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Hintergrund: Die Strippenzieher im Hintergrund: So mächtig sind Staatssekretäre

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Die Strippenzieher im Hintergrund: So mächtig sind Staatssekretäre

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    Hatten ein enges Vertrauensverhältnis: Wirtschaftsminister Robert Habeck und sein inzwischen entlassener Staatssekretär Patrick Graichen.
    Hatten ein enges Vertrauensverhältnis: Wirtschaftsminister Robert Habeck und sein inzwischen entlassener Staatssekretär Patrick Graichen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es gibt einfachere Jobs im politischen Berlin als den, den Philipp Nimmermann in dieser Woche übernommen hat. Der 57-Jährige soll als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ein Gesetz in geordnete Bahnen lenken, das mächtig in Schieflage geraten ist. Das Heizungsgesetz ist eines der wichtigsten Vorhaben der Ampel-Regierung – und eines derjenigen, die tief in den privaten Entscheidungsspielraum der Gesellschaft eingreifen. 

    Dass Nimmermann seine Arbeit unter den Augen der Öffentlichkeit aufnimmt, ist ungewöhnlich und hat einen eher banalen Grund: Sein Vorgänger Patrick Graichen sorgte für einen handfesten Skandal, der Vorwurf der Vetternwirtschaft kostete ihn das Amt. Normalerweise agieren Staatssekretäre hinter den Kulissen, im Rampenlicht stehen die Ministerinnen und Minister, sie stehen mit ihren Namen für Gesetzesvorhaben ein – so wie die Bild-Zeitung das Vorhaben mit dem offiziellen Namen Gebäudeenergiegesetz in "Habecks Heizungshammer" umtaufte. 

    Doch um Details gekümmert hatte sich Graichen: Er erarbeitete das Gesetz zur Befüllung der Gasspeicher, kümmerte sich im Winter um die rechtzeitige Einspeicherung von Gas, und trieb den Bau von LNG-Terminals voran. Ein Krisenjob, den nun Nimmermann übernimmt. Als politische Beamte schaffen Staatssekretäre die Rahmenbedingungen für politische Entscheidungen. Entsprechend groß ist ihre Macht.

    Philipp Nimmermann ist seit dieser Woche neuer Wirtschaftsstaatssekretär.
    Philipp Nimmermann ist seit dieser Woche neuer Wirtschaftsstaatssekretär. Foto: Markus Scholz, dpa

    Staatssekretärinnen und Staatssekretäre stehen in der politischen Hackordnung weit oben, sie sind ranghöchste Beamte in einem Ministerium. Das zeigt sich auch finanziell. Laut Bundesbesoldungsgesetz sind sie in Besoldungsstufe B11 eingruppiert. Dafür sieht die gültige Besoldungstabelle ein Grundgehalt von 15.074 Euro pro Monat vor. Hinzu kommt eine Ministerialzulage von rund 500 Euro. Obwohl sie verbeamtet sind, heißt das keineswegs, dass sie politisch neutral sein müssen. Im Gegenteil: die Ernennung von Staatssekretären ist eine entscheidende Weichenstellung, die Ministerinnen und Minister vornehmen können, um die Stoßrichtung ihres Ministeriums zu steuern. 

    So war es etwa auch bei Verteidigungsminister Boris Pistorius: Kaum im Amt, wechselte er den Staatssekretär aus. Mit Nils Hilmer holte er sich einen engen Weggefährten ins Haus. So war es auch bei Wirtschaftsminister Robert Habeck und seinem inzwischen geschassten Staatssekretär: Graichen stand als ehemaliger Direktor der Denkfabrik "Agora Energiewende" genau für jene Fokussierung auf erneuerbare Energien, die den Grünen für die Energiewende nötig erschien. Er hatte sich auf seinem Feld höchste Reputation erarbeitet. 

    Graichen fehlte die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen

    Allerdings schien Graichen eine Fähigkeit gefehlt zu haben, die an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung von entscheidender Bedeutung ist: die Fähigkeit, Kompromisse auszuhandeln. Beobachter beschreiben, wie er mit seiner harten Haltung immer wieder für Ärger bei seinen Gesprächspartnern gesorgt hatte. Nimmermann, ein Volkswirt, gilt hingegen als eher nüchterner Rechner und Problemlöser. Seine Aufgabe wird es sein, mit Lobbygruppen zu verhandeln. Er wird im Namen von Minister Habeck Konferenzen besuchen, Anhörungen organisieren, sich mit anderen Ministerien absprechen, ist den anderen Mitgliedern des Ministeriums gegenüber bei Abwesenheit des Ministers oder der Ministerin weisungsbefugt. 

    Als etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im vergangenen Jahr während der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) wegen eines positiven Corona-Tests in Washington im Hotel in Quarantäne bleiben musste, war es sein damaliger Staatssekretär Carsten Pillath, der für den Rest der Tagung den Lindner-Tross anführte. Staatssekretäre sind Vertreter und Vertraute. 

    Kritik an hoher Zahl Parlamentarischer Staatssekretäre

    Habecks "Neuer", Nimmermann, ist nicht der einzige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Neben ihm wirken dort Anja Hajduk, Sven Giegold und Udo Philipp – jeder ist mit einem eigenen Aufgabengebiet versehen. Neben den verbeamteten Staatssekretären gibt es Parlamentarische Staatssekretärinnen und -sekretäre, sie müssen Mitglied des Bundestags sein. Ihre Aufgabe ist es, ein Bindeglied zwischen Regierung und Parlament zu bilden, zumindest wird es von der Bundesregierung so vage beschrieben. Im Fall des Wirtschafts- und Klimaministeriums sind es zwei PStS, so das inoffizielle Kürzel: Michael Kellner und Franziska Brantner. In allen anderen Ministerien bewegt sich die Zahl auf einem ähnlichen Niveau.

    Besonders die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre ist dem Bund der Steuerzahler (BdSt) ein Dorn im Auge. Die Ampel hat mit 37 Parlamentarischen Staatssekretären einen Höchstwert aufgestellt – das ist teuer. Denn zusätzlich zum Gehalt kommen die Kosten für Büro, Personal und im Zweifel Dienstwagen. 

    "All das, obwohl aus Sicht des BdSt dieses Amt mehr Kosten als Nutzen stiftet", schreibt der Verband. "Denn die Parlamentarischen Staatssekretäre stehen in den einzelnen Ministerien in harter Konkurrenz zu den beamteten Staatssekretären, die das Ministerium nach innen leiten und damit die eigentliche Arbeit leisten." Der Staatsrechtler Hans Meyer ordnete die Parlamentarischen Staatssekretäre einmal in die "Kaste der parlamentarischen Eunuchen" ein: Eigentlich ist es Aufgabe von Parlamentariern, die Regierung zu kontrollieren – wer aber einem Minister zur Loyalität verpflichtet ist, ist dazu kaum mehr in der Lage. 

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