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Grüne: Anton Hofreiter im Interview: "Regieren? Nicht um jeden Preis"

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Anton Hofreiter im Interview: "Regieren? Nicht um jeden Preis"

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    Anton Hofreiter steht eher für Rot-Rot-Grün als für Schwarz-Grün, was er gerne als „Schwarz-Schwarz-Grün“ (CDU, CSU, Grüne) bezeichnet.
    Anton Hofreiter steht eher für Rot-Rot-Grün als für Schwarz-Grün, was er gerne als „Schwarz-Schwarz-Grün“ (CDU, CSU, Grüne) bezeichnet. Foto: Friso Gentsch/Archiv (dpa)

    Drei Männer wollen die Grünen in die Bundestagswahl führen. Was haben Sie Cem Özdemir und Robert Habeck voraus?

    Hofreiter: Ich stehe für die ökologischen Kernthemen der Grünen und kann diese mit anderen wichtigen Fragen verbinden: Warum müssen wir raus aus der industriellen Massentierhaltung? Was hat die Art, wie wir Landwirtschaft betreiben, mit den Fluchtursachen zu tun? Hier gibt es einen engen Zusammenhang, solange wir unsere subventionierten Agrarprodukte in ärmere Länder exportieren und dort die Wirtschaft zerstören. Klar, ich bin vielleicht etwas kantiger als die anderen, aber ich glaube, klare Alternativen brauchen wir gerade in diesen Zeiten.

    Mal ehrlich: Ist das nicht ein etwas ungleiches Rennen? Katrin Göring-Eckardt, die vierte Bewerberin um einen der beiden Spitzenplätze, ist gesetzt. Sie ist die einzige Frau.

    Hofreiter: Mit Katrin haben wir eine starke Spitzenkandidatin. Vor der letzten Wahl hatten wir drei Frauen und einen Mann, den alle für gesetzt hielten, diesmal ist es eben umgekehrt. Ich habe damit kein Problem. Es ist, wie es ist.

    Die Diskussionen über die Steuerpolitik erinnern fatal an den letzten Wahlkampf. Ist das auch diesmal die Botschaft der Grünen: Ehegattensplitting abschaffen, Steuern rauf?

    Hofreiter: Uns geht es um Gerechtigkeit: bezahlbarer Wohnraum, ein ausreichendes Angebot an Kita-Plätzen, funktionierende Sozialsysteme, kein Missbrauch mehr von Werkverträgen und Leiharbeit. Unsere Steuerpläne zielen nicht auf Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, sondern auf Superreiche, auf Milliardäre und Multimillionäre, die künftig eine Vermögensteuer bezahlen sollen. Das ist wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass Sie jeden Monat Ihre Steuern bezahlen und dann von der Schule Ihrer Kinder einen Brief bekommen, Sie sollen doch bitte helfen, das Klassenzimmer zu weißeln – und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich weltweit eine Luxuswohnung nach der anderen zusammenkaufen, ohne irgendwo noch angemessen Steuern zu bezahlen.

    Trotzdem haben viele Menschen den Eindruck, als wollten die Grünen wieder mal an der Steuerschraube drehen.

    Hofreiter: Damit das klar ist: Wir wollen die Leute entlasten etwa durch mehr Geld für die Kinderbetreuung, bezahlbaren Wohnraum oder sichere Renten. Wir wollen Wohlstand für alle. Und nicht nur für die Superreichen. Die sollen sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen können. Vor kurzem habe ich mich mit einem Buchhändler unterhalten. Er hat sich bitter darüber beklagt, dass er zwar jeden Monat brav seine Steuern abführt, sein schärfster Konkurrent Amazon aber weder anständige Löhne noch Steuern in Deutschland bezahlt. Wie kann das sein? Wenn wir jetzt darauf pochen, dass transnationale Konzerne wie

    Bei den Grünen gibt es heftigen Streit, ob Daimler-Chef Dieter Zetsche beim Parteitag auftreten darf. Ist er für Sie Gegner oder Partner – zum Beispiel beim Thema Elektroauto?

