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Haushaltspolitik: 424.000.000.000 Euro sind nicht genug: Regierung streitet ums Geld

Haushaltspolitik

424.000.000.000 Euro sind nicht genug: Regierung streitet ums Geld

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    Um alle Haushalswünsche der Ampel-Koalition zu erfüllen, bräuchte es einen ganzen Berg davon
    Um alle Haushalswünsche der Ampel-Koalition zu erfüllen, bräuchte es einen ganzen Berg davon Foto: Patrick Pleul, dpa

    Es wäre im Ampel-Streit über den Haushalt 2024 zur Verdeutlichung der Dimensionen vielleicht hilfreich, würden die zur Debatte stehenden Summen ausgeschrieben und nicht abgekürzt. Also: 476.290.763.000 Euro umfasst der Soll-Haushalt für dieses Jahr. Im Jahr 2021 waren es gar noch rund 80.000.000.000 Euro mehr, im Jahr danach belief sich der Bundesetat auf rund 495.791.475.000 Euro. Zum Vergleich: Frühere Haushalte bewegten sich in etwa bei 300 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner will für 2024 die Schuldenbremse einhalten und geht mit einem Finanzrahmen von etwa 424 Milliarden Euro in die Eckwerte-Beratungen für das kommende Jahr. Auch das ist immer noch eine Menge Geld, reicht aber zur Erfüllung der anstehenden Wünsche bei weitem nicht aus.

    Im Regierungsentwurf zu den Eckwerten für den Bundeshaushalt 2023 sowie zum Finanzplan bis ins Jahr 2026 hatte Lindner noch 415,7 Milliarden Euro für das kommende Jahr sowie 416,9 beziehungsweise 423,1 Milliarden für die Jahre danach eingepreist. Die Nettokreditaufnahme sieht demnach neue Schulden in Höhe von 10,6 Milliarden im kommenden Jahr vor. Für 2025 und 2026 sind weitere Kredite in Höhe von 11,8 und 13,7 Milliarden Euro geplant. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse – sie schreibt eine maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor – könnte damit eingehalten werden.

    Die Vogelgrippe könnte die Schuldenbremse erneut reißen

    Andererseits lässt die Schuldenregel Ausnahmen „für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ zu. Die Vogelgrippe – sie wurde bereits im Herbst von der EU als schwerste jemals erfasste derartige Epidemie in Europa eingestuft – könnte sich zu so einer außergewöhnlichen Notlage auswachsen. Dabei müssen es gar nicht immer Epi- oder Pandemien sein. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sowie die gesamte Regierung sehen sich beispielsweise zunehmend mit Forderungen von Impfgeschädigten konfrontiert. Die Haftung liegt nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bei den Ländern. Die jedoch werden sich, sollte es zu einer Klagewelle kommen, am Bund schadlos halten müssen.

    Lindner kann den Zeitplan für den Bundeshaushalt 2024 nicht einhalten. Die Vorstellung liegen zu weit auseinander.
    Lindner kann den Zeitplan für den Bundeshaushalt 2024 nicht einhalten. Die Vorstellung liegen zu weit auseinander. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Planungsbeschleunigung, Kindergrundsicherung, Gasheizungen, die Energiepolitik insgesamt oder die Verteidigungsausgaben, der Wohnungsbau – die Wunschliste der einzelnen Ressorts ist lang, sie wird immer noch länger, und die FDP mahnt zur Mäßigung. „Ich appelliere an jede einzelne Ministerin und jeden einzelnen Minister, im eigenen Ressort genau zu prüfen, wo noch eingespart werden kann“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Stuttgarter Zeitung. "Auch die Grünen müssen lernen, dass das Geld, das der Staat zur Verfügung hat, dass man damit arbeiten muss, und dass kein Geld vom Himmel fallen wird", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in Berlin. "Die Politik muss mit dem Geld, was zur Verfügung steht, auskommen. Insgesamt muss die Politik sich bescheidener geben." Sein Chef Christian Lindner setzte derweil die für Mittwoch geplante Pressekonferenz zu den Eckpunkten 2024 kurzfristig ab, es wird demnach auch keine Kabinettsbefassung geben. Ein neuer Termin steht nicht fest. Seine Ministerkollegen hatten Zusatzwünsche von 70 Milliarden Euro angemeldet.

    Haushaltsstreit: Die FDP will die Schuldenbremse auf jeden Fall einhalten

    Die Liberalen dringen auf die Einhaltung der Schuldenbremse, seit sie in der Regierung sind. Die hohe Inflation ist nach Lindners Auffassung kein Grund, die Schuldenbremse zu reißen. Wobei sich der FDP-Chef möglichen Ausnahmen nicht verschließt. „Wenn die Lage es erforderlich macht und die Verfassung es erlaubt, dann behalte ich mir diese Ultima Ratio vor“, sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Dies werde er aber nur dann „mitteilen und begründen, wenn es unvermeidlich wäre“. Dieser Punkt ist für Lindner nicht erreicht. Aus seinem Ministerium heißt es, die Eckwerteplanung für 2024 bewege sich weiterhin im Rahmen der vorgegebenen Grenzen. 

    Dabei hat Lindner schon kreativ gerechnet. Die 200 Milliarden Euro für den „Doppel-Wumms“ von Olaf Scholz - den Abwehrschirm für hohe Energiepreise also - baute er geschickt in den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ein. Der ist, wie die zusätzlichen 100 Milliarden für die Bundeswehr, ein Sondervermögen und wirkt sich nicht auf die Schuldenbremse aus. Nächster Trick: Obwohl das Geld 2022 gebucht wurde, fallen die Ausgaben erst 2023 und 2024 an. 

    Lindners Experten verweisen sorgenvoll auf die eingetrübten Konjunkturaussichten. Für dieses Jahr wird zwar noch mit einem Wachstumsplus von 2,3 Prozent gerechnet. Die Mittelfristprojektion für den Zeitraum der Jahre 2024 bis 2026 sieht deutlich schlechter aus. Sie liegt bei jährlich 0,8 Prozent – mit einem ganz dicken Fragezeichen. „Die Prognoseunsicherheit ist aufgrund der Ereignisse sehr stark angestiegen. Auswirkungen dürften sich dabei sowohl im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Dynamik selbst als auch für die Inflation ergeben“, heißt es im Finanzministerium. Voraussichtlich Ende April sollen im Rahmen der Frühjahrsprojektion aktualisierte Daten vorgelegt werden. Gut möglich, dass Lindner die Vorstellung der Eckwerte 2024 bis dahin hinausschiebt. Die Zahlen allerdings werden bis dahin nicht besser werden. Die Chancen auf eine Eindämmung des Ampel-Streits auch nicht.

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