Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Horst Schlämmer und die Wahl: Humor ist, wenn man trotzdem wählt

Horst Schlämmer und die Wahl

Humor ist, wenn man trotzdem wählt

    • |
    Kerkeling: «Horst Schlämmer - Isch kandidiere!»
    Kerkeling: «Horst Schlämmer - Isch kandidiere!» Foto: DPA

    Von Volker Klüpfel 18 Prozent! Davon können Parteineugründungen wie die Freie Union von Gabriele Pauli nur träumen.

    Auf diesen Wert käme laut einer Umfrage die HSP bei der Bundestagswahl im September und würde damit zum heiß begehrten Koalitionspartner für eine Regierungsbeteiligung. Sämtliche Varianten wären denkbar, denn die HSP ist links, liberal und konservativ.

    Nur: Die HSP ist zur Wahl nicht zugelassen. Und das nicht etwa wegen eines Formfehlers. Es gibt sie einfach nicht. Und das ist gut so. Denn die Horst-Schlämmer-Partei ist eine Erfindung des Komikers Hape Kerkeling.

    Der Film zur Partei ("Isch kandidiere") läuft am Donnerstag an, das Interesse an der Realsatire ist riesig. Und schon werden Stimmen laut, die darin einmal mehr ein Anzeichen für den Niedergang, wenn schon nicht des Abendlandes, so doch der Parteiendemokratie unserer Prägung ausmachen.

    Neu sind diese Endzeitvisionen nicht: Die Beteiligung bei der Bundestagswahl 2005 markierte einen historischen Tiefpunkt, die Parteien hadern mit schwindenden Mitgliederzahlen. Leistet die Demokratie also den Offenbarungseid, wenn in Umfragen nun auch noch Günther Jauch, Franz Beckenbauer oder der Handtaschen tragende Schlämmer zu Wunschkandidaten für höchste Staatsämter erkoren werden? Wenn sich Spaßparteien mit Sinnlos-Slogans ("Wiederaufbau der Mauer und Schaffung eines starken Ost-Bundeslandes", Die PARTEI) in den Wahlkampf einmischen?

    Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn statt der viel gescholtenen Staatsmänner und -frauen Komödianten die Richtung des Landes bestimmen würden? Das amerikanische Volk hat ähnliche Berührungsängste längst abgelegt, wählt Westernstars zu Bürgermeistern (Eastwood) oder rekrutiert Gouverneure und Präsidenten aus der Filmbranche (Schwarzenegger, Reagan).

    Hierzulande findet eher ein Schattenboxen um die Gunst der Medien statt, stellen sich Fantasiefiguren wie Schlämmer nur virtuell gegen die wahren Kandidaten. Und virtuell hat es Schlämmer natürlich viel leichter: Wer für nichts stehen muss, ist programmatisch noch weniger festgezurrt als die in die angrenzenden politischen Lager mäandernden Parteien.

    Kurios genug, dass deren vollmundige Wahlversprechen ("Vier Millionen neue Arbeitsplätze") nicht immer auf Anhieb vom satirischen Pendant zu unterscheiden sind ("Es ist alles zu wenig, es müsste mehr sein").

    Wo hört also der Spaß auf? Bei der Naturgesetz-Partei, die die Krisenherde dieser Welt einst durch im Schneidersitz hüpfende Meditierende befrieden wollte? Bei der Pogo-Partei, deren Gründer mit dem Ziel antrat, "Reich zu werden"?

    Je banaler die Botschaft, desto leichter findet sie ihr Ziel. Vor allem dann, wenn sie von jemandem vorgebracht wird, der die Sorgen des kleinen und oft gebeutelten Mannes aus eigenem Erleben kennt (Schlämmer: "Isch habe Rücken und Kreislauf!"). Einem Phrasen dreschenden Maßanzug aus Berlin, der sich seines Wahlkreises regelmäßig erst dann entsinnt, wenn die Wiederwahl ins Parlament ansteht, begegnet man mit mehr Misstrauen.

    Getwitterte Wahlpossen und profillose Profile

    Bisher lieferte das Stoff für zahllose Kabarettprogramme. Doch das scheint in einer Zeit, in der die Krise viele existenziell bedroht, nicht mehr auszureichen. Die Botschaft lautet: Nimmt die Politik satirische Züge an, macht die Satire eben politisch ernst. Dazu passt die Gewissenhaftigkeit, mit der die Gaga-Kampagnen unters Volk gebracht werden: Neben Plakaten, Spots und Pressekonferenzen geht man vor allem im Internet auf Sympathisantenjagd, twittert Wahlpossen am laufenden Band und gewährt in diversen Netzwerken Einblick ins profillose Profil.

    Dass dabei Traum-Umfrageergebnisse herausspringen, liegt zum einen an der Unverbindlichkeit der Aussagen, zum anderen am Humor, mit dem sie vorgetragen werden. Denn Humor ist eine Sprache, die auch ein Wähler versteht. Humor beweist schließlich, wer trotzdem wählt, obwohl seine Stimme nicht einmal 0,000000017 Prozent zum Gesamtergebnis beiträgt.

    Täte der Politik also mehr Entertainment, mehr Comedy gut? Man stelle sich vor: Eines Tages werden die Sitze für den Bundestag bei "Wetten, dass . . ." per Ted vergeben und der Bundeskanzler bei der Vereidigung gefragt: Verstehen Sie Spaß?

    Dann weissde Bescheid, Schätzelschen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden