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Hetze im Internet: Netz-Aktivisten enttarnen in der Region Nachrichtenfälscher

Hetze im Internet

Netz-Aktivisten enttarnen in der Region Nachrichtenfälscher

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    Auf Facebook basteln Nutzer Fotomontagen, um Stimmung gegen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien zu machen (Symbolbild).
    Auf Facebook basteln Nutzer Fotomontagen, um Stimmung gegen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien zu machen (Symbolbild). Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Die Verunsicherung nach den Terroranschlägen von Paris ist groß. Als ob die Angst vor Attentaten noch nicht schlimm genug wäre, sorgen Falschmeldungen im Internet für zusätzliche Verwirrung. Auf Facebook kursierte jüngst ein Bild von einem Bus, der von maskierten Polizisten mit Maschinengewehren und Polizeiautos umstellt war.

    Attentate in Frankreich

    November 2015: Bei zeitlich abgestimmten Attacken in Paris werden mindestens 129 Menschen getötet und 352 weitere verletzt. Erstmals werden dabei in Frankreich Selbstmordattentäter eingesetzt. Auftakt zu den Anschlägen ist eine Explosion in der Nähe des Stadions Stade de France im Norden von Paris, in dem gerade ein Fußballspiel Deutschland-Frankreich stattfindet. Der IS bekennt sich zu den Anschlägen.

    August 2015: Ein schwerbewaffneter Mann eröffnet in einem Schnellzug von Amsterdam nach Paris das Feuer und verletzt zwei Menschen schwer. Der radikale Islamist wird von US-Soldaten überwältigt, die zufällig an Bord des Zuges sind.

    Juni 2015: Ein wegen seiner Kontakte zur Salafisten-Szene bekannter Mann enthauptet seinen Chef und bringt den Kopf neben islamistischen Flaggen am Zaun eines Gaslagers nahe Lyon an. Anschließend bringt er auf dem Industriegelände mehrere Gasflaschen zur Explosion, bevor er von Feuerwehrleuten überwältigt wird.

    Januar 2015: Die Islamisten Chérif und Said Kouachi erschießen beim Anschlag auf die Satire-Zeitung »Charlie Hebdo» zwölf Menschen, darunter mehrere der bekanntesten Zeichner des für seine Mohammed-Karikaturen bekannten Blatts. Ein Komplize von ihnen tötet im Süden von Paris eine Polizistin. Der Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bringt zudem in einem jüdischen Supermarkt der Hauptstadt zahlreiche Menschen in seine Gewalt und tötet vier von ihnen. Bei Polizeieinsätzen werden die drei Islamisten letztlich erschossen.

    März 2012: Der 23-jährige Mohammed Merah erschießt innerhalb von vier Tagen in Toulouse und Montauban drei Soldaten auf offener Straße. Wenige Tage später erschießt er drei Kinder und einen Lehrer einer jüdischen Schule in Toulouse. Am 22. März wird Merah von einer Spezialeinheit getötet.

    Dezember 1996: Bei einem Anschlag auf einen Regionalzug (RER) in Paris sterben vier Menschen. Weitere 91 werden verletzt. Es gibt Ähnlichkeiten zu einer Anschlagsserie vom Sommer 1995.

    Juli 1995: In einem RER am Bahnhof Saint-Michel im Zentrum von Paris explodiert eine Bombe. Acht Menschen sterben, 119 werden verletzt. Der Anschlag wird algerischen Extremisten zugeschrieben. Es ist das blutigste Attentat einer Reihe von Anschlägen in diesem Sommer, bei denen insgesamt acht Menschen sterben und mehr als 200 verletzt werden.

    September 1986: Vor einem Kaufhaus in Paris explodiert eine Bombe - sieben Menschen werden getötet und rund 55 weitere verletzt. Der Anschlag reiht sich in eine Serie von Attentaten eines proiranischen Terrornetzwerks in den Jahren 1985 und 1986 ein. Insgesamt sterben bei diesen Anschlägen 13 Menschen, mehr als 300 werden verletzt.

    Dezember 1983: Zwei Menschen sterben und 34 werden verletzt, als eine Bombe am Bahnhof Saint Charles in Marseille explodiert. Nur wenige Minuten zuvor sterben bei einer Bombenexplosion in einem Hochgeschwindigkeitszug auf der Strecke Marseille-Paris drei Menschen. Zu beiden Anschlägen bekennt sich eine arabische Gruppe mit Verbindungen zu dem Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, besser bekannt als Carlos.

    Juli 1983: Am Turkish-Airlines-Schalter am Flughafen Orly südlich von Paris explodiert ein Sprengsatz, wodurch acht Menschen getötet und 54 verletzt werden.

    August 1982: Bei einem Anschlag auf das Restaurant »Goldenberg» im jüdischen Viertel von Paris werden sechs Menschen getötet und 22 verletzt. Bis heute ist nicht klar, wer für die Tat verantwortlich ist.

    März 1982: Bei einem Anschlag auf einen Zug zwischen Toulouse und Paris werden fünf Menschen getötet und 77 verletzt. An Bord sollte ursprünglich der damalige Pariser Bürgermeister Jacques Chirac sein. Der Terrorist Carlos soll in den Anschlag verwickelt sein.

    Oktober 1980: Vor einer Synagoge in der Pariser Rue Copernic geht eine Bombe hoch - vier Menschen sterben, rund 20 weitere werden verletzt.

