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Hintergrund: Der Fehlstart der Andrea Nahles

Hintergrund

Der Fehlstart der Andrea Nahles

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    Andrea Nahles und Martin Schulz. In der Partei fragen sich jetzt viele, warum die Chefin der SPD-Fraktion im Bundestag die letztlich grandios gescheiterte Idee unterstützt hat, dass Schulz ins Außenministerium wechselt.
    Andrea Nahles und Martin Schulz. In der Partei fragen sich jetzt viele, warum die Chefin der SPD-Fraktion im Bundestag die letztlich grandios gescheiterte Idee unterstützt hat, dass Schulz ins Außenministerium wechselt. Foto: Oliver Berg, dpa

    Er hat Berlin erst mal verlassen und wird vielleicht nie wieder oben im kleinen Kämmerlein des SPD-Vorsitzenden im Willy-Brandt-Haus nächtigen. Martin Schulz hat gekämpft wie ein Löwe für eine rote Handschrift im Koalitionsvertrag mit der Union. Der SPD-Chef wollte als Außenminister und Vizekanzler der Koalition den Stempel aufdrücken. Demnächst ist er nur noch einfacher Abgeordneter.

    In ihren 155 Jahren hat die älteste Partei Deutschlands wenige so desaströse Wochen erlebt. Schulz schweigt am Wochenende. Dafür meldet sich seine Schwester Doris Harst via Welt am Sonntag zu Wort, wettert gegen die „Schlangengrube Berlin“. „Andrea Nahles, Olaf Scholz und andere machen ihn zum Sündenbock für alles.“

    Womöglich wird Schulz nun nicht erst nach dem SPD-Mitgliedervotum über die Große Koalition den Vorsitz an Andrea Nahles abgeben, sondern bereits am Dienstag. Eigentlich wollten Nahles und Schulz gemeinsam auf sieben Regionalkonferenzen für ein Ja zur GroKo werben. Auch das steht nun zur Disposition. So wie es gerade drunter und drüber geht, fragt sich so mancher, ob der Partei nicht die von Helmut Schmidt gepredigten Sekundärtugenden wie Pflichtgefühl, Berechenbarkeit und Disziplin guttun würden. Statt mit stolzer Brust ob der Verbesserungen bei Pflege, Rente und Bildung, dem Erringen von Finanz-, Außen- und Arbeitsministerium sowie drei weiterer Ressorts bei den 463000 Mitgliedern um eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag mit CDU/CSU zu werben, herrscht Schockstarre.

    Da ist zunächst der grandios gescheiterte Plan des Martin Schulz. Der sah so aus: Er gibt wegen der Debatten um seine Person und des Umfrageabsturzes auf 17 Prozent den Vorsitz nach nur knapp einem Jahr wieder ab, darf sich aber den Traum vom Außenministerium erfüllen. Scheinbar noch unwissend, welchen Proteststurm der Außenministerplan an der Basis auslösen würde, sagte er am Donnerstag der Bild am Sonntag: „Wir sind kein Nonnenkloster, aber wie die Union miteinander umgeht, da kann man schon Mitleid bekommen.“ Mitleid haben nun viele mit Schulz. Denn kurz danach kam via Medien der Frontalangriff des amtierenden Außenministers Sigmar Gabriel, einst waren beide Freunde – jetzt fühlte der sich herausgemobbt.

    Am Freitag erklärte Schulz schriftlich den Ministerverzicht, vor allem aus seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen gab es enormen Widerstand; die Rochade drohte das Mitgliedervotum akut zu gefährden. Geht die am 20. Februar startende Abstimmung schief und kommt es zur Neuwahl, muss die SPD um ihre Existenz fürchten. Außerdem wird das Hin und Her allmählich teuer: Ein Parteitag im Dezember, ein Sonderparteitag, der Koalitionsverhandlungen erlaubte, im Januar. Nun der Mitgliederentscheid. Im Mai erneut ein Sonderparteitag, der Nahles zur SPD-Chefin wählen soll. All das kann bis zu fünf Millionen Euro kosten.

    Der steile Aufstieg und tiefe Fall des Martin Schulz ist Stoff fürs Theater, Stilform: Drama. Nahles und ihr neuer starker Partner Olaf Scholz, der Vizekanzler und Finanzminister werden soll, müssen sich aber fragen lassen, welche Rolle sie beim Schulz-Plan gespielt haben. Sie unterstützten ja die Idee, dass Schulz nach dem Außenministerium greift und Sigmar Gabriel, den beliebtesten SPD-Politiker, ausbootet.

    Dieser machte aus seinem Herzen keine Mördergrube – und nahm sich damit wohl endgültig selbst aus dem Spiel. Vor allem das Instrumentalisieren seiner Tochter wird ihm in der Partei als Boshaftigkeit ausgelegt. „Meine kleine Tochter Marie hat mir heute früh gesagt: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht“, hatte Gabriel der Funke-Mediengruppe gesagt. Ohne diesen gegen Schulz gerichteten Satz wäre es wohl schwerer für Nahles, Gabriel auf das Abstellgleis zu schieben.

    Schulz war 44 Stunden der offizielle Bald-Außenminister. Bevor am Freitag um 14.14 Uhr die Mitteilung des Rückzugs kam. Zwischendurch war Andrea Nahles noch daheim in der Eifel und feierte Karneval. Verkleidet als Clown. Tolle Tage bei der SPD. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Nahles und Scholz haben die Stimmung völlig falsch eingeschätzt – oder sie ließen Schulz ins Verderben laufen, um das unglückselige Kapitel schmerzhaft, aber zügig zu beenden. Aber was kommt jetzt?

    Gabriels haarige Aussage könnte es etwas leichter machen. Als Kandidaten werden jetzt Justizminister Heiko Maas und Familienministerin Katarina Barley gehandelt. Via Focus meldet sich

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