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Industriestrompreis: SPD-Fraktion setzt Scholz unter Druck

Industriestrompreis

SPD-Fraktion setzt Scholz unter Druck

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    Die SPD-Fraktion will den Strom für bestimmte Teile der Industrie billiger machen.
    Die SPD-Fraktion will den Strom für bestimmte Teile der Industrie billiger machen. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Im Bundestagswahlkampf hatte Olaf Scholz die Idee noch gut gefunden. „Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von vier Cent“, sagte der SPD-Politiker im Juni 2021 auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Nach seinem Einzug ins Kanzleramt änderte er seine Meinung. Ein subventionierter Strompreis sei ökonomisch falsch und setze falsche Anreize, widersetzte sich Scholz Forderungen aus der Industrie. Die SPD-Fraktionsspitze drängt ihren Kanzler nun sanft in die andere Richtung. Sie beschloss in Erlangen ein Konzept, wonach Teile der Industrie ihren Strom für einen Grundpreis von fünf Cent je Kilowattstunde bekommen sollen. 

    SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies den Eindruck eines Affronts zurück. „Wir wollen nicht den Bundeskanzler zu einer anderen Meinung bewegen, sondern wir wollen zusammen etwas tun“, sagte er. Das Konzept werde aber in der Bundesregierung Beachtung finden, „weil wir natürlich auch die größte Regierungsfraktion sind“. Am Montag soll das Positionspapier der gesamten Fraktion bei einer Klausurtagung in Wiesbaden zur Abstimmung gestellt werden. Scholz dürfte dabei sein. Einen Tag später muss er den Vorstoß seiner Fraktion den Koalitionspartnern bei der Klausurtagung der Regierung in Meseberg erklären.

    Subventionierter Industriestrompreis: Habeck wirbt schon lange dafür

    Die Grünen dürften über das SPD-Papier erfreut sein. Wirtschaftsminister Robert Habeck wirbt schon lange für einen Industriestrompreis, bei dem die Differenz zum meist höher liegenden Börsenstrompreis vom Staat ausgeglichen wird. Er nannte als Hausnummer einen „Brückenstrompreis“ für energieintensive Industriezweige, der nicht mehr als sechs Cent betragen solle. Habecks Parteifreund und Staatssekretär Michael Kellner hatte unlängst im Wirtschaftsausschuss des Bundestages ergänzt, dass die von Scholz einst ins Spiel gebrachten vier Cent nicht machbar seien.

    Die von der SPD-Fraktion angedachten fünf Cent könnten demnach ein auch für die Grünen gangbarer Weg sein. Zumal sich beide Parteien einig sind, woher das Geld kommen soll. „Wir haben mit dem sogenannten Doppelwumms 200 Milliarden Euro mobilisiert, um den Energiepreisschock abzufangen. Davon haben wir nur einen Bruchteil ausgegeben. Wir könnten von dem gesparten Geld einen Anteil in die grüne Transformation der Unternehmen investieren“, sagte Habeck kürzlich im Interview mit unserer Redaktion. Gemeint ist der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der noch gut gefüllt ist. 

    Lindner ist gegen subventionierte Preise

    Wie Habeck will auch die SPD den subventionierten Preis nur „klar definierten“ Branchen gewähren. Es sollen vor allem Unternehmen entlastet werden, die besonders viel Energie verbrauchen und solche, die eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Energiewende haben – die Hersteller von Solar- und Windkraftanlagen beispielsweise. Dahinter steckt nicht zuletzt die Angst, dass Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, weil ihnen die Stromkosten hierzulande zu hoch sind. „Die Frage ist doch, werden die Prozesse hier in Deutschland grün werden oder anderswo?“, hatte Habeck erklärt. 

    Der SPD-Fraktionsspitze schwebt vor, die Subvention des Strompreises auf fünf Jahre zu begrenzen und nach zwei Jahren zu überprüfen. Das könnte die Brücke sein, über die auch Scholz auf den Industriestrompreis zugehen könnte. Dann müsste innerhalb der Koalition noch die FDP überzeugt werden. Die Liberalen sind gegen einen Industriestrompreis. Auf direkte staatliche Hilfen zu setzen sei ökonomisch unklug und widerspreche den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, erklärte Parteichef und Finanzminister Christian Lindner.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) will mit milliardenschweren Hilfen den Industriestrompreis senken.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) will mit milliardenschweren Hilfen den Industriestrompreis senken. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Breites Bündnis wirbt für "Brückenstrompreis"

    Ob die FDP dem Druck aus der Industrie standhalten kann, bleibt abzuwarten. Erst vergangene Woche hatte sich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Verbänden zur „Allianz pro Brückenstrompreis“ zusammengeschlossen. Sie vertreten mehr als 1,1 Millionen Beschäftigte in mehr als 8000 Unternehmen. „Unsere Industrie steht am Scheideweg. Das Haus brennt, und wir brauchen den Brückenstrompreis dringend als Löschwasser“, erklärte etwa der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Markus Steilemann. DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagte, für hochwertige Industriearbeitsplätze und eine starke industrielle Wertschöpfung brauche die Industrie „endlich Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit beim Strompreis“.

    Wie hoch genau die Entlastung für die Industrie sein würde, ist schwer zu beziffern. Strom wird wie Aktien an Börsen gehandelt, es kann erhebliche Preisunterschiede geben. Im Juli lag der Durchschnittspreis beispielsweise bei knapp 78 Euro pro Megawattstunde, im Monat zuvor waren es rund 95 Euro. Zum Börsenpreis kommen noch Steuern und Abgaben hinzu. Der durchschnittliche Strompreis für kleine bis mittlere Industriebetriebe betrug nach Berechnungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei Neuabschlüssen im bisherigen Jahresverlauf 26,5 Cent pro Kilowattstunde. Im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 hat er sich mehr als halbiert.

    Immer wieder wandern Unternehmen ins Ausland ab, weil sie dort billiger an ihren Strom kommen. Die USA und Kanada etwa werben offensiv um deutsche Firmen. Sie versprechen nicht nur günstige Energie - sondern auch weniger Bürokratie. 

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