Die Revolution im Heizungskeller ist vertagt und Robert Habeck versucht noch nicht einmal mehr, seinen Ärger darüber in diplomatische Sprechhülsen zu verpacken. Der Wirtschaftsminister steht vor einem politischen Trümmerfeld. Auf den letzten Drücker wurde die Beratung des Heizungsgesetzes vertagt. Eigentlich sollte die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), wie das als „Heizungshammer“ geschmähte Vorhaben korrekt heißt, noch vor der Sommerpause ins Parlament. Die beginnt nach dem 7. Juli. Bis dahin gibt es nur noch drei Sitzungswochen. Bei einem Gesetz, das in so vielen Details und selbst innerhalb der Koalition infrage gestellt wird, ist es kaum vorstellbar, dass die ausreichen.
Immerhin 40 Millionen deutsche Haushalte sollen per Gesetz dazu verpflichtet werden, umweltfreundlicher zu heizen. Der Konsens, dass etwas geschehen muss, ist schnell aufgebraucht, seit es um die Umsetzung geht. Seit Wochen versuchen Befürworter und Gegner mit einem Feuerwerk der Zahlen, die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Zurück bleibt eine verunsicherte und staunende Gesellschaft, die spürt: Der Druck im Kessel steigt.
20 Prozent der CO2-Emissionen entfallen auf das Heizen
Tatsächlich drängt die Zeit, zumindest dann, wenn Deutschland sich an seine eigenen Gesetze halten will. Bis 2045 soll das Land klimaneutral sein, so hat es die Bundesregierung im Jahr 2021 beschlossen – bislang hinkt die Republik weit hinter den eigenen Zielen her. Das liegt auch am Wohnbau. 30 Prozent des Energieverbrauchs und 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland entfallen auf das Heizen von Gebäuden. Nach den bisherigen Plänen soll deshalb von 2024 an jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden.
Mussten nicht ohnehin alle wissen, was auf das Land zukommt, weil die Pläne haarklein im Koalitionsvertrag nachzulesen sind? Und sind in der Theorie nicht eh immer alle dafür, das Klima zu schützen? „Das Gesetz geht ans Eingemachte, an das, was den meisten Betroffenen überaus wichtig ist: ihr Eigenheim“, sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. „Die mit dem Gesetz verbundenen Vorschriften und Gebote werden als Eingriff in die persönlichen Lebensverhältnisse gewertet. Das will man nicht.“ Über das, was sie gerade beobachtet, wundert sie sich nicht – und vielleicht sollten sich auch die Parteien daran gewöhnen. Denn der Konflikt, der aktuell geführt wird, dürfte nicht der letzte dieser Art sein. „Sobald Klima- und/oder Umweltschutzmaßnahmen konkret werden und über allgemeine Ankündigungen hinausgehen, eröffnet sich das große Feld der Debatte, was gerecht oder ungerecht ist“, sagt Münch. „Und dann beginnt auch die Abwehr.“
FDP fordert umfassende Überarbeitung des Heizungsgesetzes
Diese Abwehr wird mit harten Bandagen geführt. Die FDP will eine grundsätzliche Überarbeitung des Heizungsgesetzes und ist damit in die Rolle des innerkoalitionären Quertreibers gerutscht – eine Zuschreibung, gegen die sich die Liberalen zu wehren versuchen. „Die Realität ist: Ein neues Gebäudeenergiegesetz hätte schon vor Jahren kommen müssen“, sagt Christian Dürr, Chef der FDP-Fraktion im Bundestag, unserer Redaktion. „Wir holen jetzt nach, was die Union in der Vergangenheit sträflich versäumt hat.“ Dieser Fehler lasse sich aber nicht von heute auf morgen beheben, es brauche praxistaugliche und bezahlbare Lösungen.
Und dabei geht es ihm keineswegs darum, noch mehr Geld vom Staat als Fördermittel zu deklarieren. Technologie-Offenheit ist das Schlagwort der Liberalen, nicht die eine Lösung für alle, sondern viele Wege sollen zum Ziel führen. „Wärmepumpen werden für viele Hausbesitzer eine gute Lösung sein – aber sie passen nun mal nicht überall“, sagt Dürr. Darum wäre es seiner Ansicht nach klug, die vorhandene Infrastruktur klimaneutral zu nutzen, also etwa Biomethan und Wasserstoff in die 500.000 Kilometer Gasleitungen einzuspeisen, die wir in Deutschland haben. „Es wäre der schiere Wahnsinn, dieses Netz vollkommen durch Stromleitungen ersetzen zu wollen – und die Kosten dafür auch noch den Verbrauchern aufzubürden“, sagt der FDP-Politiker. „Uns ist es wichtig, ein wirklich gutes Gesetz zu beschließen – wenn das eine Zeit länger dauert, dann ist es so. Ein schlechtes Gesetz zu beschließen, bloß weil der Sommer bevorsteht, kann ja keine Alternative sein.”
