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Hintergrund: Zurück ins Land des Holocaust

Hintergrund

Zurück ins Land des Holocaust

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    Die Regisseurinnen des Dokumentarfilms „Back to the Fatherland“ (Zurück ins Vaterland), Katharina Rohrer (links) und Gil Levanon.
    Die Regisseurinnen des Dokumentarfilms „Back to the Fatherland“ (Zurück ins Vaterland), Katharina Rohrer (links) und Gil Levanon. Foto: Galit Rosen Photography, dpa

    Die jüdische Bevölkerung fühlt sich in Österreich im Vergleich zu Deutschland laut einer Studie der EU-Grundrechteagentur mit Sitz in Wien etwas sicherer. Doch auch in Österreich wächst die Zahl antisemitischer Vorfälle. Angesichts dessen erstaunt es, dass sich junge Israelis immer wieder dafür entscheiden, in

    Europas jüdische Bevölkerung sieht sich immer stärker mit Hass, Diskriminierung und Antisemitismus konfrontiert. Das ergab die Untersuchung der Grundrechteagentur. Ein Indiz dafür ist, dass in Paris, Berlin oder Wien Juden in der Öffentlichkeit anstelle der Kippa nicht selten lieber eine Baseballkappe tragen. Sie fühlen sich bedroht; denn die Zahl der judenfeindlichen Straftaten, die die Polizei registriert, ist 2018 gewachsen. In Deutschland stieg die Zahl der antisemitischen Straftaten nach Auskunft der Bundesregierung um zehn Prozent.

    Waren es im Jahr 2017 37 Fälle, so wurden 2018 62 Gewaltdelikte mit antisemitischem Hintergrund angezeigt. 43 Personen wurden dabei verletzt. Die meisten Täter stammen nach Auskunft der Bundesregierung aus rechtsextremen Milieus.

    Die Hauptpersonen im Film sind die Holocaust-Überlebenden Uri und Lea sowie ihre Enkel Guy und Dan. Letztere haben ihre Heimat Israel verlassen und fangen ausgerechnet in Deutschland und Österreich ein neues Leben an – also in jenen Ländern, in denen ihre Großeltern verfolgt wurden.

    Für Holocaust-Überlebende ist es schwer vorstellbar, dass ihre Enkel zurück in das Land ziehen, in dem ihre Familien so sehr gelitten haben. „Doch sie verstehen, dass es auch schwierig und vor allem sehr teuer ist, heute in Israel zu leben“, erklärt Filmemacherin Rohrer. Ein Großvater erklärt im Film, dass der Enkel sich in Deutschland ein besseres Leben aufbauen könne. Falls er in Deutschland bedroht werde, könne er zurück nach Israel kommen. Damit sei er im Vergleich zur Großelterngeneration im Vorteil: „Wir konnten nirgendwohin“, sagt Uri in die Kamera.

    Die Großeltern Uri und Lea sind für den Film noch einmal nach Wien gereist. „Doch viele andere Holocaust-Überlebende lehnen das kategorisch ab“, berichtet Rohrer. Der Großvater ihrer Partnerin Gil Levanon will Deutschland nicht mehr betreten. Mit fünfzehn haben ihn seine Eltern nach Israel geschickt. Er traf sie nie wieder und ist traurig darüber, dass seine Enkelin Israel verlässt und in sein Geburtsland zieht.

    „Die meisten jungen Auswanderer beabsichtigen nicht, für immer in Wien oder Berlin zu bleiben“, erklärt Rohrer. „Irgendwann zieht es sie zurück zur Familie in Israel.“ Doch vorher erleben viele von ihnen eine ähnliche Entwicklung: „Nach einer Phase des Honeymoons am neuen Ort stellt sich irgendwann die Frage nach der eigenen Herkunft und Familiengeschichte. Dann beschäftigen sie sich unweigerlich auch mit dem Holocaust.“

    Rohrer sieht positive Effekte in den Begegnungen zwischen Juden und Nichtjuden, die dann stattfinden. „Junge Israelis lernen hier auch erstmals unbefangen Menschen aus arabischen Ländern kennen. Das gegenseitige Verständnis wächst“, sagt die Wienerin, die auch in New York lebt. Ihr ist es wichtig, dass es im Film keineswegs nur um Antisemitismus geht. „Auch andere Minderheiten sind von Diskriminierung betroffen und erleben Rassismus und Islamophobie“, erklärt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

    Manche Studien führen den Anstieg der Straftaten auf islamischen Antisemitismus zurück. Sie dokumentieren, dass Menschen aus arabischen und muslimisch geprägten Ländern häufig nichts über den Holocaust wissen. In ihren Heimatländern ist Antisemitismus an der Tagesordnung. Der Hass gegen Israel und die Verletzungen durch den Nahostkonflikt sind tief verankert und allgegenwärtig.

    Doch in den Ländern Westeuropas wird der Antisemitismus nach wie vor von Rechtsextremen geschürt. Ein Phänomen, das aus Sicht des Zentralrates der Juden in Deutschland zunimmt.

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