Liz Truss ist erst seit gut fünf Monaten Premierministerin von Großbritannien. Doch ihre Partei diskutiert wohl bereits ihren Sturz. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hat Truss nun ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen. Dieser Schritt kam am Freitag kurz vor einer erwarteten Kehrtwende bei den geplanten Steuerplänen der Regierung. Kwarteng war vorzeitig von einer wichtigen Tagung in Washington zurück nach London gereist.
Truss geriet bereits zuvor wegen ihrer umstrittenen Finanzpolitik in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck. In der Konservativen Partei gebe es laut der Times schon Debatten, die Regierungschefin nach nur gut fünf Wochen wieder aus dem Amt zu drängen. Im Raum steht nach Times-Informationen, dass führende Tories ein Führungs-Tandem aus den Spitzenpolitikern Rishi Sunak und Penny Mordaunt unterstützen, die Truss im Sommer im internen Ringen um den Parteivorsitz unterlegen waren.
Der frühere Chef der Konservativen, William Hague, nannte die Lage "beispiellos". Hague sagte der BBC, dass die Autorität von Truss offensichtlich beschädigt sei. Als einzigen Ausweg sehe er, dass die Budgetpläne wieder zurückgenommen werden. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Parlament, der Konservative Mel Stride, forderte "entschiedenes Handeln".
Kwasi Kwarteng und Liz Truss wegen Steuersenkungen in der Kritik
Wegen weitreichender Steuersenkungen waren Truss und Kwarteng in die Kritik geraten. Die Regierungspläne, die mit neuen Schulden in Höhe von Dutzenden Milliarden Pfund gegenfinanziert werden sollen, hatten erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst und die Zentralbank zum Eingreifen gezwungen. Ein Anleihenkaufprogramm der Bank of England im Wert von 65 Milliarden Pfund sollte am Freitag auslaufen. Wegen der massiven Kritik hatten Truss und Kwarteng die geplante Streichung des Spitzensteuersatzes wieder zurückgenommen.
Nach Entlassung von Kwarteng: Auch Truss bekommt Gegenwind
Nach dem jünsten Auftritt von Truss im Unterhaus und in einer anschließenden Fraktionsrunde am Mittwoch äußerten konservative Abgeordnete heftige Kritik an der Premierministerin. "Die Stimmung ist furchtbar, so schlimm wie in den letzten Tagen von (Premier Boris) Johnson", kommentierte die Reporterin Beth Rigby vom Sender Sky News.
Die oppositionelle Labour-Partei führt in Umfragen teils mit mehr als 30 Punkten Vorsprung. Wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos ermittelte, sind nur 16 Prozent der Briten mit Truss zufrieden – das sei der schlechteste Wert, der je für einen Premier gemessen worden sei.
Kürzlich kommentierte die Wirtschaftszeitschrift Economist, Truss habe "ihre eigene Regierung mit einem Paket aus ungedeckten Steuersenkungen und Energiepreisgarantien" gesprengt. "Nimmt man die zehn Tage der Trauer nach dem Tod von Königin Elizabeth II. weg, hatte sie sieben Tage die Kontrolle. Das entspricht in etwa der Haltbarkeit eines Salats", schrieb das Blatt. (mit dpa)