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Großbritannien: Liz Truss ist kaum im Amt und schon unter Beschuss aus den eigenen Reihen

Großbritannien

Liz Truss ist kaum im Amt und schon unter Beschuss aus den eigenen Reihen

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    Liz Truss, Premierministerin von Großbritannien, hält ihre Grundsatzrede am letzten Tag des Jahreskongresses der Konservativen Partei in Birmigham.
    Liz Truss, Premierministerin von Großbritannien, hält ihre Grundsatzrede am letzten Tag des Jahreskongresses der Konservativen Partei in Birmigham. Foto: Kirsty Wigglesworth, AP/dpa

    Gerade als Liz Truss im Rahmen ihrer ersten Rede als britische Premierministerin über das umstrittene Mini-Budget reden will, wird sie von zwei Frauen der Naturschutz-Organisation Greenpeace unterbrochen. Sie halten ein Plakat hoch. Darauf steht: „Wer hat dafür gewählt?“ Die 47-Jährige ließ sich davon nicht beirren. Sie betonte gestern im Rahmen der Parteikonferenz der Tories im Birmingham erneut, dass die Senkung von Steuern ein integraler Teil ihrer Agenda sei, an der sie festhalten werde.

    Das Ziel: „Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Zumindest bei den Anwesenden im Saal kam das recht gut an. Truss erhielt Applaus. Abgeordnete, Parteimitglieder und Minister erhoben sich von ihren Stühlen. „Sie klang selbstbewusst und hatte eine sehr klare Botschaft“, sagte Tory-Hinterbänkler Roger Gale. Ob man dieser Botschaft folgen wolle, stehe jedoch auf einem anderen Blatt.

    In den Umfragen stürzen die Tories regelrecht ab

    Denn Truss legte, gelinde gesagt, einen schlechten Start als Premierministerin hin. Nur vier Wochen nach ihrem Amtsantritt hatte sie in weiten Teilen der Partei und überdies in der Bevölkerung den Rückhalt verloren. Mitglieder ihres eigenen Kabinetts übten in den vergangenen Tagen offen Kritik an ihrem neoliberalen Kurs. Der frühere Brexit-Minister David Frost, ein konservativer Hardliner, deren Unterstützung ein wichtiger Faktor für Truss' Einzug in die Downing Street war, attestierte ihr einen „schwachen Start“. Die Partei rutschte in den Umfragen ab.

    Laut dem Meinungsforschungsinstitut YouGov kamen die Tories nur noch auf 28 Prozent. 49 Prozent der Britinnen und Briten würden demnach stattdessen für die oppositionelle Labour-Partei stimmen. Tories in Birmingham sprachen davon, dass sie nicht damit rechnen, dass man die nächste Wahl gewinnen werde. „Dafür müsste schon sehr viel passieren“, sagte ein Parteimitglied gegenüber unserer Redaktion. Den Untergang vor Augen hielt sich so mancher schon in den späten Nachmittagsstunden der Parteikonferenz mit Gin Tonic bei Laune.

    Ausgangspunkt der Krise war das von Truss und Finanzminister Kwasi Kwarteng vor knapp zwei Wochen angekündigte sogenannte Mini-Budget. Es umfasste unter anderem eine Senkung der Einkommensteuer für gering Verdienende um einen Prozentpunkt. Der Spitzensteuersatz von 45 Prozent für Topverdiener sollte gestrichen werden. Außerdem wurde eine Erhöhung der Sozialversicherung und ein Anstieg der Körperschaftsteuer zurückgenommen. Finanziert werden sollte das Paket im Wert von bis zu 245 Milliarden Pfund (280 Milliarden Euro) durch Schulden und weniger Sozialabgaben.

    Menschen und Märkte reagierten geschockt auf britische Steuerpläne

    Nicht nur die Menschen im Land, auch die Märkte reagierten geschockt. Schließlich ließ Kwarteng offen, wo das Geld herkommen soll. Das führte zu großer Verunsicherung bei Banken und ausländischen Investoren. Bürgerinnen und Bürger fürchteten massive Kürzungen unter anderem im Bereich Bildung und Pflege. Das Pfund fiel auf ein historisches Tief, Importe wurden teurer. Um die Pensionskassen zu retten, musste die Notenbank in einem historischen Schritt Staatsanleihen kaufen. Die Hypothekenzinsen schnellten in die Höhe.

    Massiv unter Druck geraten, verkündete Finanzminister Kwarteng am Montag, dass die Regierung die Steuersenkungen für Reiche zurücknehmen wird. Sie seien zu einer Ablenkung für einen ansonsten guten Plan geworden, bekräftigte der 47-Jährige. Das Pfund erholte sich in den vergangenen Tagen, die Hypothekenzinsen blieben jedoch weiter hoch. Entgegen vieler Spekulationen, versicherte Truss in ihrer Rede am Mittwoch, dass der Finanzminister, einer ihrer engen Weggefährten, im Amt bleibt.

    Richard Murphy von der Sheffield University Management School fasste seinen Eindruck gegenüber unserer Redaktion gestern so zusammen: „Nach einer chaotischen Konferenz der Konservativen Partei hat Liz Truss sich erneut zu ihrer spaltenden Politik bekannt. Sie hat sich dem Wachstum verschrieben, ohne eine grüne Agenda zu erwähnen.“ Ihr Versprechen, die Steuern zu senken, werde in diesem Herbst zu Sparmaßnahmen führen. „Wir können nun wohl zusehen, wie die erfolgreichste politische Partei der Weltgeschichte in Echtzeit zusammenbricht.“

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