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Hintergrund: Was hat Martin Schulz, was Angela Merkel nicht hat?

Hintergrund

Was hat Martin Schulz, was Angela Merkel nicht hat?

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    CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz treten gegeneinander an.
    CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz treten gegeneinander an. Foto: Olivier Hoselt, dpa-Archiv

    Es sind Sätze, wie sie der kühlen Politikstrategin Angela Merkel niemals über die Lippen kommen würden, schon gar nicht öffentlich. Er „schwitze den Machtanspruch ja aus jeder Pore“, sagte ihr Herausforderer Martin Schulz vor einiger Zeit. Damit meinte der Sozialdemokrat aus Würselen zwar nicht seine Ambitionen auf das höchste deutsche Regierungsamt, sondern den Gestaltungsanspruch des Europaparlaments, das er als Präsident so selbstbewusst wie wohl keiner seiner Vorgänger repräsentiert hat. Doch der Machtwille und Ehrgeiz des 61-Jährigen versetzen die SPD-Anhänger derzeit in einen Begeisterungstaumel, den der Partei viele gar nicht mehr zugetraut hatten. Und die jüngsten Umfragezahlen versetzen die Union in Unruhe.

    Um ganze acht Prozentpunkte legten die SPD-Zahlen im jüngsten „ARD-Deutschlandtrend“ zu. Auch wenn die Partei zuvor als Ausgangspunkt in einem historischen Zustimmungstief von 20 Prozent siechte, ist ein bundesweiter Aufschwung in derart kurzer Zeit für die Partei ohne Beispiel. Vor allem, dass der SPD-Mann die Kanzlerin im Direktvergleich mit 50 zu 37 Prozent links liegen lässt, bringt nach Jahren der Großen Koalition überraschend viel Bewegung in den Wahlkampf. Bislang hatte dies seit der Ära Gerhard Schröder noch kein Sozialdemokrat geschafft.

    Martin Schulz: Flaut die Anfangs-Euphorie bald ab?

    Zwar gelang es beispielsweise auch Peer Steinbrück kurz nach seiner Kür zum Kanzlerkandidat auf 40 zu 49 Prozent an die Kanzlerin heranzukommen, doch kein halbes Jahr später lag Merkel wieder mit 65 Prozent uneinholbar vorn. So versuchen die Strategen der Union den rasanten Schulz-Start als kurzes Intermezzo kleinzureden: „Wenn er konkret werden muss, wird auf den Rausch schnell ein ernüchternder Kater folgen“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Doch allein, dass ein halbes Dutzend Unionspolitiker sich öffentlich zu den Umfragezahlen zu Wort meldet, zeugt von einer Verunsicherung. CDU-Generalsekretär Peter Tauber räumt denn auch ein: „Die Zahlen machen deutlich: Es geht um was, wir müssen geschlossen kämpfen.“

    Noch ist unklar, ob es sich bei dem SPD-Trend um mehr als eine Anfangs-Euphorie handelt. Das sagt auch der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner. „Zunächst spricht aus den Zahlen eine deutliche Erleichterung unter den SPD-Anhängern darüber, dass Sigmar Gabriel auf die Kandidatur verzichtet hat.“ Noch könne niemand sagen, ob der Aufwärtstrend der SPD wirklich stabil ist.

    „Mit Martin Schulz werden derzeit viele Hoffnungen verbunden, aber dieses Bild ist noch nicht gefestigt“, sagt Güllner. Entscheidend für die Bundestagswahl sei, wem die Wähler die größere Kompetenz bei den wichtigen Politikfeldern zubilligen. „Das fehlt der SPD derzeit“, erklärt der Meinungsforscher, „hier liegt die Union in den entscheidenden Bereichen klar vor den Sozialdemokraten“.

    Das Thema „Soziale Gerechtigkeit“, auf das Schulz vor allem setze, reiche bei Weitem nicht aus: „Sonst hätte die SPD mit ihren Forderungen nach Mindestlohn und Rente mit 63 bei der vergangenen Wahl nicht so schlecht abgeschnitten.“ Und trotz gestiegener Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik Angela Merkels gebe es keine allgemeine politische Wechselstimmung, von der die SPD profitieren könne, betont Güllner.

    Politikwissenschaftler sieht Merkel-Müdigkeit in Deutschland

    Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen sieht allerdings eine gewisse „Merkel-Müdigkeit“, wie er es nennt. „Es gibt einen Verdruss über diese Art des Regierens.“ Merkels pragmatischer Stil, ohne ihre Politik wirklich zu erklären und ohne langfristige Ziele zu nennen, nutze sich ab. Schulz sei dagegen ein neues Gesicht in der Bundespolitik: „Man ist neugierig auf ihn, er hat den Charme des Nicht-Etablierten und das ist in einer Zeit, in der das Etablierte so kritisiert wird, ein großer Pluspunkt für die SPD.“

    Hier spreche Schulz die Menschen auch mit seiner Persönlichkeit an. Die politische Auseinandersetzung werde heute wieder emotionaler, strittiger und auch ideologischer ausgetragen: „Das ist ein klarer Vorteil, den Schulz gegenüber der Kanzlerin mitbringt, die nicht emotional ist, nicht den Streit sucht und nicht ideologisiert.“

    Der kommende Wahlkampf werde sich voraussichtlich um die Kernthemen kulturelle Identität und das Thema Sicherheit in allen seinen Bedeutungen drehen. „Die Wähler werden nicht den honorieren, der den größten Wandel verspricht, sondern im Gegenteil, den, der sie am besten vor dem Wandel schützt“, sagt Korte. Entscheidend sei auch der Grad der Unzufriedenheit über die Regierungspolitik: „Am Ende sind die Deutschen immer bereit eine Regierung abzuwählen und nicht eine neue zu wählen.“

    Die Union wiederum wird nun versuchen, ihren Wahlkampf auf Schwächen von Schulz auszurichten. Bislang kontert der Sozialdemokrat Kritik an mangelnder Regierungserfahrung mit dem Hinweis auf seine elf Jahre als SPD-Bürgermeister in Würselen oder, dass auch Barack Obama bei seiner ersten Wahl keine Regierungserfahrung gehabt habe. Dies werde nicht reichen, sagt Forsa-Gründer Güllner. „Die zentrale Frage wird sein, ob die Wähler am Ende der SPD die größere politische Kompetenz zutrauen, die Probleme Deutschlands zu lösen“, betont er. „Wenn Martin Schulz das gelingt, hat er eine Chance Kanzler zu werden. Wenn nicht, wird er im September scheitern.“

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