Vor acht Jahren machte Ursula von der Leyen als „Top-Gun-Uschi“ Schlagzeilen. Die damalige Verteidigungsministerin ließ sich auf dem Nato-Flugplatz Hohn im Morgengrauen ablichten, wollte mit verschränkten Armen Entschlossenheit demonstrieren. Die Sache ging nach hinten los, die CDU-Politikerin wurde verspottet. Andere machten es besser. CSU-Chef Markus Söder und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am bayerischen Kirchsee beispielsweise. Oder Kanzlerin Angela Merkel vor der mittlerweile berühmten G7-Bank in Elmau mit US-Präsident Barack Obama, der sich wiederum acht Jahre lang von seinem persönlichen Fotografen Pete Souza ablichten ließ. Politiker-Fotografie war schon immer Dokumentation, aber eben auch Inszenierung. Gerade sorgt Wirtschaftsminister Robert Habeck für Aufregung, weil er einen Hausfotografen oder eine Hausfotografin anstellen will.
Eine „fotografische Begleitung des Ministers/der Ministerin“ sowie „Auftragsfotografie“ für das Ministerium ist erwünscht, der Grüne legt für einen Zwei-Jahres-Vertrag 350.000 Euro auf den Tisch. Das hört sich zunächst gewaltig an, relativiert sich bei näherer Betrachtung aber. Denn für den Job ist eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit in allen Teilen der Welt erforderlich, Reisekosten sind in der Summe bereits enthalten. Die Schar der erfahrenen Fotografen in Berlin ist sich einig: Einer oder eine allein kann die Anforderungen gar nicht erfüllen, dafür braucht es ein Fotografenbüro.
Politiker wünschen sich PR-Foto als Pressebild
Viele Ministerien greifen schon seit langem auf die Dienste solcher Agenturen zurück. Das Außenministerium, das Familien- oder das Entwicklungsministerium beispielsweise. Es gibt die fest angestellten Fotografen des Bundespresseamtes, die Kanzler und Bundespräsidenten begleiten. Die Fotos gehen nicht nur auf die jeweilige Regierungs-Homepage, sondern über unterschiedliche Kanäle auch an die Medien. Da wirken sie dann wie normale Pressefotos. Viele Fotografen in der Hauptstadt regt das auf, sie stellen die Frage, ob abhängige Fotografinnen – anders als beispielsweise die Kollegen der Nachrichtenagenturen – einen objektiven Blick auf die Realität gewährleisten können. Ist also die bezahlte Fotografie das Ende des Bildjournalismus?
Bertram Solcher winkt ab. „Es ist doch seit vielen Jahrzehnten so, dass sich Politikerinnen und Politiker inszenieren, auf welchem Kanal auch immer“, erklärt der Vorsitzende von Freelens, dem Berufsverband der Fotojournalisten und Fotografinnen. Der Journalismus sei nicht tot, ganz im Gegenteil, sagt der Hamburger. Er suche sich nur andere Kanäle.
Die Geschichte hinter dem Bild von Habeck und Co.
Solcher dringt dabei auf eine Differenzierung. Wer auch immer
unterwegs sei, werde natürlich versuchen, ihn möglichst gut darzustellen, sagt er. „Wenn ich für eine Zeitung oder ein Magazin unterwegs bin, dann wird umgedreht die Politik zusehen, dass sie Herrn Habeck möglichst gut darstellt.“ So oder so handele es sich immer um „eine inszenierte Fotografie, die dem journalistischen Anspruch nicht mehr gerecht wird“.Politische oder auch bildjournalistische Fotografie hingegen gehe einen Schritt weiter, sie beschäftige sich mit den Auswirkungen des Geschehens auf die Menschen, sagt Solcher und nennt das Beispiel Bürgergeld. „Sie können die Politiker fotografieren, die stolz einen Durchbruch verkünden. Oder sie können zu den Menschen gehen und zeigen, wie sie mit Hartz IV oder eben dem Bürgergeld leben. Da fängt dann die Geschichte hinter der Verkündung an. Da fängt der Journalismus an.“
Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Beauftragung von Fotografen durch Regierungsstellen das Problem, „dass diese Fotos denjenigen, die von der Fotografie leben, ein Stück weit das Wasser abgraben“, wie DJV-Sprecher Hendrik Zörner erklärt. Natürlich hätten auch diese Bilder „mit Sicherheit eine Qualität, die konkurrenzfähig gegenüber den Fotos von Bildjournalistinnen und Bildjournalisten ist“. Es handele sich aber trotz aller Professionalität der Beteiligten ganz klar um PR. „Mit einer journalistischen Bildberichterstattung hat das nichts zu tun“, sagt Zörner.