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Habeck zieht mit seinen Aussagen Zorn eines Müllers auf sich

Energiekrise und Inflation

Habeck zieht mit seinen Aussagen den Zorn eines Müllers auf sich

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    Für Bäckereien wird es in der aktuellen Krise eng.
    Für Bäckereien wird es in der aktuellen Krise eng. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Was als sehr sachliches Gespräch über die vielfältigen Ursachen der steigenden Brotpreise beginnt, endet in der Wutrede eines Müllers. Es ist der grüne Wirtschafts- und Energieminister, der Alexander Engelhard so in Rage bringt. "Robert Habeck ist gerade dabei, dem Müller- und Bäckerhandwerk den Todesstoß zu versetzen. Er hat sich als völlig ahnungslos erwiesen und sollte sofort zurücktreten", sagt der Mühlenbesitzer und CSU-Bundestagsabgeordnete.

    Leere Regale und Backformen stehen in einer Bäckerei: Viele Bäcker bangen angesichts der Energiepreis-Explosion um ihre Existenz.
    Leere Regale und Backformen stehen in einer Bäckerei: Viele Bäcker bangen angesichts der Energiepreis-Explosion um ihre Existenz. Foto: Harald Tittel, dpa

    Gegenüber unserer Redaktion wirft er der Bundesregierung "schlechtes Krisenmanagement" vor, wenn sich das nicht ändere, drohe vielen familiär geführten Bäckereien angesichts explodierender Energiepreise bald das Aus. "Da werden nicht nur Existenzen und alte Traditionen ausgelöscht. Das wäre auch für die Lebensqualität im ländlichen Raum ein riesiger Rückschlag." Denn in vielen Dörfern sei der Bäcker die letzte noch verbliebene Einkaufsmöglichkeit, wichtig gerade für ältere Menschen. Nicht zuletzt befürchte er "das Ende der deutschen Brotkultur, die mit ihren mehr als 3000 Gebäcksorten zum immateriellen Welterbe der Unesco zählt." Diese Vielfalt sei in großer Gefahr: "Dann gibt es nur noch Einheitsbrot und Standardbrezeln."

    Warum das wichtige Lebensmittel Brot immer teurer wird

    Im Parlament kann wohl keiner genauer erklären, warum Brot als eines der wichtigsten Lebensmittel gerade immer teurer wird, als der 49-jährige Neuling aus Schwaben. Engelhard ist gelernter Müller und studierter Wirtschaftsingenieur. Im Landkreis Neu-Ulm betreibt er eine idyllisch am Flüsschen Roth gelegene Mühle, die sich seit 1413 in Familienbesitz befindet. Mit seinem Mehl aus dem Getreide, das er nach eigenen Angaben zum Großteil von Biobauern aus der Region bezieht, beliefert er den Lebensmittelhandel und viele Bäckereien. Aus vielen Gesprächen wisse er, wie groß die Sorgen sind, die Landwirte, Müller und Bäcker derzeit umtreiben. Er skizziert, wie Russlands Überfall auf die Ukraine sowohl Energie als auch Getreide knapp und teuer gemacht hat. Wie sehr den Landwirten die explodierenden Preise für alles, vom Treibstoff für den Traktor bis zum Dünger für den Acker, zu schaffen machen.

    Auch die aktuell hohen Getreidepreise könnten die Erzeugungskosten kaum ausgleichen. "Fallen die Weltmarktpreise, werden viele Bauern in schwerste Existenznöte geraten", fürchtet er. Bei den Mühlen sei der Strom neben den Getreidepreisen ein entscheidender Kostenfaktor. Für eine mittlere Mühle betrage die Stromrechnung bislang rund eine Million Euro im Jahr, das droht sich jetzt zu vervierfachen. "Das kann keiner stemmen", sagt er.

    Die Bäcker sind in Energie-Nöten

    Dramatisch sei die Situation bei den Bäckern: Die Öfen würden mit Strom oder Gas betrieben und das drohe jetzt um ein Mehrfaches teurer zu werden. Hinzu kämen höhere Lohnkosten und Kunden, die selbst sparen müssten und auf günstigere Backwaren aus dem Supermarkt ausweichen.

    Doch dann gehen die nüchternen Ausführungen des bedächtigen Müllers nahtlos über in eine Abrechnung mit der Politik der Ampel-Regierung. Die habe den Schlamassel zwar nicht verursacht, das sei der russische Präsident Putin gewesen. Doch beim Umgang mit der Krise lasse der Wirtschaftsminister von den Grünen das Lebensmittelhandwerk im Regen stehen. "Wenn Habeck so weitermacht, wird ein großer Teil der kleineren und mittleren Bäckereibetriebe spätestens im kommenden Frühjahr schließen müssen. Und zwar für immer. Die hören nicht einfach für ein paar Monate auf zu backen und fangen dann wieder an, wie sich das der Minister vorstellt." Noch immer sei er entsetzt von Habecks Aussagen vom Dienstag in der ARD, wonach Bäckereien und andere Handwerksbetriebe zwar aufhören könnten zu produzieren, deshalb aber nicht insolvent seien.

    Habecks zwischenzeitliche Erklärung, er habe von mit staatlicher Finanzhilfe ermöglichten Betriebspausen gesprochen wie während des Corona-Lockdowns, will Engelhard nicht gelten lassen. "Selbst wenn das wirklich ginge, dass die Regierung jeder Bäckerei ein paar Monate Backpause finanziert – wenn die dann wieder öffnen, sind viele Kunden weg, weil die ihre Einkaufsgewohnheiten längst umgestellt haben. Weg wären auch die Mitarbeiter, weil die sich neue Stellen suchen. Das sehen wir doch gerade in der Gastronomie."

    Aktuell benachteilige der Staat die kleinen Backstuben sogar gegen die industrielle Konkurrenz: "Große Fabriken, die Teiglinge und Aufbackware herstellen, bekommen über das Energiekostendämpfungsgesetz staatliche Hilfe, weil sie im internationalen Wettbewerb stehen. Die Kleinen bekommen diese Unterstützung nicht und darum geraten sie gegenüber den Discountern immer weiter ins Hintertreffen." Die Brezel im Discounter-Regal sei staatlich subventioniert, die vom Handwerksbäcker nicht.

    Dass Habeck inzwischen angekündigt hat, das Energiekostendämpfungsprogramm der Bundesregierung zur Unterstützung von Unternehmen mit hohem Energieverbrauch für weitere Branchen und auch kleine und mittelständische Unternehmen zu öffnen, hat Engelhard noch nicht überzeugt. Er befürchtet, dass dann ein "Kosten- und Bürokratiemonstrum" entstehe. Viel sinnvoller sei es, dass die Bundesregierung jetzt alles unternehme, was die Energiepreise wieder sinken lasse: "Es ist völliger Wahnsinn, wenn drei tadellos funktionierende Kernkraftwerke bald abgeschaltet werden. Dass zwei davon für viel Geld als Reserve behalten werden, ohne dass sie auch nur eine einzige Kilowattstunde Strom produzieren, das verstehe, wer wolle."

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