. Fast 70 Prozent der älteren Menschen sind dort geimpft. In Deutschland ist die Quote seit Langem niedrig. 2021/22 lag sie bei Personen über 60 Jahren bei nur 43 Prozent.