Verliert CSU-Chef Horst Seehofer den Rückhalt seiner Partei? Ist er, wie manche sagen, ein „Dead Man Walking“? Noch am Montagabend hatte er derlei Zweifel und giftigen Spott zurückgewiesen. „Ich fühle mich jetzt nicht als Dead Man Walking“, sagte Seehofer nach der Sitzung des CSU-Parteivorstands in München und versuchte, gute Laune zu demonstrieren: „Ich fühle mich eigentlich pudelwohl, sauwohl, möchte ich fast sagen. Das kommt bei mir immer so: Wenn’s etwas spannender wird, steigert sich meine Befindlichkeit noch zum Positiven.“ Am Dienstag in Berlin, als ihn die Ankündigung einer weiteren Rücktrittsforderung aus der CSU-Landtagsfraktion erreichte, fiel die Reaktion schon deutlich kritischer aus. Der richtige Ort, derlei Debatten zu führen, sei der Parteitag Mitte November. Alles andere sei nicht hilfreich.
Am Mittwoch ab 8.30 Uhr könnte es in der Sitzung der CSU-Landtagsfraktion spannender werden, als ihm lieb sein kann. Nach dem Hofer Abgeordneten Alexander König hat auch die Fürther Abgeordnete Petra Guttenberger den Rücktritt Seehofers als Parteichef gefordert. Beide wollen, dass Bayerns Finanzminister Markus Söder das Ruder übernimmt. Und sie sind damit offenbar nicht alleine. Weitere Unterstützer Söders befinden sich, wie es heißt, „in Lauerstellung“. Je nachdem wie die Sitzung verläuft, wollen auch sie Farbe bekennen.
Der Unmut über Seehofers Kurs ist gewaltig
Hintergrund der Aufregung ist nach Recherchen unserer Zeitung nicht nur das historisch schlechte Wahlergebnis der CSU. Heftig umstritten sind auch die Fragen, welchen Anteil der Parteichef an den Stimmenverlusten der CSU in Bayern hat und ob er noch der Mann sei, der die CSU 2018 in eine erfolgreiche Landtagswahl führen könne. Der Unmut an der Basis über den Kurs Seehofers, den der Parteivorstand am Montag abgesegnet hat, ist jedenfalls gewaltig. Mit Merkel weitermachen? Und dann auch noch in einer Koalition mit den Grünen? Für viele CSU-Mitglieder kommt das offenbar nicht in Frage.
Seehofer hat, wie berichtet, vorgeschlagen, zunächst Grundsatzgespräche mit der CDU zu führen, um die gemeinsamen Ziele – Obergrenze, Rente, Pflege, Wohnungsbau – zu konkretisieren und die Ergebnisse auf dem CSU-Parteitag im November zur Abstimmung zu stellen. Erst dann sollen Sondierungsgespräche mit möglichen Koalitionspartnern in Berlin geführt werden. Ob die CSU in eine Koalition eintritt, darüber solle dann ein weiterer Parteitag oder gar eine Mitgliederbefragung entscheiden – Anfang 2018, wenn’s gut läuft.
CSU - personeller Neuanfang für das Landtagswahljahr 2018?
Im Söder-Lager gibt es dazu prinzipiell zwei Meinungen. Die einen sagen: Lasst Seehofer mal machen, er wird ohnehin scheitern – an Merkel oder an den Grünen oder zum Schluss an der CSU-Basis. Dann erst sei die Zeit reif für Söder. Die anderen sagen: Es muss jetzt schnell gehen. Die CSU braucht für das Landtagswahljahr 2018 einen personellen Neuanfang. Anders sei die absolute Mehrheit in Bayern dahin.
Hinzu kommen altbekannte Befindlichkeiten. Die Landtagsfraktion fühlt sich als „Herzkammer“ der Partei. Um über das Ergebnis der Bundestagswahl ausführlich diskutieren zu können, wurde der Beginn der Sitzung extra von 10 Uhr auf 8.30 Uhr vorverlegt. Dass Seehofer sich intern darüber beschwert hat, kam bei einigen Landtagsabgeordneten gar nicht gut an. Er sei gut beraten, so hieß es am Dienstag im Fraktionsvorstand, nicht die Konfrontation zu suchen.
Geordneter Übergang von Seehofer zu Söder als Illusion
Die Gegenbewegung, die Seehofer unterstützt, hält eine Revolte gegen den Parteivorsitzenden für höchst gefährlich. Das würde die Position der CSU in Berlin massiv schwächen. „Wer, wenn nicht der Horst“, könnte der Kanzlerin und möglichen Koalitionspartnern Paroli bieten? An der Wahlschlappe der Union seien doch Angela Merkel und die CDU Schuld, weil sie in der Flüchtlingspolitik den Rechten zu viel Raum gelassen habe. Eine Personaldebatte in der CSU würde nur der CDU nutzen. Und überhaupt: Die Jahre 2007 und 2008 hätten doch gezeigt, was es für die CSU für Folgen hat, einen Parteivorsitzenden aus dem Amt zu jagen. Damals wurde Edmund Stoiber gestürzt und die CSU musste sich später im Landtag erstmals seit Jahrzehnten einen Koalitionspartner suchen.
Hinzu komme noch, dass die Forderung nach einem „geordneten Übergang“, der jetzt diskutiert wird, ja nicht bedeuten müsse, dass der Gewinner Markus Söder heißt. Er habe zwar vielleicht in der Landtagsfraktion eine Mehrheit hinter sich, nicht aber bei den Bundestags- und Europaabgeordneten und auch nicht im Parteivorstand. Schon deshalb sei ein „geordneter Übergang“ von Seehofer zu Söder eine Illusion. Ein offener Streit würde statt Ordnung nur Chaos bringen.
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