„Das ist meine letzte Fragestunde im Parlament”, versprach Noch-Premierminister Boris Johnson gestern zunächst und gab sich dabei gut gelaunt und kampfeslustig wie eh und je. Nachdem er Labour-Chef Keir Starmer mit einem nutzlosen Absperr-Pfosten aus Kunststoff verglichen hatte, ließ er es sich nicht nehmen, auf diejenigen Erfolge zu verweisen, auf die er besonders stolz sei: den Umgang mit der Pandemie und die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. „Das muss reichen, fürs Erste“. Er schloss mit einem Zitat aus dem Film Terminator: „Hasta la vista, Baby.”
Spricht Boris Johnson schon beim Abschied von einem Comeback?
Obwohl Johnson mit diesem letzten Auftritt als Premierminister im Unterhaus Spekulationen um ein mögliches Comeback Tür und Tor geöffnet hatte, war der gestrige Tag auch der Auftakt zu einem Neuanfang für die Tories. Denn nach dem Rücktritt des 58-Jährigen als Parteichef wurden gestern die beiden Finalisten im Rennen um seine Nachfolge bestimmt. Die Wahl der konservativen Abgeordneten fiel auf den früheren Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss. Die Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt schied aus. Am 5. September entscheiden die rund 200.000 Mitglieder der konservativen Partei, wer neuer Parteichef und damit auch Premierminister wird.
Rishi Sunak und Liz Truss sind im Rennen um den Posten als Torie-Chef
Mit 137 Stimmen erhielt gestern Sunak die größte Unterstützung. Er gilt als zentristischer Kandidat, der in Hinblick auf Steuersenkungen, „keine falschen Versprechungen” machen wollte. Eine Ankündigung, die ihm auch viel Gegenwind einbrachte. Eigentlich politisch unerfahren, stieg der 42-Jährige unter Johnson schnell zum Finanzminister auf. Zweifel an seiner Integrität kamen auf, weil er wie Johnson ein Bußgeld wegen des Verstoßes gegen Corona-Regeln im Jahr 2020 zahlen musste. Seine Frau, Akshata Murty, hat überdies
. Im Kampf um das Amt des Parteichefs spielten ihm dann jedoch unter anderem die Herausforderungen angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten in die Hände.Die zweitplatzierte mit 113 Stimmen und damit ebenfalls im Finale ist Liz Truss. Die 46-Jährige ist die bekannteste Kandidatin und hat am meisten Erfahrung gesammelt. Unter der Führung von Theresa May wurde sie Justizministerin. Johnson ernannte sie dann zunächst zur Ministerin für internationalen Handel und schließlich zur Außenministerin. Truss hat angekündigt, den Kurs ihres Vorgängers in Bezug auf den Brexit fortzusetzen. Sie versprach außerdem großzügige Steuersenkungen. Bei den Anhängern Johnsons und bei der Basis der Partei beliebt, werfen ihr manche Kollegen Fehlentscheidungen und Inkompetenz vor.
Mit 105 abgeschlagen auf dem dritten Platz landete Handels-Staatssekretärin Mordaunt. Sie ist damit ausgeschieden und bedankte sich gestern per Twitter bei ihren Unterstützern. Dass Sunak die meisten Stimmen der Abgeordneten erhalten hat, bedeutet jedoch nicht, dass er gewinnt. Denn schließlich entscheidet die Basis der Partei über den Nachfolger. Experten betonten gestern, dass es ein sehr enges Rennen zwischen Sunak und Truss wird. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov liegt Truss bei den Parteimitgliedern vor Sunak.
Johnson hinterlässt nach Lügen und Skandalen als Premier ein schweres Erbe
Ganz gleich, wer am Ende als Sieger hervorgeht. Experten sind sich einig, dass er oder sie es als Parteichef und Premierminister nicht einfach haben wird. Schließlich ist das Rennen um die Nachfolge eng, die Einigung auf die Kandidaten war langwierig und geprägt von Schmierkampagnen. Während Johnson 2019 dank seiner Versprechung, den Brexit durchzuboxen, auf eine breite Unterstützung bauen konnte, ist die Partei inzwischen gespalten. Hinzu kommt, dass Johnson durch seinen von Lügen und Halbwahrheiten geprägten Führungsstil ein schweres Erbe hinterlässt.
Während sich die beiden Finalisten mit einem maximalen Budget von jeweils 300.000 Pfund (rund 350.000 Euro) auf in den Wahlkampf machen, kostete Noch-Premierminister Johnson in den letzten Tagen die Privilegien seines Amtes aus. Am Wochenende feierte er eine Abschiedsparty in Chequers, Sondersitzungen anlässlich der zerstörerischen Hitzewelle blieb er fern. Die Labour-Abgeordnete Lisa Nandy sagte, er habe „eindeutig den Feierabend eingeläutet“ – zumindest vorerst.