Selbst in der Unionsfraktion waren die meisten überrascht über den Coup, der ihrem Kollegen Thomas Heilmann vor dem Bundesverfassungsgericht gelang: Der CDU-Bundestagsabgeordnete bescherte der Ampelkoalition eine Blamage und brachte die noch kurz vor der Sommerpause im Eiltempo geplante Abstimmung über das umstrittene Heizungsgesetz zu Fall. "Wir brauchen ein Tempolimit", betonte Heilmann nun am Freitag im Bundestag. Und damit meinte er nicht die Autobahnen, sondern die Art und Weise, wie in Berlin Gesetze durchs Parlament gepeitscht werden.
Thomas Heilmann: Justizsenator, Werbeagentur-Star, Facebook-Investor
Bis vor einigen Tagen war der Name Thomas Heilmann hauptsächlich in der Berliner Landespolitik ein Begriff, obwohl der 58-Jährige eine schillernde Karriere hinter sich hat. Dass er mit seinem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg hatte, dürfte auch an seiner guten juristischen Begründung liegen: Heilmann war bis 2016 vier Jahre lang Justizsenator von Berlin, als die CDU mit der SPD unter den Bürgermeistern Klaus Wowereit und Michael Müller regierte. Allerdings machte er sich vor seiner politischen Karriere nicht innerhalb der Justiz oder als Anwalt einen Namen, sondern als Unternehmer in der Werbe- und Internetbranche.
Über zehn Jahre lang war er Co-Chef und Mitgründer von Scholz & Friends, einer der bekanntesten deutschen Werbeagenturen, die beispielsweise hinter den Werbekampagnen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ("Dahinter steckt immer ein kluger Kopf") oder des Landes Baden-Württemberg ("Wir können alles. Außer Hochdeutsch.") steht. Parallel machte Heilmann als Investor einstiger Start-ups wie dem Karriere-Netzwerk Xing und dem Spielzeugversand MyToys ein Vermögen, insbesondere mit einer frühen Beteiligung am US-Riesen Facebook, die er 2010 verkaufte.
Thomas Heilmann: Einst erklärte er Angela Merkel das "Neuland"
Die Politik reizte ihn jedoch schon als Jugendlicher: Bereits mit 16 trat Heilmann in seiner Heimatstadt Dortmund in die CDU ein: "In der sogenannten Hauptstadt der Sozialdemokratie zählte man damals zur radikalen Opposition, wenn man sich für die CDU engagierte – das reizte mich", schreibt der Werbemann in seiner Online-Biografie. Ende der 90er Jahre holte ihn die damalige Generalsekretärin Angela Merkel als Berater und machte ihn zum ehrenamtlichen Internetbeauftragten der CDU, wie Heilmann nicht ohne scherzhaften Verweis auf das "Neuland" berichtet, als das die Kanzlerin auch noch gut zehn Jahre später das Netz bezeichnet hatte.
Nun geht der Werber als mahnender Hüter des Parlamentarismus in die Geschichte des Bundestags ein. Vor eineinhalb Wochen stellte er in Karlsruhe seinen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gegen die Abstimmung, sollte der Gesetzentwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage vorher schriftlich vorliegen. Am späten Mittwochabend klingelten dann auf unzähligen Handys die Eilmeldung-Alarme, dass die Verfassungsrichter seinem Antrag im Kern stattgaben: Der Plan der Koalition, das lästige Streitthema vor der Sommerpause rechtzeitig vor den Landtagswahlen abzuräumen, war geplatzt.
Bei drei Viertel aller Ampel-Gesetze Fristen nicht eingehalten
Nun will Heilmann die Zunahme der Eilverfahren bei Bundestagsabstimmungen grundsätzlich in Karlsruhe klären lassen. "Hunderte Seiten Änderungstexte, die eventuell am Freitagabend gemailt, am Mittwoch im Ausschuss und am Donnerstag abschließend im Plenum beraten werden, haben mit parlamentarischer Demokratie nichts mehr zu tun", beklagt Heilmann. In diesem Jahr sollen bereits drei Viertel aller Gesetze der Koalition nicht mit der Einhaltung der gesetzlich und geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Fristen durch den Bundestag gegangen sein. So könne man nicht weitermachen, fordert der CDU-Mann.