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Hessen: Warum Hessens CDU-Chef Rhein lieber mit der SPD als den Grünen regiert

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Warum Hessens CDU-Chef Rhein lieber mit der SPD als den Grünen regiert

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    Hessens Grüne um Tarek Al-Wazir werden von CDU-Ministerpräsident vor die Regierungstür gesetzt.
    Hessens Grüne um Tarek Al-Wazir werden von CDU-Ministerpräsident vor die Regierungstür gesetzt. Foto: Arne Dedert, dpa

    Humor hat Boris Rhein: Trotz des politischen Erdbebens, das Hessens CDU-Ministerpräsident mit seiner Koalitionsaussage für die SPD anstelle der Grünen mit Wellen bis nach Berlin auslöst, ist Rhein dabei so locker entspannt, dass er die anwesenden Medienleute mit einigem schauspielerischem Talent foppt. „Haben Sie das Papier schon?“, antwortet Rhein auf die Frage nach den Ministerien der künftigen Regierung. „Gucken Sie mal in Ziffer 11“, sagt er am Pult blätternd. „Da steht es eins zu eins drin: die Ressorts, der Zuschnitt der Ressorts und natürlich auch, wer das Ressort bekommt“, erklärt er mit gespieltem Ernst in die baff überraschten Journalisten-Gesichter. „Quatsch, natürlich nicht, um Gottes Willen“, löst er einen breiten Lachanfall im Pressesaal aus.

    Personalfragen, so wollen es die politischen Gesetze bei Koalitionsverhandlungen, werden immer ganz am Ende geklärt, um nicht dem Ringen um inhaltliche Kompromisse im Weg zu stehen. Doch obwohl die offiziellen Koalitionsverhandlungen noch gar nicht begonnen haben, ist die spannendste Personalfrage der neuen Regierung dennoch geklärt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser wechselt nicht nach Wiesbaden.

    In Berlin wollten viele nicht an ein Ende von Schwarz-Grün in Hessen glauben

    „Ich bleibe Bundesinnenministerin“, erklärt Faeser, zeitgleich, als Rhein in Wiesbaden vor der Presse steht. Faeser hatte als hessische SPD-Landesvorsitzende bei der Landtagswahl Anfang Oktober mit 15,1 Prozent zwar das schlechteste Ergebnis ihrer Partei aller Zeiten in dem Bundesland eingefahren. Doch immerhin hilft sie den Sozialdemokraten erstmals seit 1999 in die Landesregierung.

    Zwar sickerten seit Wochen in Hessen immer wieder Anzeichen durch, die CDU wolle das Land nicht weiter mit den Grünen regieren. Doch zumindest im fernen Berlin wollten dies bis zum Freitag viele nicht glauben: Galten doch die zehn Jahre Schwarz-Grün im Wiesbadener Landtag als Erfolgsmodell. Noch vor zwei Jahren rechneten Umfragen den Grünen sogar Chancen aus, mit ihrem Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir einmal den Ministerpräsidenten zu stellen. Doch schon die Landtagswahl vor einem Monat wurde zum Debakel für Al-Wazirs Grüne: Von einst knapp 20 Prozent stürzten sie auf 14,8 Prozent ab. Nun folgt der Sturz in die Opposition. 

    Boris Rhein setzt auf neue Art von GroKo 2.0 als Anti-Krisen-Koalition

    Landesparteichefs in Hessen machten Koalition klar: Nancy Faeser (SPD) und Boris Rhein (CDU).
    Landesparteichefs in Hessen machten Koalition klar: Nancy Faeser (SPD) und Boris Rhein (CDU). Foto: Boris Roessler, dpa

    Boris Rhein, der vor eineinhalb Jahren das Ministerpräsidentenamt von seinem Vorgänger Volker Bouffier übernahm, wird seit seiner Zeit als früherer Landesinnenminister dem konservativen Flügel der Union zugerechnet. Der 51-Jährige machte die Abwendung von den Grünen hin zur SPD zwar nicht an Inhalten fest, verwies aber auf die ernster werdenden Zeiten.

    „Wir leben in einer Zeit multipler Krisen: Ukraine-Krieg, Hamas-Terror, Preiskrise und Wirtschaftskrise, Migrationskrise“, sagte Rhein. „Natürlich werden uns diese Krisen weiterbegleiten.“ Viele hätten in der Hoffnung auf eine klare Führung die CDU gewählt, die so als stärkste Partei so viele Stimmen erhielt wie SPD, Grüne und FDP zusammen.

    Neuer und alter Regierungschef: Boris Rhein (l) nimmt im Plenarsaal des hessischen Landtags die Glückwünsche seines Amtsvorgängers Volker Bouffier entgegen.
    Neuer und alter Regierungschef: Boris Rhein (l) nimmt im Plenarsaal des hessischen Landtags die Glückwünsche seines Amtsvorgängers Volker Bouffier entgegen. Foto: Arne Dedert/dpa/POOL/dpa

    Auch das Eckpunktepapier, auf das sich CDU und SPD als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen geeinigt haben, beginnt mit Rheins Krisenaufzählung. „Diese Herausforderungen bewältigen wir gemeinsam – oder gar nicht“, heißt es in der Präambel. Beide Parteien eint "seit Bestehen der Bundesrepublik die Bereitschaft zur Übernahme staatspolitischer Verantwortung", wie betont wird. Von Hessen aus strahlt damit zehn Jahre nach ersten der schwarz-grünen Koalition in einem Flächenland unverhohlen das Signal einer neuen Ära der Großen Koalition weit über die Landesgrenzen aus.

    Wie sein Vorgänger Bouffier einst für Schwarz-Grün in der Union stand, so nimmt nun Boris Rhein den Anlauf, sich bewusst in einer Rolle des Vorreiters für eine neue Art von GroKo 2.0 profilieren zu wollen: nicht als aus Not geborenes Parteienbündnis, sondern als bewusste Anti-Krisen-Koalition.

    Boris Rhein sichert sich eine Führungsrolle in der CDU

    In der Frankfurter Allgemeinen gibt Rhein dabei klar die Richtung über Hessen hinaus vor. „Die amtierende Ampel-Regierung“, so schreibt er, „verliert die gesellschaftliche Mehrheit, weil sie ihre politische Mehrheit nutzt, um Minderheiten programmatisch zu überrepräsentieren.“ Deshalb sei es mehr denn je die Verantwortung der Union, aus der gesellschaftlichen Mitte heraus zu führen. Er fordert „ein mutiges Bündnis, das Debatten in die Mitte holt, anstatt sie zu verdrängen“. Die vielen Krisen würden sonst „zu Treibern der Verunsicherung und Vorboten einer drohenden Krise der Demokratie selbst“, warnt Rhein.

    Ob der Hesse damit die große Abneigung vieler Beteiligter in Berlin gegenüber einer Neuauflage des Bündnisses der langen Ära Angela Merkels überwinden kann? Zumindest sich selbst sichert Rhein damit eine Perspektive für eine Führungsrolle innerhalb der CDU. Und schmeichelt der CSU: Rhein nennt sein Regierungsbündnis "christlich-soziale Koalition".

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