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Impfpflicht - Debatte im Bundestag: Einigung weit entfernt

Impfpflicht

Bei der Impfpflicht gehen die Meinungen weit auseinander

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    Die Abgeordneten im Bundestag führten am Mittwoch eine Orientierungsdebatte zu einer möglichen Impfpflicht.
    Die Abgeordneten im Bundestag führten am Mittwoch eine Orientierungsdebatte zu einer möglichen Impfpflicht. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Braucht es eine Impfpflicht, um die Corona-Pandemie zu beenden? Und wenn ja, für wen sollte sie gelten und ab wann, wie viele Spritzen sollen nötig sein? Erstmals hat der Bundestag am Mittwoch über diese Fragen debattiert, die nicht nur die Abgeordneten, sondern die ganze Nation spalten. Während die Befürworter keine andere Möglichkeit sehen, um die stagnierenden Impfquoten zu erhöhen, halten die Gegner eine Die Gräben verlaufen mitten durch die Ampel-Koalition und durch einzelne Parteien.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht befürwortet, fand sich nicht auf der Rednerliste des Bundestags, einen eigenen Antrag will er nicht formulieren. So ist es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (

    Impfpflicht-Debatte im Bundestag: Union unterstellt der neuen Bundesregierung Arbeitsverweigerung und fordert ein Impfregister

    Gleich zu Beginn der Debatte um 15.15 Uhr verweist die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt auf ein Grundproblem: Es sei "kein kleiner Schritt, wenn lange eine Impfpflicht ausgeschlossen wurde, dies nun doch kommen soll". Trotzdem sei sie dafür, denn nur eine hohe Impfquote weise den Weg aus der Pandemie, und der führe nur über eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Ein Antrag, der dieser Position entspricht, wird von Abgeordneten der drei Ampel-Fraktionen vorbereitet.

    Die Union in ihrer neuen Oppositionsrolle zeigt sich zwar generell offen für eine Impfpflicht, sieht aber zunächst einmal die Bundesregierung in der Pflicht. Tino Sorge (CDU) kritisierte, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keinen eigenen Antrag zur Impfpflicht vorlegen will, dies gleiche einem "Versteckspiel" der

    In der FDP herrscht große Uneinigkeit beim Thema Impfpflicht

    Bei der FDP als kleinster Ampel-Partnerin gehen die Meinung völlig auseinander. Für eine allgemeine Impfpflicht setzte sich Katrin Helling-Plahr ein, diese sei das beste Mittel gegen endlose Lockdown-Schleifen. Partei-Urgestein Wolfgang Kubicki hat dagegen einen Antrag formuliert, die Impfpflicht gänzlich abzulehnen. Er nannte seine eigenen Impfungen "ein großes Geschenk", warnte aber eindrücklich vor staatlichem Zwang. Eine Impfpflicht sei verfassungsrechtlich nicht begründbar, zumal der verfügbare Corona-Impfstoff auch nicht sicher vor einer Ansteckung anderer schütze. "Es gibt gute Gründe für eine Impfung, die für eine Impfpflicht überzeugen mich nicht", sagte er.

    Einen Mittelweg schlägt eine Gruppe um den Mediziner Andrew Ullmann (FDP) vor. Sie wollen zunächst volljährige Ungeimpfte zu einem Beratungsgespräch verpflichten. Erst wenn dies nicht zu höheren Impfquoten führe, könne in einem zweiten Schritt eine Impfpflicht eingeführt werden. Die solle allerdings nur für Menschen ab 50 Jahren gelten, denn die seien besonders gefährdet. Ullmann sagte, eine große Anzahl von Bürgern fühle sich nicht ausreichend informiert, deswegen sei eine Beratungspflicht notwendig und angemessen. Sollte damit keine Steigerung der Impfquote zu erreichen sein, wäre eine Impfpflicht für Menschen über 50 Jahren angemessen. 

