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Honorar: Medien und Moneten: Der Fall Linda Zervakis

Honorar

Medien und Moneten: Der Fall Linda Zervakis

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    Die Moderatorin Linda Zervakis.
    Die Moderatorin Linda Zervakis. Foto: Geert Vanden Wijngaert, AP, dpa

    Morgens Ansager im Frühstücksfernsehen und abends Moderator bei der Sparkassen-Gala? Abends Nachrichtensprecherin und am Tag danach Honorarjournalistin im Kanzler-Interview? Es gibt diese Fälle, wo Vertreterinnen und Vertreter der Medien nicht nur ihrem eigentlichen Job nachgehen, sondern sich noch was dazuverdienen. Viele davon sind Freiberufler, es fließt Honorar. Allein die Bundesregierung zahlte seit 2018 rund 1,5 Millionen Euro für Moderationen, Vorträge und ähnliche Dienstleistungen. Schlagzeilen machten jüngst die Überweisungen an die Journalistin Linda Zervakis, die für zwei Veranstaltungen 12.000 Euro bekam, wie die Regierung jetzt offiziell einräumte.

    Der Fall Zervakis ist nur einer von vielen. Der Moderator eines TV-Frühformats berichtet freimütig, er habe sich über drei Jahre durch solche Honorare die Zweitwohnung im nicht eben billigen Friedrichshain zusammengespart. Als Faustformel gilt: Je bekannter das Gesicht, desto mehr Honorar wird gezahlt. Die Spanne reicht von kleinen dreistelligen Beträgen, die weniger bekannte Journalisten für Auftritte bei Nachrichtensendern oder Politikrunden bekommen können, über vierstellige Moderatorenhonorare für etwas bekanntere Profis bis hin zu fünfstelligen Beträgen bei den aus der Primetime bekannten Gesichtern. Banken oder Möbelhäuser legen für solche TV-Promis 15.000 Euro und mehr auf den Tisch. Spesen gehen extra. 

    Journalisten-Honorare: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zahlte mehr als 110.000 Euro

    Honorarzahlungen an Journalistinnen und Journalisten sind gängige Praxis. Aber heißt das auch, dass sie angemessen sind? Oder stellt das Geld eine Gefahr für den unabhängigen Journalismus dar? Der Medienwissenschaftler Joachim Trebbe rät zur differenzierten Betrachtung. „Man muss sich da genau angucken, wie die Leute in ihrem ersten Beruf angestellt sind“, sagt der Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft von der Freien Universität Berlin und ergänzt: „Von einem WDR-Intendanten beispielsweise würde ich erwarten, dass er sich als Chef einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit solchen Jobs zurückhält, unparteiisch ist und nicht für ein Möbelhaus Werbung macht.“ Auf der anderen Seite gebe es aber gerade in den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten viele sogenannte feste Freie – sie sind nicht fest angestellt, sondern werden pauschaliert bezahlt. „Ihnen muss man natürlich die Freiheit geben, auch andere Jobs zu machen“, sagt Trebbe.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der Blick in eine von der Bundesregierung veröffentlichte Liste, die sie nun auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hin veröffentlicht hat, zeigt allerdings einen deutlichen Ausschlag des Honorarpendels hin zu den Festangestellten. Demnach nahm beispielsweise das Bundesarbeitsministerium in den Jahren 2019 bis 2022 die Dienste von 16 Medienleuten in Anspruch, die allesamt eine Festanstellung hatten. Insgesamt überwies das Haus von Minister Hubertus Heil 110.760 Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium gab in den Jahren 2018 bis 2022 rund 143.000 Euro für 24 Moderationen aus. Freie Journalistinnen oder Journalisten befanden sich nicht darunter. Einen besonders hohen Bedarf hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das fast 200.000 Euro für Moderationen investierte, es kamen einige Freie in den Genuss. 

    Linda Zervakis ist also nur eine unter vielen. Die Mitarbeiterin des Senders ProSieben rückte in den Fokus, weil sie auf der Veranstaltung „re:publica – Festival für die Digitale Gesellschaft“ im Juni 2022 den Bundeskanzler interviewte. Dafür bekam sie eine „Kostenpauschale“ von 1130,50 Euro brutto. Die Regierung will nicht von einem Interview sprechen, sie benutzt die Formulierung „moderiertes Gespräch“. Für die Moderation der Veranstaltung „Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt“ im November 2022 erhielt Zervakis von der Regierung weitere 10.913,81 Euro.

    „Als selbstständige Moderatorin war und bin ich nicht nur für deutsche TV-Sender tätig“, sagte die frühere Tagesschau-Sprecherin. „Ich habe mich zu keiner Zeit von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen und werde diesen Weg auch fortsetzen.“

    Medienexperte über Honorare: Mit Popularität lässt sich Reichweite erzeugen

    „Hat Scholz das nötig?“, fragte dennoch der Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Hendrik Zörner, nachdem die Modalitäten des Kanzler-Interviews bekannt wurden. Es stelle sich, kommentierte Zörner weiter, jenseits der Zahlen die Frage, weshalb überhaupt eine Moderatorin gegen Bezahlung zum Interview verpflichtet worden sei. Schließlich würden sich „auf einen Schlag hunderte Journalisten die Finger danach lecken, den Kanzler interviewen zu dürfen“.

    Medienexperte Trebbe hat eine Antwort. „Wer sich einen Journalisten oder eine Journalistin einkauft, holt sich ja nicht nur Medienexpertise ins Haus, sondern auch Reputation“, sagt er. Zur Reputation gehöre auch Popularität, mit der wiederum lasse sich Reichweite erzeugen. Die Leute, sagt der Professor, würden eben eher zuhören, „wenn da ein Kopf ist, den man schon mal irgendwo gesehen hat.“ 

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