Eigentlich war alles schon geplant. Am Dienstag wollte der britische Premierminister Rishi Sunak einen überarbeiteten Deal zum Nordirland-Protokoll als Teil des Brexit-Abkommens im Parlament vorstellen. Ein Durchbruch im Streit zwischen London und Brüssel stand bevor, so der allgemeine Eindruck. Doch es kam anders. Gegenwind bekam Sunak von der unionistischen Democratic Unionist Party (DUP) in Nordirland sowie den Euroskeptikern seiner Tory-Partei. Es sieht so aus, als würde das Abkommen mit Brüssel frühestens kommende Woche verkündet - wenn überhaupt.
Der Premier bezog die DUP sowie die European Research Group (ERG), eine mächtige Gruppe von konservativen Brexit-Hardlinern, vergangene Woche erst ein, als die Verkündung des überarbeiteten Gesetzestextes kurz bevor stand. Statt sich dem Druck zu beugen, begehrten die Brexit-Hardliner auf - auch weil sie sich übergangen fühlten. Sunak buhlt nun um die Zustimmung der DUP. Die Erzkonservativen aus dem Norden fordern unter anderem, dass es keine effektive Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien geben darf und dass die Bevölkerung bei Gesetzen, die in dem Landesteil gelten, mitreden kann. Sie drohen damit, die Regierungsarbeit mit der Sinn-Fein-Partei nicht aufzunehmen - sprich mit Instabilität.
Sichtbare Kontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland sollten verhindert werden
Im Zuge des Nordirland-Protokolls wurde die Zollgrenze zwischen Nordirland auf der einen und Schottland, England und Wales auf der anderen Seite in die Irische See verlegt. Damit sollten sichtbare Kontrollen zwischen Nordirland und Republik Irland verhindert und der Frieden in der Provinz gesichert werden. London hatte den Vertrag 2019 mit der EU unterschrieben, verschob die vollständige Einführung des Protokolls jedoch immer wieder.
Der überarbeitete Deal mit der EU soll die Überführung von Waren von Großbritannien nach Nordirland vereinfachen und sieht möglicherweise vor, dass bei den meisten Streitfällen irische oder britische Gerichte eingeschaltet werden.
Sunak braucht weder die Zustimmung der DUP noch der ERG
Doch eine Einigung ist noch nicht in Sicht. Schließlich wurde Sunak auch durch Ex-Premier Boris Johnson unter Druck gesetzt. Er drohte mit einer Rebellion innerhalb der konservativen Partei. Im Mittelpunkt steht dabei der Streit um einen im Sommer 2022 eingebrachten Gesetzentwurf, der es London ermöglichen würde, die bestehende Nordirland-Abmachung eigenmächtig aufzukündigen. Mehrere Tory-Politiker wollen darauf auf keinen Fall verzichten. Einige Minister drohten sogar mit Rücktritt.
Das Paradoxe daran: „Da es sich nicht um einen neuen Deal handelt, braucht Sunak eigentlich weder die Zustimmung der DUP noch der ERG“, erklärte Anand Menon von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“. Und auch wenn er das Parlament darüber abstimmen ließe, wäre die Mehrheit der Abgeordneten auf seiner Seite. Schließlich hatte Labour-Chef Keir Starmer klargemacht, dass seine Partei den Premier unterstützen werde. Dass die Brexit-Hardliner die Debatte dennoch so stark prägen, zeigt, wie prekär die Stellung des Parteichefs ist. „Er muss umsichtig vorgehen, sonst droht eine Regierungskrise“, betonte Menon.