Am Wochenende ist die Weltklimakonferenz zu Ende gegangen. Das zentrale Ergebnis: 300 Milliarden US-Dollar sollen Industriestaaten an die Entwicklungsländer bis 2035 jährlich mobilisieren, damit die ihre Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassung finanzieren können. Frau Oels, Sie haben kürzlich im Interview mit unserer Redaktion dargelegt, dass es dafür aber über eine Billion Dollar jährlich bräuchte. Entsprechend unzufrieden sind viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Ergebnis der Konferenz. Sie forschen am Zentrum für Klimaresilienz der Universität Augsburg zu Klimapolitik, hatten bei der Klimakonferenz in Baku auch eine Mitarbeiterin vor Ort. Wie kommt es denn zu so einem offenbar unausgegorenen Ergebnis und wer profitiert davon?
OELS: Letztlich wurde dieser Abschluss, der die Erwartungen der Entwicklungsländer tief enttäuscht, von der aserbaidschanischen Präsidentschaft regelrecht durchgehämmert. Tatsächlich verwenden die Vorsitzenden im Plenum einen Hammer, durch dessen Aufklopfen Beschlüsse besiegelt werden. In diesem Fall wurde der so schnell geschwungen, dass sich niemand rechtzeitig beschweren konnte. Es folgten zwar viele wütende Wortmeldungen der Entwicklungsländer, die das Vorgehen als unfair empfanden und ausdrücklich gegen die Beschlüsse waren. Trotzdem hat niemand das Dokument rechtlich angefochten, sodass es nun gilt. Damit wurde ein größeres diplomatisches Fiasko vermieden, es hätte sonst nämlich gar keine sinnvollen Beschlüsse in Baku gegeben. Immerhin: Die Summe der jährlich zu mobilisierenden Finanzhilfen hat sich auf 300 Milliarden US-Dollar verdreifacht, bislang waren es nur rund 100 Milliarden jährlich. Dass sie zunächst nicht mehr zusichern müssen, ist natürlich im Interesse der Industrieländer. Aber das bleibt so weit hinter dem Bedarf zurück, dass viele Entwicklungsländer den Beschluss unerträglich finden. Ein weiterer Verhandlungserfolg der Industrieländer war es auch, dass im Beschlusstext steht, dass sich nun auch reiche Schwellenländer wie China oder die Vereinigten Arabischen Emirate auf freiwilliger Basis an der Klimafinanzierung beteiligen können. Ob sie das dann auch tun, steht auf einem anderen Blatt. China machte aber erstmals transparent, welche Finanzhilfen es bereits für Entwicklungsländer geleistet hat, das waren nach Selbstauskunft insgesamt 24 Milliarden in den letzten acht Jahren. Für die Entwicklungsländer ist der einzige Hoffnungsschimmer der Beschlusslage die “Baku Road Map“. Ihr zufolge soll weiterhin auf 1,3 Billionen US-Dollar an Finanzhilfen hingearbeitet werden und ein Fahrplan ausgearbeitet werden, wie man dieses Ziel bis 2035 erreichen kann.
Welches Signal geht denn für Sie von der Klimakonferenz aus?
OELS: Für mich sendet die Konferenz von Baku ein Warnsignal. Man ist wirklich haarscharf einem kompletten Scheitern der Konferenz entgangen. Es gibt nun einen Beschluss, mit dem viele ihr Gesicht wahren: Die Industrieländer zeigten sich zufrieden mit dem Ergebnis zum Finanzierungsziel und beklatschten dessen Annahme. Die Entwicklungsländer können darauf verweisen, dass sie diesem nicht aktiv zugestimmt haben, und geißelten das Ergebnis in aufgebrachten Worten, ohne es jedoch zu Fall zu bringen. Dass es soweit gekommen ist, hatte neben der schwachen, intransparent vorgehenden aserbaidschanischen Präsidentschaft noch einen weiteren Grund: Die fossile Lobby für Öl und Gas war auf dieser Konferenz stärker denn je. Normalerweise üben die USA auf Saudi-Arabien einen mäßigenden Einfluss aus, wovon dieses Mal aber wenig zu spüren war. Darüber hinaus waren 1700 Vertreter der fossilen Industrie auf der Konferenz vertreten, das sind so viele gewesen wie noch nie. Und die haben das auch massiv genutzt. In der Folge hat Saudi-Arabien gnadenlos jegliche Beschlüsse blockiert, die die 2023 beschlossene Abkehr von fossilen Energien auch in Baku schriftlich bekräftigen wollten. Die Klimapolitik steht unter Druck in der aktuellen Weltlage. Und gleichzeitig haben diejenigen, die das Klima schützen wollen, auf der Konferenz die Botschaft gesendet, dass sie sich nicht unterkriegen und auseinanderdividieren lassen. Man hat gezeigt, dass man noch international kooperiert, denn Klimaschutz wird nur durch Multilateralismus vorankommen. Man sollte nicht den Fehler machen, auf den Versuch von Donald Trump und anderen hereinzufallen, die den Multilateralismus schwächen und den Sinn von Klimakonferenzen infrage stellen wollen.
Was muss jetzt passieren, um den Klimaschutz wieder anzutreiben?
OELS: Was auf internationaler Ebene verpasst wurde, muss jetzt national oder regional ausgeglichen werden. Alle sind gefragt: In den USA etwa die Bundesstaaten, Firmen oder Nichtregierungsorganisationen, um gegen Donald Trump so viel Klimaschutz wie möglich zu erreichen. Die Entwicklungsländer werden nun natürlich zu Recht sagen, dass Ihnen das Geld dafür fehlt, die Ambition zu steigern. Hier muss nachgebessert werden. Aber es gibt auch gute Zeichen, wie etwa das rasante Wachstum der erneuerbaren Energien, das gar nicht mehr aufzuhalten ist. Die EU ist mit dem Green Deal gut aufgestellt, der muss auch unter einer neu zusammengesetzten EU-Kommission gehalten werden. Es ist nicht so, dass alles den Bach heruntergeht. Es wird sehr viel Engagement auf anderer Ebene brauchen, um die Schwäche der internationalen Beschlusslage zu kompensieren und den Klimaschutz weiter voranzubringen.
Zur Person
Angela Oels leitet den Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Klimapolitik an der Universität Augsburg. Dort hat sie zudem den Posten als stellvertretende geschäftsführende Direktorin Instituts für Sozialwissenschaften inne und ist ist Mitglied im Klimabeirat der Stadt Augsburg. Promoviert hat sie im englischen Norwich und forschte bislang unter anderem an Universitäten in Hamburg, Berlin und Lund. Darüber hinaus ist sie Vorsitzende des Deutschen Klima Konsortiums, ein Verband aus mehreren Forschungseinrichtungen.
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