Das Thema ist so wenig neu wie die Ereignisse, die es überhaupt erst dazu gemacht haben. Schon seit dem Jahrhunderthochwasser im Sommer 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wird in Deutschland verstärkt über eine verpflichtende Elementarschadenversicherung diskutiert. Passiert ist allerdings: nichts. Die Überflutungen in Bayern und Baden-Württemberg haben das Thema nun wieder in den Fokus gerückt. Verschiedene Vorschläge liegen auf dem Tisch, über einen davon soll im Bundestag abgestimmt werden. Es ist eine interessante Debatte zu erwarten, denn die meisten Fraktionen sind grundsätzlich für eine Pflichtversicherung bei Gebäudeschäden. Über die Ausgestaltung gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen. Hier eine Übersicht:
Die Sozialdemokraten wollen Versicherer dazu verpflichten, mit jeder Wohngebäudeversicherung eine Elementarschadenversicherung anzubieten. Sie blicken dabei auf Frankreich. Dort gibt es sie seit 1982 (CatNat), sie basiert auf dem Solidarprinzip und hat Verfassungsrang. Die Absicherung gegen Elementarschäden kostet im Schnitt 26 Euro im Jahr pro Wohnung oder Haus. Hierzulande will die SPD die Prämie durch eine „breite und hohe Abdeckung mit Versicherungsverträgen“ niedrig halten. Je mehr Menschen einzahlen, desto weniger entfällt auf den Einzelnen. Der Preis soll auch durch den Verzicht auf eine aufwendige Risikobewertung für jedes einzelne Haus gedrückt werden. Die Versicherung wäre als Nebenkosten-Posten umlagefähig, die SPD will eine „unangemessene Belastung“ von Mietern verhindern. Eine Lösung sucht sie noch.
Union und Linke sind für Pflichtversicherung gegen Elementarschäden
CDU und CSU stellen am Donnerstag einen Antrag zur Elementarschadenversicherung zur Abstimmung, den es bereits seit Herbst 2023 gibt. Die Union will erreichen, dass „im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit einer Elementarschadenabsicherung angeboten wird, die nach Belehrung über die Konsequenzen abgewählt werden kann (Opt-out)“. Die Rückversicherung, also sozusagen die Versicherung für die Versicherungen, soll der Staat mit Steuergeldern übernehmen. Das soll helfen, „die Beiträge akzeptabel zu halten“, wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte.
Die Linke spricht sich ebenfalls für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden aus. Sie fordert die Regierung „daher auf, gesetzlich tätig zu werden“ und sicherzustellen, dass der finanzielle Aufwand für die Versicherungsnehmerinnen in zumutbaren Grenzen gehalten“ wird sowie die Kosten nicht auf Mieter umgelegt werden.
FDP will sich stärker auf den vorbeugenden Hochwasserschutz konzentrieren
Die FDP lehnt eine Versicherungspflicht ab, weil diese „für sehr viele Haushalte mit drastischen, neuen finanziellen Belastungen verbunden“ wäre. FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärte: „Wir können angesichts des Klimawandels nicht verhindern, dass es zu Hochwasser-Situationen kommt. Aber wir können besser vorsorgen.“ Es gelte deshalb, sich stärker auf den vorbeugenden Hochwasserschutz zu konzentrieren“. Er könne, räumte Dürr ein, „nachvollziehen, dass eine verpflichtende Elementarschadenversicherung vernünftig klingen mag, aber Versicherungen schützen nicht vor Schäden“. Mieter und Hausbesitzer wären gerade in gefährdeten Regionen mit erheblichen Versicherungsbeiträgen konfrontiert.
Die Grünen sind ebenfalls für eine Versicherungspflicht. Sie setzen auf Risikoprämien, „damit sich resilientes Bauen und Vorsorge für die Menschen lohnen“. Heißt: Wer unbedingt im Gefahrengebiet bauen will, muss eine höhere Prämie zahlen.
Angst vor Kostenexplosion: Versicherer setzen auf mehr Vorsorge
Die Versicherer fürchten offenbar die hohen Kosten, die auf sie zukommen, und setzen deshalb vorrangig auf mehr Vorsorge, etwa durch Änderungen im baulichen Bereich. Zur Untermauerung warnt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) davor, dass eine Pflichtversicherungslösung „zu explodierenden und letztlich unbezahlbaren Prämien für die Verbraucher, aber auch die Versicherer“ führen würde. Letztere würden sich infolge des Klimawandels Stück für Stück aus dem Markt der Naturgefahrenversicherung zurückziehen oder ihn gänzlich aufgeben.
Der Unions-Antrag wird vermutlich an einen Fachausschuss überwiesen oder mit den Stimmen der Ampel abgelehnt. Der Blick konzentriert sich deshalb auf den 20. Juni. Dann treffen sich die Regierungschefs der Länder mit Kanzler Olaf Scholz. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hat die Ampelregierung zur Einführung einer Pflichtpolice aufgefordert. Sie begründet das mit dem Hinweis, dass die Belastung im Schadensfall sogar existenzbedrohend sein könne und auf jeden Fall höher liege als die Versicherungsprämie.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass selbst in einer Versicherung gegen Elementarschäden nicht alles abgedeckt ist. Schäden durch aufsteigendes Grundwasser werden beispielsweise nicht ersetzt.