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Heizungsgesetz: Um klimaneutral zu werden, müssen Städte Milliarden investieren

Heizungsgesetz

Um klimaneutral zu werden, müssen Städte Milliarden investieren

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    Bei der Sanierung von Bestandsgebäuden kommen auf die Kommunen gewaltige Kosten zu.
    Bei der Sanierung von Bestandsgebäuden kommen auf die Kommunen gewaltige Kosten zu. Foto: Arno Burgi, dpa (Archivbild)

    Noch ist das umstrittene Heizungsgesetz nicht beschlossen, doch längst zerbrechen sich die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden die Köpfe, wie die Klimaziele vor Ort umgesetzt werden sollen. Vor allem aber: wie das bezahlt werden soll. In München zum Beispiel erwartet die Stadträtinnen und Stadträte nach der Sommerpause eine Beschlussvorlage, die es in sich hat: Gewaltige 6,7 Milliarden Euro veranschlagt das Planungsreferat allein für den Sanierungsbedarf von gut der Hälfte der 68.000 Mietwohnungen der beiden städtischen Wohnungsgesellschaften Gewofag und GWG bis zum Jahr 2040. 

    Insgesamt 35.850 der kommunalen Wohnungen müssten „energetisch“ saniert werden, das heißt unter anderem mit neuen Fenstern, Fassadendämmungen, Photovoltaikanlagen und oft neuen Heizungsanlagen ausgestattet werden. Immerhin sind 45 Prozent des kommunalen Wohnungsbestands bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen, bei dem München mehr auf Geothermie setzen will.

    Allein München müsste viermal so viel investieren wie bisher

    Um das vom Bayerischen Landtag im Klimaschutzgesetz festgelegte Ziel zu erreichen, dass Bayern bis zum Jahr 2040 „klimaneutral“ sein soll, also nicht mehr Treibhausgase auszustoßen als Böden, Wälder und Gewässer oder Speicher aufnehmen, müsste sogar noch deutlich mehr investiert werden: Für die beiden Münchner städtischen Wohnungsgesellschaften hieße dies laut dem Gutachten der Stadt, in den kommenden 16 Jahren im Schnitt jedes Jahr 418 Millionen Euro investieren zu müssen – rund viermal so viel wie derzeit ausgegeben wird. 

    „Für Großstädte kommen für die nächsten zehn Jahre Beträge in Milliardenhöhe zusammen, wenn sie Klimaneutralität erreichen wollen – nicht nur durch das Gebäudeenergiegesetz“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. „Das wird selbst für finanziell solide aufgestellte deutsche Städte allein nicht zu schaffen sein“, betont der Städteverbandschef und fordert klare und einfache Förderprogramme von Bund und Ländern.

    München rechnet nach dem von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten nach aktuellem Stand bei den 6,7 Milliarden Euro Sanierungskosten – fast ein Jahreshaushalt der Millionenstadt – gerade einmal mit einer Milliarde Euro an Zuschüssen von Bund und Ländern. Obendrein muss die Stadt ihren eigenen Gebäudebestand von Schulen, Schwimmbädern, Verwaltungsbauten und anderen Immobilien ebenfalls sanieren, zumal Bayern fünf Jahre früher als der Bund die Klimaneutralität erreichen will.

    Kommunen müssten 150 Milliarden Euro für Klimaziele investieren

    Die staatliche Förderbank KfW, über die auch viele Finanzierungsprogramme für Kommunen laufen, rechnet damit, dass die deutschen Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2045 insgesamt 150 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen ausgeben müssen, wobei die Gebäudesanierungen den weitaus größten Anteil ausmachen. Schon jetzt investierten die Kommunen vier Milliarden Euro pro Jahr in den Klimaschutz, nötig wären jedoch mindestens 5,8 Milliarden Euro, heißt es in einer neuen KfW-Studie. „Fraglich bleibt jedoch, wie das finanziert werden kann“, erklären die Experten. „51 Prozent der Kommunen gehen davon aus, dass sich nur ein geringer Teil der erforderlichen Mehrinvestitionen im bestehenden System abbilden lässt.“

    Das sieht auch Städtetags-Geschäftsführer Dedy so. „Bund und Länder müssen dafür sorgen, dass die Städte wieder mehr investieren können“, betont der Kommunalexperte. „Kleinteilige Förderprogramme, die oft mit Ende einer Legislatur auslaufen, helfen nur bedingt.“

    Schon jetzt hätten viele Städte ehrgeizigere Ziele zur CO2-Reduzierung als der Bund. „Klimaschutz ist und bleibt ein bestimmendes Thema in den Rathäusern“, betont Dedy. „Die Städte unterstützen ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 aus dem Heizen mit fossilen Brennstoffen auszusteigen“, betont er. „Klar ist aber auch: Gebäudeenergiegesetz, die Umsetzung einer kommunalen Wärmeplanung, Klimaanpassungsmaßnahmen in den Städten – das alles gibt es nicht zum Nulltarif“, sagt Dedy. „Wie hoch genau die notwendigen Investitionen infolge des Gebäudeenergiegesetzes bei den Kommunen oder den kommunalen Wohnungsbauunternehmen sein werden, lässt sich nicht beziffern“, erklärt er.

    Kommunen fordern Nachbesserungen beim Gebäudeenergiegesetz

    Die Experten der Förderbank KfW, die für ihre Studie unter anderem die Kämmereien aller Städte über 20.000 Einwohner befragt hatten, betonen allerdings, dass schon jetzt absehbar sei, dass die nötigen Investitionen die Kommunen überfordern werden. Von der halben Billion Euro öffentlicher Ausgaben, die bis zur Mitte des Jahrhunderts erforderlich seien, um in Deutschland eine Klimaneutralität zu erreichen, entfielen etwa ein Drittel auf die Kommunen. „Dies alles lässt sich weder finanziell noch personell im bestehenden System bewerkstelligen“, fordern die Förderprogramm-Fachleute eine umfassende Reform der Kommunalfinanzen, um die Herausforderungen des Klimawandels vor Ort meistern zu können. 

    Auch Städtetags-Geschäftsführer Dedy fordert, die gewaltigen Herausforderungen für das Erreichen der Klimaziele zum Anlass für eine Neuordnung der öffentlichen Finanzen zu nehmen. „Wir müssen über einen höheren Anteil der Kommunen am Steueraufkommen reden“, betont Dedy. „Unser Appell an Bund und Länder: Gebt uns die Mittel, unbürokratisch und flexibel, am besten über die Umsatzsteuer.“

    Zunächst müsse jedoch das Gebäudeenergiegesetz nach der parlamentarischen Sommerpause nachgebessert werden. „Wir setzen darauf, dass die Städte für den Ausbau der Fernwärmenetze die nötige Investitionssicherheit bekommen und bei den Fristen und Vorgaben kein zu enges Korsett geschnürt wird“, betonte Dedy. Nachdem sich die Beratung und die Beschlussfassung verzögere, müssten auch die Abgabetermine für die kommunale Wärmeplanung angepasst werden. „Wichtig für uns ist, dass die Fristen für die Wärmeplanung bis zum Jahresende 2026, beziehungsweise für kleine Städte bis 2028 verlängert werden“, forderte der Städte-Vertreter. 

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