Jung, laut, rotzfrech und natürlich so richtig links. Im Grund jemand wie Kevin Kühnert – so in etwa lautet das Anforderungsprofil für das Spitzenamt, das gerade beim SPD-Nachwuchs frei wird. Der Parteispitze oder der Bundesregierung mit den radikalen Forderungen der jungen Mitglieder im Nacken sitzen, das ist seit jeher die Jobbeschreibung für die Chefin oder den Chef der Jusos. Als sich der junge Gerhard Schröder noch als „konsequenten Marxisten“ bezeichnete, ärgerte er als Bundesvorsitzender der Jungsozialisten SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Später, als Kanzler, musste er sich von Nachwuchs-Chef Niels Annen „Genosse der Bosse“ schimpfen lassen. Legendär auch die Scharmützel zwischen Ober-Juso Kevin Kühnert und dem pragmatischen Partei-Rivalen Olaf Scholz. Kühnert verhinderte Scholz als Parteichef, unterstützte dann aber dessen Kanzlerbewerbung. Heute ist er es, der als Generalsekretär die Genossen auf Scholz-Linie hält – obwohl viele mit der gerade ziemlich unzufrieden sind. Auch die zahlreichen jungen SPD-Bundestagsabgeordneten – 49 von 206 Fraktionsmitgliedern sind Jusos – musizieren, wenn auch manchmal zähneknirschend, nach Kühnerts Taktstock.
Unter Jessica Rosenthal wurde es still um die Jusos
Zuletzt aber ist es um die Jusos still geworden. Jessica Rosenthal, die Kühnert nachgefolgt war, konnte nie an dessen Öffentlichkeitswirkung anknüpfen. Die Macht im wackeligen Konstrukt Ampel soll nicht gefährdet werden – so beißen sich junge Rebellinnen und Revoluzzer oft auf die Zunge, wenn etwa linke Umverteilungsforderungen an der marktliberalen FDP abprallen. Das soll sich nun ändern – unter neuer Führung. Die 30-jährige Rosenthal erwartet Nachwuchs und hat angekündigt, sich kein weiteres Mal für die Juso-Spitze zu bewerben.
Sarah Mohamed und Philipp Türmer : Zwei Bewerber mit ambitionierten Plänen für die Jusos
Ihre Nachfolgerin möchte Sarah Mohamed werden, bisher neben anderen Stellvertreterin von Rosenthal. Die 31-Jährige kommt aus Bonn und hat Geschichte und Philosophie studiert. Derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro der SPD-Bundestagsabgeordneten Sanae Abdi. „Um Kapitalismus zu bekämpfen, erschienen mir die Jusos die beste Wahl“, sagt sie über die Gründe für ihr politisches Engagement. Denn ob Klimawandel, Sexismus oder Rassismus – alle Probleme ließen sich auf das Grundproblem Kapitalismus zurückführen, sagte sie der taz. Harsch ging Mohamed SPD-Innenministerin Nancy Faeser für deren Pläne an, die Abschiebepolitik zu verschärfen und straffällige Clanmitglieder auszuweisen: „Jetzt zeigt sich, wohin solche rassistischen Erfindungen wie die sogenannte Clankriminalität führen.“ Vor wenigen Tagen hat sich der nordrhein-westfälische Landesverband einstimmig hinter die Kandidatur Mohameds gestellt.
Nachfolge von Jessica Rosenthal: Zweikampf im November
Auf dem Juso-Bundeskongress im November in Braunschweig tritt sie gegen den 27-jährigen Philipp Türmer aus Hessen an, ebenfalls bisher Vize Rosenthals, als deren Favorit er gilt. Der Offenbacher hat Volkswirtschaft und Jura studiert und gibt sich nicht weniger kämpferisch: „Mutige, feministische, linke Politik und Jusos, die diese in der SPD einfordern, werden so sehr gebraucht wie nie.“ Mit der Bundesregierung unter SPD-Führung geht er hart ins Gericht: „Während viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, verstärkt die Ampel mit ihrer marktradikalen Sparpolitik noch die wirtschaftliche Unsicherheit.“ Wie die Wahl auch ausgeht – für Olaf Scholz könnte es anschließend deutlich ungemütlicher werden mit dem politischen Nachwuchs. Er dürfte dennoch gelassen bleiben: Als stramm linker Juso-Bundesvize warb er in den 1980ern mit Herzblut für die Überwindung der kapitalistischen Ökonomie.