    Hofreiter: Im Moment ist die Autoindustrie sich selbst der größte Gegner. Schauen Sie sich die Panik bei VW an, die Angst vor einer verpflichtenden Quote für den Verkauf von Elektroautos in China, schauen Sie sich die Diskussionen über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in London oder Neu-Delhi an: Überall haben Sie in der Autoindustrie massive Fraktionskämpfe zwischen den Befürwortern einer modernen, umweltschonenden Technologie und den Anhängern der alten Technologie. Wir stehen an der Seite der Innovativen. Hier muss die Branche noch viel Geld investieren, auch auf die Gefahr hin, dass die Dividenden vorübergehend etwas dünner werden.

    Sie gelten als Befürworter einer rot-rot-grünen Koalition nach der Bundestagswahl. Verkehrsminister in einem Bündnis der Grünen mit CDU und CSU: Wäre das nichts für Sie?

    Hofreiter: Eigenständigkeit darf keine Chiffre für Schwarz-Schwarz-Grün sein. Man darf nicht in vorauseilendem Gehorsam Positionen räumen. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Es muss klar sein. Wir sind und bleiben eine Partei der linken Mitte. Da warne ich vor einer Rechtsverschiebung. Für mich gilt: Erst ziehen wir selbstbewusst in den Wahlkampf, dann entscheidet der Wähler, dann verhandeln wir vielleicht über eine Koalition und erst danach verteilen wir die Posten. Ja, wir wollen regieren. Aber nicht um jeden Preis. Entscheidend ist, ob ein echter Politikwechsel möglich ist. Für einen Klimaschutz, der das Klima wirklich schützt, für ein eindeutiges Bekenntnis zur Europäischen Union, für mehr soziale Gerechtigkeit und einen entschiedenen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung. Und dann haben beide Varianten, über die gerade gesprochen wird, ihre Tücken, Rot-Rot-Grün wie Schwarz-Schwarz-Grün.

    Ist die Entscheidung über die grünen Spitzenkandidaten nicht auch eine Richtungsentscheidung? Oder macht das im Prinzip keinen Unterschied?

    Hofreiter: Es macht einen Unterschied. Deshalb will ich diesen Wettbewerb auch gewinnen, ich glaube, dass ich für einen schwierigen Wahlkampf mit einer harten inhaltlichen Auseinandersetzung der geeignete Kandidat bin. Wenn schon keine Partei sich 2017 auf eine Koalitionsaussage festlegen können wird, muss man die inhaltlichen Unterschiede umso genauer zeigen. Und dafür stehe ich. Es gibt mehr als nur eine Alternative zur herrschenden Politik im Bund.

    Union und SPD wollen noch einmal gemeinsam nach einem Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck suchen. Rechnen Sie noch mit einer Einigung?

    Hofreiter: Das ist aus meiner Sicht völlig offen. Die SPD hat mit Frank-Walter Steinmeier einen respektablen Kandidaten vorgeschlagen, aber wir wissen noch immer nicht, wie die Union sich dazu verhalten wird. Sie ist offenbar noch immer in der Findungsphase.

    Die Grünen könnten Winfried Kretschmann ins Rennen schicken. Schon mal darüber nachgedacht?

    Hofreiter: Sollte es keinen gemeinsam getragenen Vorschlag geben, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir einen eigenen machen. Ich schätze Winfried sehr. Aber über Namen spekuliere ich nicht öffentlich.

    Anton Hofreiter (46) ist den Grünen als Jugendlicher beigetreten. Seit Oktober 2013 führt der gebürtige Münchner gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt ihre Bundestagsfraktion. Hofreiter, promovierter Biologe, gehört dem Parlament seit 2005 an und zählt zu den Wortführern des linken Parteiflügels.

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