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Bundes-Haushalt 2024: Wo kann Deutschland sparen, wo nicht?

Haushalt

Wo kann Deutschland sparen – und wo nicht?

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    Fast alle führenden Wirtschaftsexperten mahnen an, die Bundeswehr stärker zu unterstützen und geplante Gelder auch wirklich auszugeben.
    Fast alle führenden Wirtschaftsexperten mahnen an, die Bundeswehr stärker zu unterstützen und geplante Gelder auch wirklich auszugeben. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es ist ein politisches Mittel, das in den vergangenen Jahren immer wieder herangezogen wurde: Probleme – egal ob sie durch eine Pandemie oder durch einen Krieg auf europäischem Boden verursacht sind – werden durch einen finanziellen Kraftakt des Staates zumindest gelindert. Inzwischen sind die Spielräume deutlich eingeschränkt, die Bundesregierung muss sparen. An diesem Mittwoch soll der Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 beschlossen werden. 

    Der Kompromiss, der gefunden werden muss, ist schwierig. Und doch nur ein erster Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Jahren zum Normalfall werden könnte: Verteilungskämpfe zwischen den Ministerien und damit auch zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Familie oder Bundeswehr? Soziales oder Klimaschutz? Digitalisierung oder Kindergrundsicherung? Wo aber kann Deutschland sparen – und wo sollte es noch mehr investieren? Wir haben führende Wirtschaftsexperten um eine Einschätzung gebeten.

    Veronika Grimm ist Wirtschaftsweise und berät in dieser Eigenschaft auch die Bundesregierung.
    Veronika Grimm ist Wirtschaftsweise und berät in dieser Eigenschaft auch die Bundesregierung. Foto: Hannes P Albert, dpa

    Wirtschaftsweise: Veronika Grimm ist eine von fünf Wirtschaftsweisen in Deutschland, berät in dieser Funktion auch die Regierung. Alle direkten und indirekten Subventionen für fossile Energieträger (also Kohle, Gas, Öl) sollten, so Grimm, auf den Prüfstand gestellt werden. Sie empfiehlt, besser in grüne Energien zu investieren, etwa in die Beschaffung von Wasserstoff aus Ländern weltweit. „Hier sind zwar etwa vier Milliarden vorgesehen, aber das wird nicht ausreichen, um die notwendige Dynamik auszulösen“, sagt die Expertin. „Ist man hier nicht erfolgreich, so dürfte es zu Abwanderungen kommen und somit auch zu geringeren Steuereinnahmen in der Zukunft.“ Entscheidungen haben also Folgewirkungen auf den Wirtschaftsstandort. 

    Ihr Einspar-Vorschlag: „Wenn man Klimaschutz stärker über den Emissionshandel und ein Klimageld organisieren würde, könnte man sich eine Menge sehr aufwendiger Förderprogramme sparen, bei denen es zwangsläufig Mitnahmeeffekte gibt und die auch aufgrund des großen administrativen Aufwands hohe Personalkosten verursachen.“ In den Bereichen Bildung und Verteidigung seien hingegen zwingend Mehrausgaben erforderlich. Bildung sei zwar Ländersache. „Aber wir müssten uns wirklich etwas einfallen lassen, um die Bildungsgerechtigkeit zu erhöhen“, sagt sie. „Gerade nach der Corona-Pandemie und angesichts des Fachkräftemangels, der auf Deutschland zukommt, passiert da bei weitem nicht genug.“ 

    Niklas Potrafke ist Leiter des Ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie.
    Niklas Potrafke ist Leiter des Ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie. Foto: LMU

