Langsam, überbürokratisch, hohe Steuern – diese drei Prädikate gehören zu den klassischen Schwächen des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Doch durch den russischen Angriff auf die Ukraine kommt eine weitere gravierende hinzu: Energie ist so teuer wie in wenigen anderen Ländern. Parallel dazu gehen die Babyboomer in Rente und der Personalmangel beißt in allen Branchen. Wegen der Summe der negativen Faktoren ist Deutschland in der Rangfolge der Industrieländer abgerutscht und findet sich weit hinten im Klassement. Es reicht nur noch für Platz 18 unter 21 Industrieländern. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Das noch unveröffentlichte Papier liegt unserer Redaktion vor. „Der in dieser Neuauflage … erarbeitete Befund zur Position Deutschlands bietet erheblichen Anlass zur Sorge“, schreiben die Forscher um den ZEW-Ökonomen Friedrich Heimann. Die Lage sei ernüchternd.
Im Vergleich zur vorhergehenden Untersuchung für 2020 hat Deutschland in der Tabelle vier Ränge eingebüßt. Die besten Bedingungen haben Unternehmer der Studie zufolge in den USA, gefolgt von Kanada und Schweden. Das Nachbarland Schweiz kommt auf den vierten Platz. In Auftrag gegeben haben die Untersuchung wieder die Familienunternehmen. „Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren“, beklagte Rainer Kirchdörfer, Chef der Stiftung Familienunternehmen. Die hohen Energiepreise müssten jetzt Ansporn sein, auf anderen Feldern stärker zu werden. „Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören“, meinte Kirchdörfer.
Deutsche Wirtschaft leidet unter zu viel Bürokratie
Er verlangte Verbesserungen, die auch schon zu den klassischen Forderungen der Wirtschaft gehören. Dazu zählen entschlackte, beschleunigte Genehmigungsverfahren für Fabriken, Straßen, Schienen und Windparks. Außerdem eine intensive frühkindliche Bildung für Jungen und Mädchen sowie niedrigere Steuern.
Für den Spitzenreiter USA sprechen niedrige Energiepreise, ein schlanker Staat und günstige Finanzierungsbedingungen. Schweden lockt aus Unternehmersicht mit seinem Steuersystem und den günstigen Energiepreisen. Die Schweiz punktet mit ihrem gut funktionierenden Staatsapparat und dem Zugang zu Kapital. Im Index hinter Deutschland liegen nur noch Ungarn, Spanien und Italien.
Das ZEW ermittelt die Rangfolge der Standortqualität seit 2006. Unter dem Strich hat Deutschland nach einem zwischenzeitlichen Aufstieg infolge der Hartz-Reformen an Wettbewerbsfähigkeit sechs Ränge verloren. Der größte Aufsteiger ist Polen.