Die Union könnte dem Treiben gelassen zuschauen, doch die Chance ist zu gut, um sie verstreichen zu lassen. Kurzfristig hatte sie für den Mittwoch eine Aktuelle Stunde beantragt. Andreas Jung trat ans Mikrofon. Der CDU-Vize ist einer, dem man abnehmen kann, dass ihm der Klimaschutz am Herzen liegt. „Die Wärmewende ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Jung im Gespräch mit unserer Redaktion, sein Auftritt im Parlament liegt da noch vor ihm. „Aber was da geschieht, ist eine klimapolitische Bankrotterklärung, die Ampel beschädigt den Klimaschutz mit ihrem Hickhack.“
Die Wärmeplanung der Kommunen fehlt noch
Aber steckt die Ampel-Regierung jetzt nicht auch deshalb in so einer schwierigen Klemme, weil es die Vorgängerregierung und damit die CDU versäumt hat, den Bürgern Veränderungen zuzumuten? Haben es nicht die Länder im Norden Europas- die Dänen, Finnen und Norweger - vorgemacht, dass es gelingen kann, sich von Öl und Gas unabhängiger zu machen? „In den skandinavischen Ländern ist dieser Prozess in den 90er Jahren angestoßen worden – bei uns waren seither unterschiedliche Koalitionen an der Regierung beteiligt“, sagt Jung. "Die Frage stellt sich damit allen, auch uns." Aber es sei nicht nichts passiert. Seit 1990 sei der CO2-Ausstoß von Gebäuden bis 2021 um 45 Prozent reduziert worden. „Mit dem Klimapaket haben wir 2021 dann den Prozess beschleunigt." Fördern und Fordern sei dabei der Grundsatz gewesen: Förderung für Öko-Heizungen und CO2-Bepreisung – mit moderatem Einstieg und dann schrittweisem Anstieg. „So wird niemand überfordert, aber es gab das klare Signal, dass sich Klimaschutz auch im Geldbeutel lohnt“, sagt der CDU-Politiker. Die Ampel hingegen sorge mit ihrem Streit für viel Verunsicherung. „Der Gesetzentwurf von Habeck ist gescheitert“, sagt Jung. „Verbesserungen an der Oberfläche reichen da nicht, da muss man vollkommen neu rangehen. Das Gesetz ist inhaltlich verkorkst.“
Jung ist nicht der Einzige, der so denkt. Kerstin Andreae ist Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Sie saß für die Grünen seit 2002 im Bundestag. Von „verkorkst“ würde sie nicht sprechen, aber auch sie tritt auf die Bremse. „Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz hat sich in den vergangenen Wochen viel zu sehr um die Frage einer Verschiebung des Startdatums gedreht. Eine Verschiebung macht das Gesetz aber nicht besser“, sagt sie. „Was wir brauchen, sind substanzielle Verbesserungen, die das Gesetz praxistauglich und umsetzbar machen.“ Das müsse so schnell wie möglich erfolgen. Zu lange dürfe das Gesetz nämlich auch nicht nach hinten geschoben werden, denn sonst seien „Vorzieheffekte“ die Folge. Mit dem technischen Begriff ist das Phänomen erfasst, dass nicht wenige Hausbesitzer jetzt schnell noch in eine neue Gas- oder Ölheizung investieren.
Um das zu vermeiden, kommt es nach Ansicht der Energie-Expertin aber nicht nur auf Geschwindigkeit an, sondern vor allem auf Klarheit. Und dazu gehört auch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, welche Heizung die beste für sie wäre. „Solange aber nicht die kommunale Wärmeplanung der jeweiligen Gemeinde vorliegt, wissen sie nicht, welche Option für sie sinnvoll ist. Fehlinvestitionen könnten die Folge sein“, warnt Andreae. So wäre etwa in Gebäuden, die demnächst über Fernwärme versorgt werden wollen, ein möglicherweise aufwendiger Einbau neuer Heizungen nicht erforderlich. Die Krux: Das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung steht erst im Herbst – frühestens.
„Wir brauchen eine Wärmewende aus einem Guss“, mahnt deshalb die BDEW-Chefin. Nur durch eine ganzheitliche Herangehensweise könne Planungssicherheit für Kommunen, Bürger, Handwerk und Energienetzbetreiber geschaffen, Vertrauen gewonnen und eine Fehlinvestition weitgehend vermieden werden.