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Haushaltskrise 2025: Wie tief sind Lindners Löcher?

Steuerschätzung

Diese vier Hindernisse machen einen soliden Haushalt praktisch unmöglich

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    Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner muss sich wohl auf Haushaltslöcher einstellen.
    Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner muss sich wohl auf Haushaltslöcher einstellen. Foto: Anna Ross, dpa

    Manchmal mag es für das politische Spitzenpersonal in Berlin beruhigend sein, ein paar tausend Flugkilometer Abstand zur Hauptstadt zu bekommen. Christian Lindner nimmt in Washington an der Jahrestagung von IWF und Weltbank teil, da ist der Finanzminister weit weg von nervigen Themen wie Haushaltslöchern, Steuerschätzungen und Minderwachstum. In diesem Jahr allerdings bringt selbst ein USA-Trip keine Entspannung. Denn die Krisen und Probleme, die den Finanzminister in der Heimat in Atem halten, bilden sich auf der Welt ebenso ab. So hat IWF-Chefin Kristalina Georgiewa bereits angekündigt, dass mit trüben Aussichten für die Weltwirtschaft und einem auf mittelfristige Sicht schwachen Wachstum gerechnet werden muss. Für den deutschen Minister ist das eine Hypothek mehr. Ende November soll der Haushalt für das Jahr 2025 unter Dach und Fach sein. Selten war der Weg dahin so sehr mit Hindernissen belegt.

    Wie schlecht fällt die Steuerschätzung aus?

    Am Donnerstag wird das Ergebnis der Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzung verkündet. Das Gremium unter der Leitung des Finanzministeriums tagt zweimal im Jahr und schätzt die Höhe der aktuellen Steuereinnahmen sowie die der folgenden vier bis fünf Jahre. Die Prognose ist eine der wichtigsten Größen für den Haushalt, der sich bekanntlich vor allem aus Steuern speist. Bereits bei der letzten Schätzung im Mai hatten sich die Experten nach unten korrigiert, der Bund musste ein Minus von 41,6 Milliarden Euro bis 2028 einpreisen. Am Donnerstag könnte sich erneut eine große Lücke auftun. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrer Gemeinschaftsdiagnose vom September für dieses und nächstes Jahr bereits ein um 25 bis 30 Milliarden Euro höheres Defizit prognostiziert als noch im Frühjahr. Die Wirtschaftsaussichten sind mies, Ressortchef Robert Habeck reduzierte die Wachstumsprognose für das laufende Jahr um 0,5 Punkte auf minus 0,2 Prozent. Weniger Wachstum führt in der Regel zu weniger Steuereinnahmen.

    Wie groß ist das Haushaltsloch?

    Am 14. November findet die sogenannte Bereinigungssitzung statt, in der die strittigsten Fragen zum Haushalt möglichst geklärt werden. Vor Mitternacht sind diese Sitzungen eigentlich nie beendet, in diesem Jahr werden sie wohl bis in die Morgenstunden dauern. Denn die Ampel muss offenbar ein noch gewaltiges Loch stopfen. „Schon jetzt klafft im Haushaltsentwurf tatsächlich eine Deckungslücke von gut 40 Milliarden Euro und die Bundesregierung hat wegen völliger Uneinigkeit keinen Plan, wie sie dieses Loch schließen will“, sagte der CSU-Finanzexperte Sebastian Brehm unserer Redaktion und ergänzte, die neue Steuerschätzung dürfte die Finanzlage weiter verschärfen „und damit auch die Spannungen in der Koalition“. Deren Ausgabenwünsche sind in der Tat vielfältig: Fast alle Ressorts, beispielsweise das Verteidigungsministerium von Boris Pistorius (SPD), wollen mehr Geld, als ihnen Lindner bisher zugestehen kann. „Wäre Herr Lindner ein verantwortungsbewusster Finanzminister, hätte er längst die Reißleine gezogen. Stattdessen hat er sich als willfähriger Finanzier rot-grüner Schuldenwunschträume betätigt“, kritisierte Brehm.

    Was bedeutet die Konjunktur für die Schuldenbremse?

    Die schwache Konjunkturentwicklung wird sich vermutlich auch auf die Schuldenbremse auswirken. Lindner dürfte deren sogenannte Konjunkturkomponente ausreizen, die als Reaktion auf eine schwache Wachstumsentwicklung eine höhere Kreditaufnahme erlaubt. Etwa fünf Milliarden Euro mehr könnte das bringen, die Nettokreditaufnahme läge dann bei rund 56,5 Milliarden Euro. In der Gesamtrechnung droht der einstige Klassenprimus Deutschland die EU-Regel zu verletzen, wonach der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Berlin liegt knapp drüber und riskiert ein Strafverfahren. Um Druck aus dem Kessel zu nehmen und eine Blamage zu verhindern, will Lindner deshalb bei der EU-Kommission mehr Zeit für die Anpassung der Ausgaben beantragen: Eine siebenjährige Projektion soll an die Stelle des bisherigen Vier-Jahres-Plans treten.

    Reißt Karlsruhe ein weiteres Loch in den Haushalt?

    Das Bundesverfassungsgericht beginnt am 12. November mit der Verhandlung über die Klage mehrerer FDP-Abgeordneter gegen die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags für die oberen zehn Prozent der Einkommen. Sollte Karlsruhe den „Rest-Soli“ einkassieren, würden auf Schlag knapp 13 Milliarden Euro im Haushalt 2025 fehlen. Eine rückwirkende Entscheidung ist möglich, der Staat müsste schlimmstenfalls 65 Milliarden Euro zurückzahlen. Für Lindner und die Ampel wäre das ein Fiasko.

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    1 Kommentar
    Richard Markl

    Ich denke Lindner hätte sich die Flugkosten sparen können. Ratschläge des IWF nimmt er eh nicht an. Lt. IWF wäre es besser für Deutschland auf wachstumsfördernde Investitionen zu setzen statt auf die strikte Einhaltung der Schuldenbremse. Natürlich muss man auch zu Einsparungen kommen. In der Ampelkoalition wird man zu keiner wirklich guten Lösung kommen. Es streben die einzelnen Parteien, mittlerweile einfach in verschiedene Richtungen, schon aus Prinzip. Schnelle Neuwahlen wären so mehr als angebracht. Dass man sich am Besten in eine langanhaltende Rezession und Stagnation hineinspart gibt die herrschende Meinung in der Volkswirtschaftslehre jedenfalls nicht her. Nicht einmal Merkel hat das 2009/2010 gemacht.

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