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In eigener Sache: Bilder des Ukraine-Kriegs: Wieso wir keine Toten zeigen

In eigener Sache

Bilder des Ukraine-Kriegs: Wieso wir keine Toten zeigen

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    Mariupol - eine zerstörte Stadt.
    Mariupol - eine zerstörte Stadt. Foto: Evgeniy Maloletka, AP/dpa

    Die Bilder aus der Ukraine, die uns in diesen Tagen – auch in sozialen Netzwerken – erreichen, sind erschütternd. Sie zeigen Leid und Zerstörung. Sie verdeutlichen ohne Filter, wie brutal und rücksichtslos Putin diesen Krieg führt. Unsere Redaktion berichtet seit Anbeginn der Kriegshandlungen umfangreich in Wort und Bild über das Geschehen in der Ukraine. Unsere Autorinnen und Autoren schreiben und zeigen, was ist – mit einer Einschränkung: Wir haben uns nach intensiver Abwägung dazu entschieden, keine Bilder von Verletzten und Toten zu zeigen.

    Bilder entfalten eine, mitunter große, Wirkung – zunächst einmal wecken sie Emotionen. Wen lässt es schon kalt, wenn etwa Fotos von bombardierten Geburtsstationen auftauchen? Von zerfetzten Menschenkörpern? Journalistinnen und Journalisten haben den Anspruch, zu sagen, was ist. Aber sollten sie auch zeigen, was ist – in aller Konsequenz und Brutalität?

    Unsere Redaktion weiß um die Macht der Bilder, die auch Kinder am Frühstückstisch betrachten könnten

    In Richtlinie 11.3 des Pressekodex steht, dass die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen finde. Unsere Redaktion weiß um die Macht der Bilder, die auch Kinder am Frühstückstisch betrachten könnten, und hat ihr Verständnis von Verantwortung in die in diesem Text dargelegte Entscheidung übersetzt.

    Die Medienbranche diskutiert seit vielen Jahren kontrovers über die Frage, was im Einzelfall mehr zählt: Die Würde der Getöteten oder der Anspruch an eine möglichst realistische Darstellung? Aktuell wieder, seit die New York Times auf ihrer Titelseite eine getötete Familie in Irpin bei Kiew zeigte, getroffen von „russischem Mörserfeuer“. Wer das Foto betrachtete, blickte den Leichen direkt ins Gesicht. Zeigen, was ist?

    Die einen sahen in dem Foto das zeithistorische Dokument eines Kriegsverbrechens, andere warnten vor Sensationsjournalismus. Medienethikprofessor Christian Schicha von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sagt: „Fotos von Opfern des Krieges zu zeigen, ist grundsätzlich angemessen, um das Grauen des Krieges zu dokumentieren. Gleichwohl ist darauf zu achten, dass diese Menschen nicht zu identifizieren sind, um die Opfer und ihre Angehörigen zu schützen. Insofern sollten die Gesichter nicht gezeigt werden.“

    Zeigen oder nicht – im Falle der New York Times wie in anderen Fällen muss Zurückhaltung geboten sein

    Zeigen oder nicht – in diesem wie in anderen Fällen ist unserer Überzeugung nach Zurückhaltung geboten. Krieg generiert nur furchtbare Bilder. Wir möchten nichts verschweigen, nichts verharmlosen. Wir benennen den Krieg in der Ukraine als das, was er ist: als einen brutalen, durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg Wladimir Putins. Bei der Bebilderung muss es unserer Meinung nach eine bewusste Entscheidung von Redaktionen geben, die sich Gedanken machen, diskutieren, abwägen. Und auf diese Weise möglichst verantwortungsvoll handeln.

    Unsere Redaktion wird ein Foto wie das, das in der New York Times abgebildet wurde, nicht zeigen.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Ukraine-Konflikt.

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