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Großbritannien: Sogar seine treuste Beraterin kehrt Johnson den Rücken

Großbritannien

Sogar seine treuste Beraterin kehrt Johnson den Rücken

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    Wohin führt der Weg für den britischen Premierminister Boris Johnson? Der konservative Politiker steht mittlerweile auch in den eigenen Reihen in der Kritik.
    Wohin führt der Weg für den britischen Premierminister Boris Johnson? Der konservative Politiker steht mittlerweile auch in den eigenen Reihen in der Kritik. Foto: Jason Cairnduff, dpa

    Gestern schien es fast so, als würde sich das Wetter der politischen Lage in der Downing Street 10 anpassen. Denn wie in den Straßen Londons weht seit Donnerstagabend ein eisiger Wind durch den Regierungssitz. Der Grund: Gleich fünf Mitarbeiter warfen am Donnerstag und Freitag das Handtuch. Darunter auch eine der engsten Vertrauten Boris Johnsons, seine langjährige Beraterin Munira Mirza. Um den Premier, so wird im kalten Winterlicht betrachtet deutlich, wird es immer einsamer.

    Doch wie kam es dazu, dass große Teile des Teams um Johnson quasi über Nacht teils wohl unfreiwillig verschwanden? Vonseiten der Regierung erklärt man die Rücktritte damit, dass der Premier nur das wahr gemacht habe, was er angekündigt hat.

    Johnson soll Konsequenzen aus Party-Berichten über Mitarbeiter gezogen haben

    Der Britische Premier Johnson mit seiner Beraterin Munira Mirza 2020 in der Downing-Street. Das gute Verhältnis der beiden hat Risse bekommen.
    Der Britische Premier Johnson mit seiner Beraterin Munira Mirza 2020 in der Downing-Street. Das gute Verhältnis der beiden hat Risse bekommen. Foto: Tayfun Salci/Imago (Archiv)

    Nämlich Konsequenzen aus der „Partygate“-Affäre und den zu Beginn der Woche veröffentlichten Ermittlungen durch die Beamtin Sue Gray zu ziehen. „Der Premierminister hat am Montag absolut klargestellt, dass es Veränderungen an der Spitze von Nummer 10 geben wird, und das hat er geliefert“, sagte der Energieminister Greg Hands gestern dem Fernsehsender Sky News.

    Tatsächlich war der Privatsekretär Martin Reynolds Beobachtern zufolge unhaltbar, seit klar ist, dass er es war, der rund 100 Minister und Beamte zu einer Gartenparty in die Downing Street während eines Lockdowns eingeladen hatte. Auch der Kommunikationsdirektor Jack Doyle, der ebenfalls am Donnerstagabend sein Amt niederlegte, war in den Skandal um Feiern verwickelt.

    Manche macht das Vorgehen Johnsons stutzig

    Was Beobachter wie die frühere Mitarbeiterin Nikki da Costa jedoch skeptisch macht, ist der Zeitpunkt, zu dem die Mitarbeiter gingen und die Tatsache, dass dies „nicht kontrolliert“ ablief. Warum musste es so schnell gehen?

    Die Online-Zeitung Politico vermutet, dass der Schritt, die Mitarbeiter so unvermittelt gehen zu lassen, vor allem eines war: ein Manöver, um von dem Abgang der langjährigen Beraterin Mirza abzulenken. Denn die 44-Jährige, die Johnson einst als eine der einflussreichsten Frauen in seinem Leben bezeichnete, ging freiwillig, aus moralischen Gründen, wie ein geleakter, Brief an den Premierminister belegt. Auslöser für ihren Rücktritt war eine äußerst umstrittene Äußerung des Premiers im Parlament gegenüber dem Labour-Chef Keir Starmer in Bezug auf die Ermittlungen zu Jimmy Savile.

    Beraterin wendet sich von Johnson ab

    Worum es geht: Der angesehene BBC-Entertainer Savile hatte über Jahrzehnte hunderte Kinder und Erwachsene sexuell missbraucht. Das ganze Ausmaß des Verbrechens kam jedoch erst nach seinem Tod ans Licht. Der Labour-Chef Keir Starmer war seinerzeit Leiter der Staatsanwaltschaft, jedoch nicht mit dem Fall betraut. Trotzdem wird er in rechtsextremen Kreisen seit Jahren zu Unrecht dafür verantwortlich gemacht, dass Savile nicht zu Lebzeiten für seine Taten belangt wurde. Boris Johnson wiederholte diesen Vorwurf diese Woche gegenüber Starmer.

    Für Mirza war das der Skandal, der das Fass nach Wochen der Diskussionen um Partys endgültig zum Überlaufen brachte. Und das, obwohl sie laut Insidern am meisten an ihn geglaubt hat. Sie schreibt an den Premier: Es sei zutiefst traurig, dass er gegen den Führer der Opposition so eine „skurrile Anschuldigung“ gemacht habe.

    Entgleisungen Johnsons sorgen immer wieder für Unmut in den eigenen Reihen

    Auch im Rest der konservativen Partei sorgte Johnsons Entgleisung für Aufruhr. Bis zum gestrigen Nachmittag hatten ein Dutzend Torys den Premier öffentlich dazu aufgerufen, zurückzutreten, sieben gaben bekannt, dass sie ihm das Misstrauen ausgesprochen hatten - darunter auch Abgeordnete, die ihm einst nahestanden.

    Fünf Mitarbeiter verlassen die Downing Street 10. Ein Problem für den Premierminister Boris Johnson.
    Fünf Mitarbeiter verlassen die Downing Street 10. Ein Problem für den Premierminister Boris Johnson. Foto: Alberto Pezzali, AP/dpa

    Der Wirtschaftsminister Rishi Sunak, der als aussichtsreichster Nachfolger Johnsons gehandelt wird, distanzierte sich angesichts des Savile-Kommentars öffentlich von ihm. „Ich bin zutiefst beunruhigt über das, was vor sich geht“, sagte der konservative Abgeordnete Huw Merriman gestern gegenüber der BBC. „Wir alle wissen, dass der Premierminister gehen muss, wenn er nicht klarkommt.“

    Muss Johnson bald zurücktreten?

    Naht nun also tatsächlich das Ende Johnsons? Laut Kreisen in Westminster jedenfalls stehen die Chancen, dass der Premier nun aus dem Amt gedrängt wird, bei 50 zu 50. In jedem Fall liegt sein Schicksal in den Händen seiner Parteigenossen, die sich nun entscheiden müssen, ob sie ihm ebenfalls das Misstrauen aussprechen.

    Die sonst regierungsfreundliche britische Boulevardzeitung Daily Mail jedenfalls läutete angesichts des Mitarbeiterschwundes schon einmal den Abgesang der Regierung Johnsons ein, indem sie fragte: „Kann der Letzte bitte das Licht ausmachen?“

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