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Haushaltskrise: Kommt das höhere Bürgergeld trotz Milliardenloch?

Haushaltskrise

Kommt das höhere Bürgergeld trotz Milliardenloch?

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    Zum 1. Januar wird das Bürgergeld erhöht.
    Zum 1. Januar wird das Bürgergeld erhöht. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Manchmal hilft ein Blick in die Gesetze. Übers Wochenende forderte die FDP, die zum Jahresanfang geplante Erhöhung des Bürgergeldes zu stoppen. Vor dem Hintergrund des 60-Milliarden-Lochs im Bundeshaushalt sei das eine notwendige Sparmaßnahme, erklärten die Liberalen. Am Montag war der Vorschlag schon wieder Geschichte. Die Erhöhung sei in Gesetzesform beschlossen, erklärte das Bundesarbeitsministerium. Regierungssprecher Steffen Hebestreit ergänzte: „Ich wüsste nicht, dass es innerhalb der Bundesregierung Pläne gibt, an der gesetzlichen Grundlage etwas zu verändern.“ 

    Der Vorstoß der FDP zeigt indes, wie groß die Nervosität in der Ampel gerade ist. Der Haushalt für 2024 hätte schon längst in der Spur sein sollen, stattdessen herrscht weder über das Volumen noch über das weitere Vorgehen Einigkeit.

    Um welche Summe geht es?

    Es geht um etwa 4,3 Milliarden Euro. In diesem Volumen wird der Bundeshaushalt im kommenden Jahr durch die Erhöhung des Bürgergeldes zusätzlich belastet. Etwa 5,5 Millionen Berechtigte erhalten ab Januar höhere Leistungen. So steigt beispielsweise der Satz für Alleinstehende um 61 auf 563 Euro im Monat – eine Erhöhung um über zwölf Prozent. Das Kabinett hat die Erhöhung am 13. September per „Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2024" beschlossen. Sie könnte nur durch eine Gesetzesänderung rückgängig gemacht werden. In die Berechnung der Regelsätze fließen unter anderem die Preise für Lebensmittel ein, die sich bekanntlich um einiges erhöht haben. Das Bürgergeld sichert all denjenigen ein menschenwürdiges Existenzminimum, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können. Das gilt im Übrigen auch für Menschen, die arbeiten gehen, aber wenig verdienen, oder für Ältere mit einer schmalen Rente

    Was schwingt im Hintergrund mit?

    Bei der Debatte über das Bürgergeld geht es auch um den Wert der Arbeit an sich. Kritiker wie die FDP und die Union monieren, dass sich Arbeit für bestimmte Berufsgruppen nicht mehr lohnt, weil das Bürgergeld viel zu hoch sei. Parallel dazu wird die Debatte geführt, wie Bezieherinnen und Bezieher von Sozialleistungen schneller wieder in Arbeit gebracht werden können, wenn sie dazu in der Lage sind. Da sind die Parteien gar nicht so weit auseinander, wie es den Anschein hat. So ist es für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zwar „moralisch unverantwortlich und mit der Verfassung nicht vereinbar“, die Regelsätze im Bürgergeld nicht zu erhöhen. Andererseits dringt auch der SPD-Politiker darauf, den Druck auf Menschen zu erhöhen, die zwar arbeiten könnten, es aber nicht wollen. 

    Wie reagieren die Sozialverbände?

    Die Chefin des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, nahm vor allem die Argumentation der Union aufs Korn. „Dass die sinkende Inflationsrate nun von gewissen Akteuren als Argument gegen die Regelsatzanpassung herangezogen wird, ist einfach unsachlich“, sagte sie unserer Redaktion. Es sei zwar richtig, dass die Inflation inzwischen niedriger sei. „Die Preise steigen nicht mehr ganz so drastisch, aber: Sie steigen und das Preisniveau bleibt hoch“, ergänzte sie. Es sei keineswegs auszuschließen, dass manche Menschen gar nicht in Arbeit vermittelt werden wollten. „Aber genau diese Menschen müssen auch zu Recht Sanktionen befürchten.“ Engelmeier verwies darauf, dass mehr als 1,2 Millionen Menschen Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen. „Diese Menschen beziehen eine Rente, die nicht zum Leben reicht, oder sie können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten.“ Sie hätten „keinerlei Chance mehr, sich aus ihrer Armutslage zu befreien und ihnen wollen Teile der Politik nun zumuten, unterhalb der Existenzminimumgrenze zu leben. Dagegen werden wir kämpfen.“

    Wo könnte stattdessen gespart werden?

    Auf diese Frage gibt es innerhalb der Ampel noch keine Antwort. Finanzminister Christian Lindner hat das Loch im Haushalt mit 17 Milliarden Euro beziffert. Selbst hinter dieser Summe steht noch ein Fragezeichen, denn der FDP-Politiker hat nicht erklärt, wie er darauf kommt. Ein Blick auf das Ressort von Verkehrsminister Volker Wissing und die Deutsche Bahn verdeutlicht die Dimensionen, um die es geht. Lindners Parteifreund wollte eigentlich 25 Milliarden Euro in die DB pumpen, je zur Hälfte in Projekte sowie in eine Eigenkapitalerhöhung. Das Geld steht zur Disposition.

    Wie geht es weiter?

    Die Debatte über das Bürgergeld kommt für die Ampel auch deshalb zur Unzeit, weil am Wochenende in Berlin der SPD-Bundesparteitag ansteht. Es geht beim Bürgergeld um ein Kernanliegen der SPD und damit um die Frage, ob und wieweit sich die größte der drei Regierungsparteien von den beiden kleinen Partnern ihren Kurs diktieren lässt. Die Sozialdemokraten würden die Veranstaltung gerne befreit vom Streit über die Bühne bekommen. Die Chancen, dass das gelingt, stehen Fifty-fifty. Ein Szenario könnte sein, dass sich die Koalitionsspitzen in der Nacht zu Mittwoch auf einen Haushaltsentwurf für 2024 einigen. Das Kabinett könnte danach beschließen und das parlamentarische Verfahren einleiten. Denkbar ist jedoch auch, dass sich der Streit zunächst bis Mitte Januar 2024 zieht. Dann tritt der Bundestag wieder zusammen und könnte die entsprechenden Beschlüsse fassen. Denn das letzte Wort in Sachen Haushalt, das geht in der aufgeregten Debatte manchmal unter, hat immer noch das Parlament. 

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