„Eigentlich sind wir ja alle schon beim Blick nach vorn“, sagt die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann auf dem kleinen Parteitag der Grünen am Sonntag. Aber zuvor wolle sie noch einmal einen „Blick zurückwerfen“. Und dann dankt sie Robert Habeck. Vielleicht meint sie es nicht so. Aber die Botschaft, die da anklingt, lautet: Die Ära Habeck ist vorbei. Vorne sind jetzt andere, unter anderem Haßelmann.
Um die 100 Delegierte kamen zum sogenannten Länderrat der Grünen nach Berlin. Die Partei will ein Fazit des Wahlkampfs ziehen und ihre Rolle als Oppositionspartei diskutieren. Vieles klingt schon im Leitantrag des Bundesvorstands an, den die Spitzen im Vorfeld ausgearbeitet haben. „Klar. Grün. Konstruktiv“, ist der überschrieben. Die Grünen betonen darin, es sei wichtig und richtig gewesen, Kompromisse zu schließen. Bezogen ist das vor allem auf die gemeinsame Abstimmung mit Union und SPD zum Sondervermögen und der Lockerung der Schuldenbremse. Nur der Umgang damit sei nicht geglückt. „Es muss unser Ziel sein, unsere Erfolge besser darzustellen, offen zu sagen, welche Abstriche wir in der Aushandlung in den gegebenen Mehrheitsverhältnissen machen mussten, und parallel aufzuzeigen, wo wir eigentlich hinwollen.“
Britta Haßelmann wirft CDU-Chef Merz Moskau-Nähe seiner Partei vor
„Kompromiss“ und „konstruktiv“, aber besser verkaufen. Das gibt schon einen Vorgeschmack darauf, wie die Grünen künftig auftreten wollen. Es werden wohl keine leichten Jahre für die Partei. Lauter und dominierender sind nämlich die anderen beiden Oppositionsparteien. Die AfD, die fast doppelt so groß ist wie die Fraktion der Grünen. Und die Linke, die ihnen viele Wählerstimmen abgewonnen hat und zuletzt angriffslustiger auftrat. Die Grünen drohen dazwischen unterzugehen.
Bleibt also nur die Rolle der staatstragenden Opposition. „Wir wollen mehr als kritisieren“, sagt die Vorsitzende Franziska Brantner. „Wir werden die guten Ideen einspeisen. Und dabei laut sein.“
Ein zweites Alleinstellungsmerkmal in der Opposition: das Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine. Sie klingt in mehreren Reden an. Britta Haßelmann etwa attackiert CDU-Chef Merz. Der würde zur „Moskau-Connection“ seiner Partei schweigen. Gemeint ist vor allem der Abgeordnete Thomas Bareiß, der sich offen gezeigt hat für Gaslieferungen aus Russland. Die Ukraine-Politik ist wohl neben dem Klimaschutz ein Thema, mit dem man auch die künftige Regierung treiben will.
Die angekündigte Selbstkritik kommt etwas kurz
Und in dieser Rede wird auch klar, wer das Treiben übernehmen wird: die Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge. Sie halten die angriffslustigsten Reden. Die Parteivorsitzenden Brantner und Banaszak bleiben vergleichsweise blass. Das Bild bestätigt auch Annalena Baerbock in ihrer Rede: Die beiden Fraktionsvorsitzenden seien das „nächste Kapitel grüner Geschichte“.
Die angekündigte Selbstkritik kommt dann aber etwas kurz. „Andere hätten mehr Grund, sich zu fragen, was in ihrem Wahlkampf eigentlich schiefgelaufen ist“, sagt Robert Habeck in seiner Rede. Verglichen mit anderen habe man wenig Fehler gemacht. Ganz falsch liegt er da nicht. Die Grünen haben ihr zweitbestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren, die Union beispielsweise ihr zweitschlechtestes. Von der SPD gar nicht zu sprechen. Trotzdem liegen die Grünen damit weit hinter ihren Erwartungen. „Fehler wurden gemacht und sie müssen aufgearbeitet werden“, sagt Habeck. „Ich habe auch welche gemacht.. Nur welche genau das waren, das sagt er nicht. Die Delegierten stört es nicht. Er bekommt den längsten Applaus, stehende Ovationen, und wirkt dabei sichtlich berührt. Ein bisschen Wehmut gehört zum Ende einer Ära auch dazu.
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