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Fall Aiwanger: Welche Skandale keinen Rücktritt zur Folge hatten

Hintergrund

Die Geschichte zeigt: Nicht jeder Skandal führt zum Rücktritt

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    Hubert Aiwanger ist nicht der erste Politiker, der in die Kritik gerät. Und die Geschichte zeigt: Nicht jeder Skandal führt zum Rücktritt.
    Hubert Aiwanger ist nicht der erste Politiker, der in die Kritik gerät. Und die Geschichte zeigt: Nicht jeder Skandal führt zum Rücktritt. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Politik ist Macht auf Zeit – nicht jeder des Falles Aiwanger ein Blick zurück auf sie lohnt. Und längst nicht jeder dieser Fälle endete mit dem Verlust des Amtes.

    Joschka Fischer. „Ja, ich war militant“, gesteht der Außenminister Anfang des Jahres 2001, als der Stern schon etwas vergilbte Fotos veröffentlicht, auf denen Demonstranten einen Polizisten zu Boden werfen und auf ihn eintreten. Einer der Straßenkämpfer ist Fischer, der in den Siebzigerjahren in der Frankfurter Hausbesetzerszene aktiv war und nun einräumen muss: „Wir haben Steine geworfen, wir wurden verdroschen, aber wir haben auch kräftig hingelangt.“ Fischer war Mitglied der sogenannten Putztruppe, die als besonders schlagkräftig galt und im Taunus den Guerillakampf übte. Kann der Grüne, obwohl längst vom Staatsverächter zum Staatsmann gereift, mit dieser Vorgeschichte noch Minister bleiben? Er kann, weil Bundeskanzler Gerhard Schröder sich schützend vor ihn stellt. 

    Joschka Fischer
    Joschka Fischer Foto: Markus Scholz, dpa

    Rudolf Seiters. Auf dem Bahnhof im mecklenburgischen Bad Kleinen gerät im Juni 1993 ein Anti-Terror-Einsatz außer Kontrolle. Beim Versuch, zwei Mitglieder der Roten Armee Fraktion zu verhaften, stirbt der als mehrfacher Mörder gesuchte Wolfgang Grams. Nachdem der Spiegel und das ARD-Magazin „Monitor“ behaupten, Grams sei durch die Kugel eines Polizisten regelrecht hingerichtet worden, als er schon wehrlos auf den Gleisen lag, nimmt der damalige Innenminister Rudolf Seiters (CDU) seinen Hut – gegen den ausdrücklichen Willen von Bundeskanzler Helmut Kohl. Die angebliche Staatsaffäre jedoch, in der Seiters mit seiner Entscheidung deeskalierend wirken will, hat es nie gegeben, sondern nur viele Pannen bei der Aufarbeitung des Einsatzes. Heute weiß man, dass Grams sich vermutlich selbst erschossen hat. 

    Rudolf Seiters
    Rudolf Seiters Foto: Maurizio Gambarini (dpa)

    Otto Wiesheu. In der CSU feiern sie ihn schon als Apfel vom Stamm des Franz Josef Strauß, als der Bauernsohn aus Oberbayern 1983 Generalsekretär wird. Ein Mann mit Zukunft in der Partei – bis er sieben Monate später mit 1,99 Promille Alkohol im Blut auf der Autobahn zwischen München und Nürnberg einen Unfall verursacht, bei dem ein Mensch stirbt. Wiesheu tritt als Generalsekretär zurück, behält aber sein Landtagsmandat. In zweiter Instanz wird er zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt. Fünf Jahre später holt ihn der damalige Ministerpräsident Max Streibl als Staatssekretär ins Bildungsministerium, 1993 befördert Edmund Stoiber ihn sogar zum bayerischen Wirtschaftsminister. Das bleibt Wiesheu zwölf Jahre, eher er in den Vorstand der Deutschen Bahn wechselt. 

    Otto Wiesheu
    Otto Wiesheu Foto: Ulrich Wagner

    Hans Modrow. Nach dem Zusammenbruch der DDR werden mehrere Parteifunktionäre der SED für die Fälschungen bei der Kommunalwahl im Mai 1989 vor Gericht zur Verantwortung gezogen – darunter auch der ehemalige Ministerpräsident Hans Modrow, der in der Zeit der sowjetischen Perestrojka als Gesicht einer neuen, offeneren DDR gehandelt worden war. Später kommt noch eine Verurteilung wegen eines Meineides vor einem Untersuchungsausschuss dazu. Trotzdem sitzt der überführte Wahlfälscher Modrow für die damalige PDS, die Nachfolgepartei der SED, vier Jahre im Bundestag und fünf Jahre im Europaparlament. An Rücktritt denkt er nicht. Kurz vor seinem Tod im Februar versucht er noch, den russischen Angriff auf die Ukraine als innerukrainischen Konflikt kleinzureden. 

    Hans Modrow
    Hans Modrow Foto: Oliver Berg, dpa

    Christian Wulff. Es geht um 719,40 Euro. Genauer: um 400 Euro für das Hotel, 110 Euro für den Babysitter und 209,40 Euro für ein Abendessen auf dem Oktoberfest. Indem er diese Kosten für den damaligen Bundespräsidenten übernommen hat, soll ein Filmproduzent sich dessen Unterstützung bei der Finanzierung eines Filmprojekts erkauft haben – der Höhepunkt einer Affäre, in der es auch um die Finanzierung von Wulffs Eigenheim und andere Reisen geht und die im Dezember 2012 im Rücktritt des Präsidenten gipfelt. Am Ende wird Wulff freigesprochen, bleibt aber doch ein Gescheiterter. Hätte die Staatsanwaltschaft nicht dem Druck aus Politik und Medien nachgegeben und das Aufheben seiner Immunität beantragt, sagt er nach dem Urteil, „wäre ich noch im Amt“.

    Christian Wulff
    Christian Wulff Foto: Kay Nietfeld/dpa
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