    Mai 1978: Palästinensische Terroristen eröffnen am Flughafen Orly das Feuer auf Passagiere, die ein Flugzeug nach Tel Aviv besteigen wollen. Acht Menschen sterben, bei ihnen handelt es sich um drei Angreifer, zwei Polizisten und drei Passagiere. Drei weitere Passagiere werden verletzt. AFP

    Dabei soll es sich um einen Anti-Terror-Einsatz im sächsischen Oederan gehandelt haben, bei dem elf syrische Flüchtlinge verhaftet worden seien. Das behauptet jedenfalls ein Facebook-Nutzer. In seiner Statusmeldung heißt es weiter: „Den Beamten gelang es wohl noch im letzten Moment, einzuschreiten, denn mehrere IS-Kämpfer sollen sich an Bord dieses Busses aufgehalten haben.“ Als Quelle nennt der Verfasser „inoffizielle Angaben“. In drei Stunden teilten den Beitrag mehr als 1200 User.

    Andre Wolf hat sich das Foto genauer angesehen. Der 38-Jährige arbeitet für Mimikama – einem österreichischen Verein, der Falschmeldungen in sozialen Medien aufspürt und auf deren Wahrheitsgehalt prüft. Wolfs Urteil: „Die Fälschungen sind offensichtlich. Der einzige Einsatz, der hier stattgefunden hat, war bei Photoshop.“ Dass er recht hat, zeigt der Vergleich mit dem Originalfoto: Sowohl Polizisten als auch Einsatzfahrzeuge wurden im Nachhinein eingefügt. Das Original zeigte hingegen nur eine harmlose Buspanne.

    Mimikama spürt Falschmeldungen in sozialen Medien auf

    Um die Fakes zu entlarven, arbeitet Mimikama eng mit den Behörden zusammen. Meist entlarvt ein einfacher Anruf bei der Polizei die Falschmelder. Angezeigt werden die Betrüger von Wolf und seinen Kollegen aber nur selten. „Dazu fehlen uns die Kapazitäten“, sagt Wolf. Manche

    Seit der Flüchtlingsdebatte ist die Zahl von Falschmeldungen im Internet rasant gestiegen. Im Mai entlarvte Mimikama nur durchschnittlich zwei Fakes pro Woche. Mittlerweile sind es mehr als zwanzig. Gezielt gestreut von Menschen, die Hass und Hetze schüren wollen. Die Vorwürfe, die gegen Flüchtlinge erhoben werden, sind oft ungeheuerlich und falsch. Sie töten Ziegen, vergewaltigen Frauen oder gehen auf Raubzüge. Warum teilen so viele Menschen solche Falschmeldungen? „Vermutlich weil sie in ihr Weltbild passen“, sagt Wolf.

    Ursprünglich beschäftigte sich die Internetseite mimikama.at mit Verbraucherthemen wie Abo-Fallen oder Phishing. „Wir wollten zeigen, dass nicht alles stimmt, was auf Facebook gepostet wird“, erklärt der studierte Theologe Wolf. Heute helfen ihm und dem Mimikama-Gründer Tom Wannenmacher 15 Ehrenamtliche, die auf Meldungen von Facebook-Nutzern zu allen möglichen Themen reagieren und Fälschungen nachzuweisen versuchen.

    Facebook hilft nur wenig

    Mit dem US-Unternehmen Facebook steht Mimikama mittlerweile in Kontakt. Wolf sagt aber: „Facebook unterstützt uns längst nicht genug. Hetze ist dort einfach nicht das vordringliche Thema.“ Finanziert wird der Verein durch Werbung. Spenden machen einen kleinen Teil der Einnahmen aus.

    Auch der Augsburger Blogger Thomas Laschyk beschäftigt sich mit Falschmeldungen. Kürzlich hat der 23-Jährige auf seiner Internet-Seite „Der Volksverpetzer“ selbst eine Fake-Nachricht veröffentlicht. Bewusst. Laschyk postete ein Bild von Müllbergen. Dazu die Überschrift: „Skandal! Flüchtlinge vermüllen Augsburger Innenstadt.“ Mehr als tausend Nutzer teilten die Meldung binnen weniger Stunden. Darunter auch einige Pegida-Anhänger. Für Laschyk ein Zeichen, dass viele nur Überschrift und Vorspann auf Facebook gelesen haben. Denn die Wahrheit lag einen Klick weiter unter dem Bild: „Danke, dass du diesen Artikel angeklickt hast. Du hättest dich auch aufregen können, ohne mehr als die Überschrift gelesen zu haben. Das stimmt natürlich alles nicht. Kein Flüchtling hat in

    Laschyks Falschmeldung sorgte in den sozialen Netzwerken für Wirbel. Kritiker warfen ihm Schwindel vor. Der Blogger nennt es Wahrheit. „Ich wollte den Menschen einen Spiegel vorhalten. Vielen Leuten fehlt es heute an Medienkompetenz. Sie neigen dazu, nur Inhalte zu glauben, die Freunde auf Facebook oder Twitter teilen.“ Auch SPD-Vizeparteichef Ralf Stegner teilte Laschyks Beitrag. Die Reaktion eines Users: „Glaubt keiner Hetze im Netz, auch den Sprüchen dieses Berufspolitikers nicht!“

    Was können Fake News anrichten und wie sind sie zu erkennen? Darüber spricht der Gründer des Anti-Fake-News-Blogs Volksverpetzer im Podcast "Augsburg, meine Stadt":

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