    Der liberale Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte: "Die Verfassung verlangt von uns, ein Ziel klar zu benennen. Es muss um den Schutz des Gesundheitssystems gehen, um die Verteidigung der Intensiv- und Normalstationen vor einer Überlastung. Dafür muss das mildere Mittel gewählt werden. Es müsse als überlegt werden, ob nicht eine Impfpflicht ab 50 Jahre genüge und ob nicht auch neue Medikamente die Situation verändern könnten. "Ich traue mir da heute noch keine abschließende Meinung zu, wir müssen aber diese milderen Alternativen sehr ernsthaft prüfen."

    Wie bei der FDP gibt es bei den Grünen es offenbar keine einheitliche Stimmung. Kirsten Kappert-Gonther etwa sprach sich für eine Impfpflicht ab 18 Jahren aus. Denn eine Begrenzung auf über 50-Jährige könne die Impfbereitschaft bei Jüngeren sogar senken. Auch die designierte Parteichefin Ricarda Lang sieht in einer Impfpflicht die beste Perspektive für einen Ausweg aus der Pandemie. Andere Grünen-Abgeordnete wie die Ärztin Paula Piechotta befürworten dagegen den Weg einer Impfpflicht ab 50 Jahren.

    AfD-Fraktion lehnt eine Impfpflicht geschlossen ab

    AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla warf der Bundesregierung "Arroganz" und autoritäre Bestrebungen vor, seine Partei lehne eine Impfpflicht vollständig ab.  Mit-Fraktionschefin Alice Weidel nannte die geplante Impfpflicht einen "elementaren Zivilisationsbruch, für den es keinerlei Rechtfertigung" gebe. Menschen zu einer Impfung zu zwingen, sei eine "unerhörte Grenzüberschreitung".

    In der Linkspartei gehen die Meinungen auseinander. Matthias Birkwald reckte sein Impfbuch in den Bundestag, beteuerte, vollständig geimpft zu sein, berichtete aber auch von seinem Vater, der einen Tag nach der Corona-Impfung verstorben sei. Der Tod habe nichts mit der Impfung zu tun gehabt. Aber eine Impfung sei eine sehr individuelle, persönliche Entscheidung, er lehne deshalb eine Impfpflicht ab, ebenso wie Gregor Gysi. Der warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft, sollte es eine Impfpflicht geben. Andere Mitglieder der Linksfraktion sprachen sich dagegen für eine Pflicht zur Immunisierung aus.

    Mehrere hundert Menschen demonstrieren gleichzeitig in Berlin gegen eine mögliche Impfpflicht

    Gemessen an den Kundgebungen rund um das Reichstagsgebäude ist der Widerstand in der Bevölkerung gegen eine allgemeine Impfpflicht nur gering. Nicht Tausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen nach Berlin, wie es angekündigt und von sogenannten Querdenkern erwartet worden war, sondern lediglich ein paar hundert Menschen. Darunter offensichtlich viele Bürgerinnen und Bürger, die ihrer Sorge vor einer Impfpflicht eine Stimme geben wollten. Sie versuchten sich teilweise ratlos einen Weg durch das Dickicht der Straßensperren zu bahnen.

    Die Polizei war nach eigenen Angaben mit 1600 Beamtinnen und Beamten im Einsatz, die vor allem den Bundestag weiträumig absicherten. Eine Erstürmung des Reichstagsgebäudes wie im August 2020 sollte unbedingt verhindert werden, und das gelang auch. Mehrere Wasserwerfer wurden schon am Morgen in Stellung gebracht, auf der Spree patrouillierten Boote der Wasserschutzpolizei. Wer nicht über die notwendigen Ausweise verfügte, kam höchstens auf Sichtweite ans Parlament heran.

    Die Kundgebung spielte sich vor allem auf der Straße Unter den Linden in Höhe der russischen Botschaft ab. Um 14.18 Uhr löste die Polizei die Versammlung mit der Begründung auf, es habe Verstöße gegen die Maskenpflicht und das Abstandsgebot gegeben. Wer dann noch blieb, musste mit der Feststellung seiner Personalien rechnen. Insgesamt hatte die Polizei dem Augenschein nach wenig zu tun. Es blieb weitgehend friedlich, vereinzelte rechtsradikale Kleingruppen konnten sich kein Gehör verschaffen.

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