    Ifo-Institut: Sein Thema sind die öffentlichen Finanzen, und da ist die Haltung von Niklas Potrafke klar: „Im Bundeshaushalt wird zu viel für Transfers ausgegeben“, sagt er. Das seien vor allem die Zuschüsse in die Sozialversicherungen, insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung. Allein im Jahr 2023 beliefen sich die Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung auf 112 Milliarden Euro – die Zahl steigt seit Jahren. „Priorisieren sollten wir Ausgaben für öffentliche Güter, von denen alle Bürger etwas haben“, sagt der Wirtschaftsexperte. Dazu zählt er etwa Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Verteidigung. „Dass wir bei der Bundeswehr Nachholbedarf haben, wissen wir schon seit einigen Jahren“, mahnt Potrafke. „Außerdem haben wir uns 2014 beim Nato-Gipfel in Wales verpflichtet, zwei Prozent unseres BIPs für Verteidigung auszugeben. Davon sind wir noch weit entfernt, sollten uns aber an das halten, was wir zugesagt haben.“

    Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
    Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Foto: Annette Riedl, dpa

    Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Hart ins Gericht mit der Bundesregierung geht Marcel Fratzscher, Präsident des DIW. „Der Bundeshaushalt 2024 ist eine Mogelpackung, da er mit vielen Tricks versucht, die Schuldenbremse wieder einzuhalten, er bricht aber gleichzeitig einige Versprechen des Koalitionsvertrags“, sagt er. „Der Bundeshaushalt wird den riesigen Herausforderungen Deutschlands nicht gerecht.“ Es bestehe ein großes Defizit an öffentlichen Investitionen, das durch diesen Haushalt nicht adressiert wird. Besonders ein Thema ärgert Fratzscher: Dass Finanzminister Christian Lindner die eigentlich vereinbarte Kindergrundsicherung ausbremst. Wie die finanziert werden soll, ist nach wie vor unklar. Die Kindergrundsicherung soll eigentlich Leistungen wie das Kindergeld, das Kinder-Bürgergeld, den Kinderzuschlag und solche aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket zusammenführen. 

    „Der Bundeshaushalt ist unsozial, weil er dringende Prioritäten wie die Kindergrundsicherung auf Sparflamme halten will und damit verhindert, dass die Kinderarmut deutlich sinken kann“, sagt Fratzscher. Und noch etwas stört ihn: Der neue Bundeshaushalt lasse eine strategische Ausrichtung vermissen, wie die Bundesregierung die wirtschaftliche, ökologische und soziale Transformation erfolgreich bewältigen wolle. „Er ist eine verpasste Chance“, sagt der Ökonom. „Langfristig werden die fehlenden Investitionen zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und damit des Wohlstands in Deutschland führen.“

    Martin Beznoska vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
    Martin Beznoska vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Foto: IW

    Institut der deutschen Wirtschaft: Martin Beznoska, Ökonom beim IW, rät zu einem Blick auf die Unterstützungsleistungen. „Der Bund hat in der Pandemie und seit dem letzten Jahr infolge der starken Preisanstiege seine Ausgaben erheblich gesteigert, um die Folgen der Krisen für private Haushalte und Unternehmen abzufedern“, sagt er. Hier könne nun gespart werden. „Konkret geht es zum Beispiel darum, das Kurzarbeitergeld zu beenden und auch pandemiebedingte Zuschüsse ins Gesundheitssystem zu reduzieren“, sagt der Experte. Auch kleinere Posten wie die ermäßigte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen, in der Gastronomie und im Kulturbereich würden sich summieren. 

    „Das führt zu einer Vergünstigung in Höhe von kumuliert rund acht Milliarden Euro, von denen die Hälfte auf den Bund entfällt“, sagt er. Außerdem sei der Beschäftigungsaufbau in den Ministerien und der Ausbau des Kanzleramts kritisch zu hinterfragen. Richtig seien die Sondervermögen, etwa für Militärausgaben, die neben dem regulären Haushalt laufen. Dies sei richtig, da in diesen Themenbereichen Nachholbedarf liege. „Aber die Mittel müssen auch eingesetzt werden und hierfür braucht es effiziente Genehmigungsverfahren und eine fähige Verwaltung, die die Investitionsprojekte umsetzen kann“, so sein Appell.

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