Acht Euro Kaltmiete pro Quadratmeter im Neubau. Diese Zahl ist das Maß dafür, ob in Deutschland Menschen, die nicht zu den Gutverdienern gehören, in eine neue Wohnung ziehen können. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, dass sie es können sollen. Wohnen soll nicht zum Privileg der gehobenen Mittelschicht oder der Elite werden. Tim-Oliver Müller muss nicht lange überlegen, um zu dem Schluss zu kommen, dass acht Euro völlig illusorisch sind. Müller ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bauindustrie. "Auf dem freien Markt kommen wir derzeit bei 13 Euro heraus“, berichtet er. Für eine Familie mit Kind, die 80 Quadratmeter braucht, macht das jeden Monat 400 Euro Unterschied aus, die sie mehr oder weniger haben.
Günstige Mieten? In Deutschland wird nicht mehr, sondern weniger gebaut
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hebt die Hände. Der Staat könne wenig tun gegen Rohstoffmangel, Fachkräftemangel und exorbitant steigende Materialkosten. Geywitz hat sogar recht damit. Gegen die Marktkräfte hat sie keine Chance. Für eine Sozialdemokratin, die die Leute mit kleinem Geld beschützen soll, ist es natürlich dennoch eine Bankrotterklärung. Problematisch für Geywitz ist, dass es derzeit danach aussieht, als würde es noch schlimmer werden. Die Bauministerin war stellvertretend für die Ampel-Koalition angetreten, den Wahnsinn auf dem Immobilienmarkt zu zügeln.
Dafür sollte mehr gebaut werden. Ein höheres Angebot sollte die Preise dämpfen. Doch seit Montag hat es Geywitz schwarz auf weiß: In Deutschland wird nicht mehr, sondern weniger gebaut. Vergangenes Jahr wurden 293.000 Wohnungen fertiggestellt und damit 13.000 weniger als im Jahr davor, wie das Statistische Bundesamt ausgerechnet hat. Eigentlich sollen in Deutschland 400.000 Wohnungen pro Jahr entstehen, aber das Ziel ist in weiter Ferne.
Rohstoffmangel erschwert den Wohnungsbau
In der Branche hört man von allen Seiten: Das Ziel wird in diesem und auch in den nächsten Jahren nicht erreichen werden. Wenn derzeit eine Baufirma Beton bestellen will, der in einem halben Jahr geliefert werden soll, dann fällt es dem Lieferanten schwer, einen Preis zu nennen. Es könnte nämlich sein, dass er in sechs Monaten viel mehr Geld dafür bekäme, aber vielleicht auch nehmen muss, weil die Rohstoffe im Einkauf viel mehr kosten. Handwerker können keine verbindlichen Angebote mehr abgeben, weil Holz, Farbe, Rohre nur eines werden – dramatisch teurer. Weniger Angebot heißt auch, dass die Preise nicht nachgeben werden. „Unter den katastrophalen Bedingungen können die sozial orientierten Wohnungsunternehmen derzeit nicht einmal ihre bereits begonnenen Projekte fertigstellen“, stellt der Chef des Verbandes der Wohnungswirtschaft GDW, Axel Gedaschko, fest.
Es entstehen weniger Wohnungen, die immer teurer werden
Von den neuen 400.000 Wohnungen, die die Bundesregierung anpeilt, soll eigentlich ein Viertel Sozialwohnungen sein. Noch gibt es dafür keine aktuellen Zahlen des vergangenen Jahres. Im Jahr 2020 wurden lediglich 29.000 fertig. Wenn sich der allgemeine Trend überträgt, dann könnten 2021 noch weniger Sozialwohnungen entstanden sein als 2020. Der Wohnungsmarkt steckt in der Misere, er ist dysfunktional, der Krieg in der Ukraine hat die Lage noch verschlimmert. Es entstehen weniger Wohnungen, die immer teurer werden und für einen guten Teil der Bevölkerung unbezahlbar sind.
Mögliche Lösung: Wohngeld anheben?
Und nun? Dem Chef des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Oliver Wittke, fällt ein Beispiel aus den letzten Jahren ein, wie es besser werden kann. Der ZIA ist der Dachverband der Immobilienwirtschaft, dem Bauindustrie, Investoren, Verwalter und Architekten angehört. Wittke erzählt von den Unterkünften für Flüchtlinge aus Syrien. Für den Bau der Unterkünfte wurden zahlreiche Ausnahmen gestattet, damit sie schnell und günstig hochgezogen werden konnten. Erlaubt war zum Beispiel, dass es eine Typengenehmigung für einmal geplante Häuser gab und der Bauantrag deutlich entschlackt wurde. „Das könnte man zeitlich befristet bei Sozialwohnungen in Städten mit angespannten Lagen machen“, sagt Wittke.
Und dann hat der frühere Bauminister Nordrhein-Westfalens von der CDU noch einen unorthodoxen Vorschlag: „Wir sollten das Wohngeld drastisch anheben.“ Die Idee dahinter: Wenn nicht genügend günstige Wohnungen fertig werden, dann muss der Staat für viel mehr Menschen die hohen Mieten quer-finanzieren. Dass eine SPD-Bauministerin aber die hohen Preise der Immobilienwirtschaft subventionieren könnte, ist eher unwahrscheinlich. Deshalb bleibt günstiges Wohnen wohl weiterhin ein Privileg für Mieter mit alten Verträgen.