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Hintergrund: Den Volksparteien sterben die Wähler weg und die Jungen kommen nicht nach

Hintergrund

Den Volksparteien sterben die Wähler weg und die Jungen kommen nicht nach

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    Die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verliert Wähler.
    Die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verliert Wähler. Foto: John Macdougall, dpa

    Für die Union waren sie stets so etwas wie das Netz und der doppelte Boden gleichzeitig, eine Gruppe, die alle Abstürze, und waren sie noch so heftig, doch irgendwie abfedern konnte. Egal, in wie vielen Volten, in wie vielen Streitereien sich die Partei auch verlor – auf die älteren Wähler konnte sie sich stets verlassen. Spätestens bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr kam der Schock: Die Union verliert zunehmend auch ältere Wähler in der Generation 60+ an andere Parteien.

    Vor allem die Sozialdemokraten flirteten offensiv mit den älteren Unionswählern. Nun zeigt eine aktuelle Auswertung des Meinungsforschungsinstituts Forsa, dass der Verlust der Kernwählerschaft für die Union noch viel tiefer geht: Sie verliert ihre einstmals große Wählerschaft nicht nur durch Abwanderungen zu anderen Parteien, „sondern vor allem dadurch, dass ihre vielen verstorbenen Wähler nicht durch eine entsprechende Zahl jüngerer Wähler ersetzt werden“, so die Meinungsforscher. Die Wählerschaft wächst also nicht neu nach. Ein Problem, das nicht nur die Union betrifft, sondern in ähnlichem Maß auch die Sozialdemokraten. Sterben die Volksparteien nun im wahrsten Sinne des Wortes aus?

    „Die Union hat zwischen den Bundestagswahlen 2017 und 2021 über eine Million und die SPD knapp 650.000 über 60-jährige Wähler durch Tod verloren“, analysiert Forsa-Chef Manfred Güllner. Demgegenüber steht die Wahlentscheidung der jüngeren Menschen: Von den 18- bis 24-jährigen Erst- und Zweitwählern haben nämlich – das zeigte jüngst die vom Bundeswahlleiter veröffentlichte repräsentative Wahlstatistik – nur 18,6 Prozent (im Westen 19,5 Prozent, im Osten gar nur 13,3 Prozent) eine der beiden großen Parteien gewählt. 81,4 Prozent (im Westen 80,5 Prozent, im Osten 86,7 Prozent) der 18- bis 24-Jährigen haben eine andere Partei oder gar nicht gewählt. „Die Hoffnung von CDU und

    Die Jungen wählen Grüne und FDP

    Bei den weiblichen Erst- und Zweitwählern waren laut Forsa die Grünen mit 20,3 Prozent (bezogen auf alle Wahlberechtigten), bei den männlichen die FDP mit 18,1 Prozent die stärkste Partei. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass die jungen Männer mit ihrer Entscheidung für die

    Bis zu Beginn der 80er Jahre wurden Union und die SPD zusammen zeitweise von über 80 Prozent aller Wahlberechtigten – also nicht nur der Wähler – gewählt. Doch seither hat die Wählerforschung regelmäßig gezeigt, dass die Bindung an eine Partei immer stärker abnimmt, der Anteil der Stammwähler sinkt. „Gerade bei jüngeren Menschen sehen wir ein insgesamt flexibleres Wahlverhalten“, sagt Thorsten Faas, Wahlforscher an der Freien Universität in Berlin. „Die Trends, die eine Wahl insgesamt prägen, treten besonders deutlich bei den Jüngeren zutage.“ Erste Wahlerfahrungen seien auch durchaus prägend, aber „verloren“ sei die jüngere Generation für die Volksparteien sicherlich nicht. „Vieles ist im Fluss, nicht zuletzt Koalitionen“, sagt Faas. Wählerinnen und Wähler würden ständig erfahren, dass Neues ausprobiert werde – und machen das dann mitunter auch selbst einmal. „Zumal schwierige Koalitionen auch rasch zu Enttäuschung mit der eigenen Partei und damit zur Abkehr führen“, so der Wahlforscher. Diese Erfahrung macht gerade auch die neue Ampel-Regierung, die mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen hat. Würde vier Monate nach der Wahl im September letzten Jahres der Bundestag neu gewählt, wäre die SPD laut Forsa wegen des zunehmenden Unmuts über die Arbeit der neuen Regierung und ihres Kanzlers nicht mehr die stärkste politische Partei, sondern die Union.

    Was die Wahlentscheidung beeinflusst

    Untersuchungen unter anderem der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geben einen weiteren Hinweis, warum sich Wahlentscheidungen ändern können. Entscheidend ist dabei weniger das Alter als die eigene Lebenswirklichkeit und die Frage nach der Sozialisierung – selbst das Geschlecht ist wahlentscheidender als das Alter. Mit zunehmendem Verdienst, mit der Gründung einer eigenen Familie etwa werden Rahmenbedingungen wichtiger, die als klassisch konservativ gelten. Abzuwarten bleibt also, ob die Grünen ihre gewachsene Wählerschaft behalten können, wenn die älter wird.

    Überhaupt gibt es auch für die Grünen und die FDP, die mehr junge Wähler haben, einen Haken: Die Jungen lassen sich wesentlich schlechter mobilisieren als die Älteren. Bei den Altersgruppen unter 40 Jahren liege die Wahlbeteiligung laut Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Durchschnitt. Am niedrigsten sei sie bei den 21- bis 24-Jährigen. „Während die Wahl aufgrund der überproportionalen Zahl an Wahlberechtigten bei den älteren Altersgruppen gewonnen wird, besitzt ein gutes Abschneiden bei den Jungwählerinnen und Jungwählern besondere Symbolkraft: Die Partei, die junge Wahlberechtigte früh an sich bindet, gewinnt sie möglicherweise auf Lebenszeit“, schreibt Dominik Hirndorf, Sozialforscher bei der KAS, in seiner Analyse.

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