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Großbritannien : Nach rechtsextremen Ausschreitungen beruhigt Abschreckung vorerst die Lage

Großbritannien

Nach rechtsextremen Ausschreitungen beruhigt Abschreckung vorerst die Lage

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    Bilder, die über Tage die Nachrichten in Großbritannien dominierten: Feuerwehrleute löschen ein brennendes Polizeiauto in den Straßen von Hartlepool im Nordwesten Englands.
    Bilder, die über Tage die Nachrichten in Großbritannien dominierten: Feuerwehrleute löschen ein brennendes Polizeiauto in den Straßen von Hartlepool im Nordwesten Englands. Foto: Owen Humphreys/PA Wire, dpa

    Rechtsextreme Ausschreitungen in Dutzenden Städten Englands und Nordirlands, verletzte Polizisten und rund 1000 Festnahmen: Seit Ende Juli befand sich Großbritannien tagelang im Ausnahmezustand. Moscheen, Asylunterkünfte und Polizeistationen wurden von einem Mob angegriffen, der rassistische und antimuslimische Parolen rief. 

    Auslöser war eine Messerattacke in der englischen Stadt Southport, bei der drei Kinder getötet wurden, und die anschließende Desinformation in den sozialen Medien über die Herkunft des mutmaßlichen Täters. Viele befürchteten einen ganzen Sommer der Ausschreitungen und Unruhen, doch seit einigen Tagen hat sich die Lage deutlich und damit schneller als von vielen erwartet beruhigt. 

    Premierminister Sir Keir Starmer wendete sich wegen der Tge anhaltenden Unruhen in Teilen des Landes an die Nation.
    Premierminister Sir Keir Starmer wendete sich wegen der Tge anhaltenden Unruhen in Teilen des Landes an die Nation. Foto: Ben Bauer/PA Wire, dpa

    Matthew Feldman, Rechtsextremismus-Experte an der Liverpool Hope University, begründet dies unter anderem mit den Maßnahmen von Premierminister Keir Starmer. Die Regierung habe früh gehandelt und auf Abschreckung gesetzt, indem sie deutlich gemacht habe, dass sie „schnell und hart“ gegen diejenigen vorgehen werde, die sich an Ausschreitungen und Krawallen beteiligten, sagt er dieser Zeitung. 

    Mehr als hundert Personen sind bereits verurteilt worden, zum Teil zu mehrjährigen Haftstrafen. Zudem hätten Gegendemonstrationen in vielen Städten dazu geführt, dass die gewalttätigen Ausschreitungen eingedämmt werden konnten. „Wenn ein Land zusammenkommt und sagt: ,Nicht in unserem Namen’, dann hat das ebenfalls eine abschreckende Wirkung.” 

    Die Suche nach den Ursachen dauert an

    Die Unruhen scheinen vorerst beendet, doch die Suche nach den Ursachen dauert an. Laut Feldman sind sie auf eine komplexe Mischung aus sozialen, wirtschaftlichen, fremdenfeindlichen und internetbezogenen Faktoren zurückzuführen. So betont er, dass Ausschreitungen im Sommer im Königreich häufiger vorkommen. „Wäre das Verbrechen im Februar passiert, hätten wir sicher nicht solche Randale gesehen.“ Auch der Beginn der Fußballsaison habe eine Rolle gespielt und die Stimmung angeheizt. 

    Vor allem aber hätten Online-Influencer wie Andrew Tate, der rechtsextreme und islamfeindliche Aktivist Tommy Robinson und der ehemalige GB-News-Moderator Laurence Fox sowie Elon Musk „die Flammen geschürt“. Dabei wurden die Unruhestifter vor Ort von „Lügen über den Täter, der angeblich Muslim und illegal eingereist sei“, beeinflusst. Auch von russischer Einflussnahme durch gezielte Verbreitung von Falschinformationen war die Rede. 

