Der FDP-Rechtsexperte Stephan Thomae hat eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Bayern als verfassungswidrig kritisiert. "Ich finde es höchst fragwürdig, dass ein Ministerpräsident für ein ganzes Bundesland erklärt, die von Bundestag und Bundesrat beschlossene, einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht anwenden zu wollen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion unserer Redaktion. Zudem habe Bayern dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt, ebenso wie die Unionsfraktion im Bundestag.
Thomae: Impfpflicht dürfe nicht für parteipolitische Taktik instrumentalisiert werden
Zwar erlaube das Infektionsschutzgesetz einen gewissen Spielraum für die Gesundheitsämter vor Ort vor, um auf punktuelle Überlastungen angemessen zu reagieren, erklärte der FDP-Politiker. "Eine pauschale Nichtanwendung von Bundesgesetzen durch die Exekutive verträgt sich hingegen nicht mit unserer Verfassung", betonte Thomae. "Von daher bin ich der Meinung, dass sich Herr Söder mit seiner Ankündigung auf dünnem Eis bewegt." Die einrichtungsbezogene Impfpflicht dürfe nicht für parteipolitische Taktik instrumentalisiert werden. "Dafür ist das Thema zu ernst", sagte Thomae.
Nach Auffassung des renommierten Staatsrechtler Ulrich Battis kann der Bund Bayern zur Umsetzung des Gesetzes verpflichten, wenn er die Bedenken des Freistaats widerlegen könne. "Wir sind ein Bundesstaat und das heißt, dass der Bund die Gesetze erlässt, die in der Regel von den Ländern vollzogen werden müssen", sagte Battis unserer Redaktion. "Insofern ist es völlig klar, dass auch Bayern die einrichtungsbezogene Impfpflicht einführen muss", betonte der emeritierte Professor.
Staatsrechtler Battis: Was Söder mache sei "blanker Populismus"
"Theoretisch könnte der Bund Bayern sogar dazu zwingen", sagte Battis. Allerdings müssten davor offene Fragen der Umsetzung geklärt werden. "Im Kern muss Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt Antworten liefern", sagte der Staatsrechtler. "Wenn sich dann zeigt, dass die Umsetzung möglich ist, wenn das alles plausibel ist, dann muss es auch Bayern machen."
Politisch verurteilte der Staatsrechtler das Vorgehen des CSU-Vorsitzenden: "Was Söder macht, ist unfassbar, blanker Populismus", sagte Battis. Die gesamte Impfpflicht-Debatte schade massiv der Glaubwürdigkeit der Politik.