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Großbritannien: Torys verlieren die Geduld mit Boris Johnson

Großbritannien

Torys verlieren die Geduld mit Boris Johnson

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    Für Boris Johnson, ehemaliger Premierminister von Großbritannien, könnte es jetzt juristisch eng werden.
    Für Boris Johnson, ehemaliger Premierminister von Großbritannien, könnte es jetzt juristisch eng werden. Foto: Jonathan Brady, Pa Wire/dpa

    In einem professionellen Twitter-Account markieren Nutzer gerne ihre letzten großen Erfolge, sodass diese auch Tage später noch als Erstes sichtbar sind. Das Profil des britischen Premierminister Rishi Sunak zeigt einen Post vom 27. Februar. Darin feiert er den „Windsor Framework“, den überarbeiteten und aus Sicht vieler Experten verbesserten Deal mit der EU, mit dem eine harte Grenze zwischen dem einst vom Bürgerkrieg gebeutelten Landesteil Nordirland und Irland verhindert werden soll, indem man die Zollgrenze in die irische See verlegte. 

    Erwarteten viele Beobachter im Vorfeld einen Aufstand der Brexit-Hardliner in der Partei, blieb dieser dann doch aus. „Minister, die vorher mit ihrem Rücktritt drohten, verhielten sich ruhig oder lobten die Übereinkunft sogar“, begründete Anand Menon von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“ den Erfolg des gesetzlichen Rahmenwerkes. 

    Johnsons Karriere könnte "endgültige Wende" nehmen

    Selbst Boris Johnson, der als erbittertster politischer Gegner Sunaks gilt, kritisierte die Vereinbarung mit der EU lediglich relativ moderat. Vielleicht, weil er gerade andere Sorgen hat. Denn die Karriere des EX-Premiers könnte „eine dramatische und vielleicht endgültige Wendung“ nehmen, wie der Guardian kommentierte. Schließlich wird Johnson durch einen vorläufigen Bericht eines parlamentarischen Ausschusses schwer belastet. 

    Demnach soll der Ex-Premier das Unterhaus in der Partygate-Affäre mehrmals belogen haben. Er habe wissen müssen, dass bei Feiern während des Lockdowns im Jahr 2020 in seinem Regierungssitz und anderen Behörden gegen geltenden Corona-Regeln verstoßen wurde, heißt es dort. Der Vorgänger Sunaks soll Ende März zu den Vorwürfen Stellung nehmen, und zwar live im Fernsehen. Johnson rechtfertigte sich bislang, indem er den Bericht kurzerhand anzweifelte. Dass die Beamtin Sue Gray, die die Untersuchungen zu den ausgelassenen Feiern in der Downing Street einst leitete, als Stabschefin zur Labour-Partei wechseln wolle, zeige, dass die Untersuchungen nicht objektiv seien. Die Tageszeitung The Independent bezeichnete die Verteidigung des Ex-Premierministers als „fadenscheinig“. Im besten Fall handele es sich dabei um Paranoia, im schlimmsten Fall um Propaganda, hieß es dort. 

    Premierminister Rishi Sunak konnte mit dem jetzt ausgehandelten Nordirland-Deal mit der EU Punkte sammeln. Ob das reicht, langfristig seine politische Karriere zu sichern, bezweifeln Beobachter.
    Premierminister Rishi Sunak konnte mit dem jetzt ausgehandelten Nordirland-Deal mit der EU Punkte sammeln. Ob das reicht, langfristig seine politische Karriere zu sichern, bezweifeln Beobachter. Foto: Liam Mcburney, Pa wire/dpa

    Doch ist dies das Ende für „Teflon-Boris“, an dem Skandale häufig abperlten wie an einer beschichteten Bratpfanne? „Wie so viele scheue ich davor zurück, ihn für immer abzuschreiben“, erklärte Tim Bale, Politologe an der Queen-Mary-Universität, am gestrigen Montag gegenüber dieser Zeitung, „aber es sieht immer mehr so aus, als würde ihm tatsächlich die Luft ausgehen." Der Bericht des Parlamentes lege nahe, dass einige ziemlich vernichtende Beweise gegen ihn vorliegen, die belegen könnten, dass er das Parlament in Bezug auf Partygate in die Irre geführt hat. „Es sieht für mich so aus, als hätten die Tory-Abgeordneten wirklich die Geduld mit ihm verloren.“ 

    Der mögliche Fall Johnsons bedeute jedoch nicht, dass Sunaks politische Karriere gesichert ist. Denn ihm stehe diese Woche eine Herausforderung bevor, an der bislang alle Premierminister seit David Cameron gescheitert seien, wie Bale betonte: Er muss die Migration mithilfe von Schleppern über den Ärmelkanal in den Griff bekommen. Innenministerin Suella Braverman wird hierzu vermutlich am heutigen Dienstag einen Gesetzesentwurf im Parlament vorstellen. 

    Die Migrationspolitik bleibt größte Herausforderung für die Regierung Sunak in Großbritannien

    Medienberichten zufolge könnten Geflüchtete, die mit Booten nach Großbritannien kommen, umgehend zurückgeschickt werden. Und nicht nur das – überdies soll ihnen verboten werden, jemals wieder auf die Insel zu kommen. Die Pläne sind auch innerhalb der konservativen Partei umstritten, unter anderem weil dadurch hohe Kosten entstehen. Der Premier würde der Partei einen Gefallen tun, wenn er „die Boote stoppen“ kann, sagte Bale. Dass ihm das gelingt, sei jedoch unwahrscheinlich. „Sunak ist kein Messias, darauf weisen auch die Umfragen hin. Aber er ist vielleicht das kleinste Übel, sozusagen die am wenigsten schlechte Option.“

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