    Wirtschaftlich abgehängte Regionen, soziale Ungleichheit

    Feldman weist darauf hin, dass die Randale überwiegend in Gegenden stattfanden, die in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich abgehängt wurden, und verweist damit auf die große soziale Ungleichheit in Großbritannien als Gewaltfaktor. Er betont aber auch, dass die Briten, die sich an den Demos beteiligten, „nicht einfach nur Menschen gewesen seien, die sich in ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status bedroht fühlten“. Rassistische Einstellungen und eine aufgeheizte Stimmung gegenüber Migranten und illegaler Einwanderung hätten eindeutig eine Rolle gespielt. 

    Die entscheidende Frage sei nun, wie man verhindern könne. Es sei richtig gewesen, dass sich Starmer zunächst auf Recht und Ordnung konzentriert habe, indem Polizei und Staatsanwaltschaft die Randalierer vor Gericht gebracht hätten. Dieser „Abschreckungseffekt“ habe zur Beruhigung der Lage beigetragen. 

    Überdies sei jedoch ein entschiedenerer Kampf gegen die Verbreitung von Hass und Hetze im Internet nötig. Großbritannien müsse eine neue und zeitgemäße Gesetzgebung im Umgang mit sozialen Medien entwickeln, um Probleme wie die Online-Aufstachelung zu Offline-Kriminalität anzugehen. Die EU habe einen „viel umfassenderen“ und „gut durchdachten“ Rechtsrahmen für die Regulierung digitaler Dienste und die Moderation von Inhalten, dem Großbritannien folgen könne, sagt er. 

    Labour-Regierung kündigt Überprüfung der Anti-Extremismus-Strategie an

    Am Wochenende wurde bekannt, dass die Labour-Regierung eine Überprüfung der britischen Anti-Extremismus-Strategie anstrebt. Im Zuge dessen soll künftig auch extreme Frauenfeindlichkeit als Form des Terrorismus behandelt werden, hieß es. Langfristig, betont Feldman, seien aber vor allem „alternative Narrative“ wichtig, um Ideologien entgegenzuwirken. 

    Statt Menschen abzulehnen oder zu erniedrigen, schlägt er vor, den Dialog zu suchen, um allmählich ein Umdenken zu erreichen. Es müsse darüber gesprochen werden, wie die Bewohner Großbritanniens, aber auch anderer Länder, in einer multiethnischen Gesellschaft besser miteinander auskommen könnten. Dies sei ein langwieriger Prozess, der echtes Engagement erfordere, sich aber langfristig auszahlen könne.

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    2 Kommentare
    Raimund Kamm

    Der neue Premierminister Keir Starmer scheint es richtig zu machen. Gegen die Gewalttäter hart und insbesondere schnell durchgreifen.   Jetzt muss er die tieferen Ursachen, die die Vorgängerregierungen verschuldet haben, angehen: „Abgehängte“ Regionen wirtschaftlich und sozial wieder stabilisieren, das völlig marode Gesundheitssystem sanieren, die Gefängnisse modernisieren, Gesetze gegen Aufstachelung zum Hass erlassen, das Bildungssystem besser und sozialer machen, …

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    Marianne Böhm

    Ich bin völlig bei ihnen, nur der Mensch muss überall gleich viel Wert sein.. Hass, Wut entsteht dadurch wenn man Menschen kategorisiert, Arm gleich Dumm, Reich gleich Intelligent.. Was ist das für ein Leben wenn man hungern muss, sozial am Ende ist und der Staat nichts macht.. Und dann werden noch Kinder getötet. Die abgehängten in unserer Welt sind zu recht wütend, getrauen sich ihre Wut nur nicht zu zeigen, weil sie dann noch mehr Strafe befürchten. Und mit denen die ihre Wut öffentlich aggressiv, zerstörend rauslassen, werden dann die sozialen Verlierer gleichgestellt und zur politischen Zielscheibe.. Eines Tages werden Milliarden von Unterdrückten, Verlierer aufstehen und sich ihre Existenz- Lebensrechte zurückholen. Sagt der König zum Priester, halte du sie dumm ich halte sie arm..

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